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Willisen, Friedrich Adolf von: Humbolds Vorlesungen. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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Luft stehen, und nicht wie bei uns wo sie gleichsam imn Hospitälern
gepflegt werden, können 6° R. unter dem Gefrierpunkt ertragen.
Die mittlere Temperatur der Citronenbäume aber ist 131/2°. Die
des Oelbaum der in Europa zwischen 36 und 44° Nordbreite wächst, erfordert
eine mittlere jährige Wärme von 111/2 bis 15° R.; hier kommt
es aber auf die kältesten Monate hauptsächlich an, welche
nicht unter 41/2 wirsind. -- Guter trinkbarer Wein erfordert
eine jährliche mittlere Wärme von 7-8° R.; was aber das
Wichtigste ist hier die Temperatur der 3 Wintermonate
welche mittlere nicht unter den Gefrierpunkt sinken darf.
Die Sommerwärme dagegen mittlere Temperatur von 15° R. haben
muß; -- dies ist in Europa bis 50° Nordbreite in Amerika aber
schon mit dem 40° aufhört. Die Wintermonate wenn sie
bei den guten Weinen nur minus 1/2° R. haben und die Som-
mermonate etwas über 14° so gedeiht er vollkommen.
Ja die Cerealien werden noch gebaut wo die Wintermo-
nate eine mittlere Temperatur von 11/2° R. unter dem Gefrierpunkt
haben; wenn nur die Sommermonate eine mittlere Tempe-
ratur von 11/2° R. unter7 bis 8° über dem Gefrierpunkt zeigen, eine
Wärme welche die Birken zu ihrer Entwickelung bedürfen.

Dieses Erwachen der Natur im Frühjahr ist sehr merk-
würdig, und hat mir insonderheit zu vielfältigen Beobachtun-
gen Anlaß gegeben. Das schnelle Erwachen der Natur
beruht darauf daß in kurzer Epoche die Wärme bedeutend
zunimmt. Pfirsiche blühen bei 41/2° R., Birken schlagen bei
8-9° aus. Jn Rom tritt diese Zeit im März ein imn Berlin
im Anfang May, Upsala Mitte Junius. Die Vegetations-
zeit ist das Wichtigste, im südlichen Frankreich dauert sie
270 Tage wo die mittlere Temperatur 9° R. ist; in Petersburg nur

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Luft ſtehen, und nicht wie bei uns wo ſie gleichſam imn Hospitälern
gepflegt werden, können 6° R. unter dem Gefrierpunkt ertragen.
Die mittlere Temperatur der Citronenbäume aber iſt 13½°. Die
des Oelbaum der in Europa zwiſchen 36 und 44° Nordbreite wächſt, erfordert
eine mittlere jährige Wärme von 11½ bis 15° R.; hier kommt
es aber auf die kälteſten Monate hauptſächlich an, welche
nicht unter 4½ wirſind. — Guter trinkbarer Wein erfordert
eine jährliche mittlere Wärme von 7–8° R.; was aber das
Wichtigſte iſt hier die Temperatur der 3 Wintermonate
welche mittlere nicht unter den Gefrierpunkt ſinken darf.
Die Sommerwärme dagegen mittlere Temperatur von 15° R. haben
muß; — dies iſt in Europa bis 50° Nordbreite in Amerika aber
ſchon mit dem 40° aufhört. Die Wintermonate wenn ſie
bei den guten Weinen nur minus ½° R. haben und die Som-
mermonate etwas über 14° ſo gedeiht er vollkommen.
Ja die Cerealien werden noch gebaut wo die Wintermo-
nate eine mittlere Temperatur von 1½° R. unter dem Gefrierpunkt
haben; wenn nur die Sommermonate eine mittlere Tempe-
ratur von 1½° R. unter7 bis 8° über dem Gefrierpunkt zeigen, eine
Wärme welche die Birken zu ihrer Entwickelung bedürfen.

Dieſes Erwachen der Natur im Frühjahr iſt ſehr merk-
würdig, und hat mir inſonderheit zu vielfältigen Beobachtun-
gen Anlaß gegeben. Das ſchnelle Erwachen der Natur
beruht darauf daß in kurzer Epoche die Wärme bedeutend
zunim̃t. Pfirſiche blühen bei 4½° R., Birken ſchlagen bei
8–9° aus. Jn Rom tritt dieſe Zeit im März ein imn Berlin
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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Christian Thomas: Transkription, Annotation
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Diese Archivalie stammt aus dem Nachlass des preußischen Generals (Friedrich) Adolf von Willisen (1798–1864) aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA-PK). In einem blauen Papierumschlag, beschriftet mit dem Titel "Humbolds Vorlesungen", enthält das Konvolut Fragmente einer bzw. zweier Nachschriften der 1827/28 in Berlin gehaltenen Kosmos-Vorträge Alexander von Humboldts an der Berliner Universität.

Das Fragment besteht offensichtlich aus drei (wahrscheinlich unabhängig voneinander entstandenen) Teilen: Der erste Teil, Bl. [1r] bis Bl. [8v], setzt unter der Überschrift "Die flüſſigen Hüllen des Starren" unvermittelt gegen Ende der 3. Vorlesung ein, die Humboldt am 10. November 1827 gehalten hatte. Der Text gibt den Abschluss der 3. Vorlesung und anschließend den Inhalt der gesamten 4. Vorlesung vom 14. November 1827 wieder sowie den Beginn der 5. Vorlesung vom 17. November 1827. Der Text von Bl. [1r] bis einschließlich der ersten zwei Drittel von Bl. [6v] wurde vermutlich von F. A. Willisen selbst geschrieben. Der Text vom unteren Drittel des Bl. [6v] bis einschließlich Bl. [8v] wurde in einer zweiten, von der zuvor genannten abweichenden Handschrift verfasst, stammt offenbar also von einem anderen, namentlich nicht bekannten Schreiber. Die folgenden beiden Blätter, Bl. [9r] bis [10v], weisen ein anderes Format und anderes Papier auf. Sie sind in einer dritten, von den beiden zuvor genannten abweichenden Handschrift verfasst; der Text dieser beiden Blätter gehört inhaltlich allerdings nicht zu den Kosmos-Vorträgen. Sie sind wohl nur versehentlich in der mit "Humbolds Vorlesungen" beschrifteten Mappe abgelegt worden und werden daher hier nicht wiedergegeben.

Ab Blatt [11r] ist eine weitere, von den drei anderen abweichende Handschrift erkennbar. Dieser Teil gibt Humboldts Kosmos-Vorträge wieder, allerdings einen sehr viel späteren Teil als die übrigen dazugehörigen Blätter des Konvoluts: Der Text setzt erst mit dem Beginn der 49. Vorlesung, die Humboldt am 9. April 1828 hielt, (wieder) ein. Bis zum letzten Blatt des Konvoluts, Bl. [14v], gibt der Text den Inhalt der gesamten 49. Vorlesung wieder und bricht dann ab. Weitere, zu diesem Fragment gehörende Teile konnten im Nachlass Willisens bisher nicht ermittelt werden.




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Zitationshilfe: Willisen, Friedrich Adolf von: Humbolds Vorlesungen. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [13v]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/willisen_humboldt_1827/23>, abgerufen am 28.03.2024.