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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Drittes Capitel.
gehandelt worden, ungewiß; auf der andern Seite sind es einige Werke,
welche in Toscana entdecket worden, und den Griechischen von guten Zei-
ten ähnlich sehen.

Die Werke, welche anzuzeigen sind, bestehen in Figuren und Statuen,
in erhobenen Arbeiten, in geschnittenen Steinen, Münzen, und irrdenen
gemalten Gefäßen; und von diesen wird in dem dritten und letzten Stü-
cke dieses Capitels geredet.

A.
Kleine Figuren
in Erzt, und
Thiere.

Unter dem Worte Figur begreife ich die kleinern in Erzt, und die Thiere.
Jene sind in den Museis nicht selten, und der Verfasser selbst besitzet ver-
schiedene. Unter denselben finden sich Stücke von der ältesten Zeit der He-
trurischen Kunst, wie aus deren Gestalt und Bildung im folgenden Stücke
angezeiget wird. Von Thieren ist das beträchtlichste und größte eine Chi-
mära 1) von Erzt, in der Gallerie zu Florenz, welche aus einem Löwen in
natürlicher Größe, und aus einer Ziege zusammen gesetzet ist; die Hetruri-
sche Schrift an derselben ist der Beweis von dem Künstler dieses Volks.

B.
Statuen von
Erzt und
Marmor.

Die Statuen, das ist, Figuren unter oder in Lebensgröße, sind
theils von Erzt, theils von Marmor. Von Erzt finden sich zwo Statuen,
welche Hetrurisch sind, und zwo werden dafür gehalten. Jene haben hier-
von ungezweifelte Kennzeichen; eine ist in dem Pallaste Barberini, etwa vier
Palme hoch, und vermuthlich ein Genius: denn er hält in dem linken Arme
ein Horn des Ueberflusses, und wenn eine Männliche nackte Figur, mit
oder ohne Bart, dieses und kein anderes Attribut hat, ist dieselbe auch
in Griechischen Werken allezeit ein Genius. Die andere ist ein vermeynter
Haruspex 2), wie ein Römischer Senator gekleidet, in der Gallerie zu
Florenz, und auf dem Saume des Mantels stehet Hetrurische Schrift ein-
gegraben. Jene Figur ist ohne Zweifel aus ihren ersten Zeiten; diese aber
aus der spätern Zeit, welches ich aus dem glatten Kinne derselben muth-

maße:
1) Gori Mus. Etr. tab. 155.
2) Dempst. Etrur. tab. 40.

I Theil. Drittes Capitel.
gehandelt worden, ungewiß; auf der andern Seite ſind es einige Werke,
welche in Toſcana entdecket worden, und den Griechiſchen von guten Zei-
ten aͤhnlich ſehen.

Die Werke, welche anzuzeigen ſind, beſtehen in Figuren und Statuen,
in erhobenen Arbeiten, in geſchnittenen Steinen, Muͤnzen, und irrdenen
gemalten Gefaͤßen; und von dieſen wird in dem dritten und letzten Stuͤ-
cke dieſes Capitels geredet.

A.
Kleine Figuren
in Erzt, und
Thiere.

Unter dem Worte Figur begreife ich die kleinern in Erzt, und die Thiere.
Jene ſind in den Muſeis nicht ſelten, und der Verfaſſer ſelbſt beſitzet ver-
ſchiedene. Unter denſelben finden ſich Stuͤcke von der aͤlteſten Zeit der He-
truriſchen Kunſt, wie aus deren Geſtalt und Bildung im folgenden Stuͤcke
angezeiget wird. Von Thieren iſt das betraͤchtlichſte und groͤßte eine Chi-
maͤra 1) von Erzt, in der Gallerie zu Florenz, welche aus einem Loͤwen in
natuͤrlicher Groͤße, und aus einer Ziege zuſammen geſetzet iſt; die Hetruri-
ſche Schrift an derſelben iſt der Beweis von dem Kuͤnſtler dieſes Volks.

B.
Statuen von
Erzt und
Marmor.

Die Statuen, das iſt, Figuren unter oder in Lebensgroͤße, ſind
theils von Erzt, theils von Marmor. Von Erzt finden ſich zwo Statuen,
welche Hetruriſch ſind, und zwo werden dafuͤr gehalten. Jene haben hier-
von ungezweifelte Kennzeichen; eine iſt in dem Pallaſte Barberini, etwa vier
Palme hoch, und vermuthlich ein Genius: denn er haͤlt in dem linken Arme
ein Horn des Ueberfluſſes, und wenn eine Maͤnnliche nackte Figur, mit
oder ohne Bart, dieſes und kein anderes Attribut hat, iſt dieſelbe auch
in Griechiſchen Werken allezeit ein Genius. Die andere iſt ein vermeynter
Haruſpex 2), wie ein Roͤmiſcher Senator gekleidet, in der Gallerie zu
Florenz, und auf dem Saume des Mantels ſtehet Hetruriſche Schrift ein-
gegraben. Jene Figur iſt ohne Zweifel aus ihren erſten Zeiten; dieſe aber
aus der ſpaͤtern Zeit, welches ich aus dem glatten Kinne derſelben muth-

maße:
1) Gori Muſ. Etr. tab. 155.
2) Dempſt. Etrur. tab. 40.
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[92/0142] I Theil. Drittes Capitel. gehandelt worden, ungewiß; auf der andern Seite ſind es einige Werke, welche in Toſcana entdecket worden, und den Griechiſchen von guten Zei- ten aͤhnlich ſehen. Die Werke, welche anzuzeigen ſind, beſtehen in Figuren und Statuen, in erhobenen Arbeiten, in geſchnittenen Steinen, Muͤnzen, und irrdenen gemalten Gefaͤßen; und von dieſen wird in dem dritten und letzten Stuͤ- cke dieſes Capitels geredet. Unter dem Worte Figur begreife ich die kleinern in Erzt, und die Thiere. Jene ſind in den Muſeis nicht ſelten, und der Verfaſſer ſelbſt beſitzet ver- ſchiedene. Unter denſelben finden ſich Stuͤcke von der aͤlteſten Zeit der He- truriſchen Kunſt, wie aus deren Geſtalt und Bildung im folgenden Stuͤcke angezeiget wird. Von Thieren iſt das betraͤchtlichſte und groͤßte eine Chi- maͤra 1) von Erzt, in der Gallerie zu Florenz, welche aus einem Loͤwen in natuͤrlicher Groͤße, und aus einer Ziege zuſammen geſetzet iſt; die Hetruri- ſche Schrift an derſelben iſt der Beweis von dem Kuͤnſtler dieſes Volks. Die Statuen, das iſt, Figuren unter oder in Lebensgroͤße, ſind theils von Erzt, theils von Marmor. Von Erzt finden ſich zwo Statuen, welche Hetruriſch ſind, und zwo werden dafuͤr gehalten. Jene haben hier- von ungezweifelte Kennzeichen; eine iſt in dem Pallaſte Barberini, etwa vier Palme hoch, und vermuthlich ein Genius: denn er haͤlt in dem linken Arme ein Horn des Ueberfluſſes, und wenn eine Maͤnnliche nackte Figur, mit oder ohne Bart, dieſes und kein anderes Attribut hat, iſt dieſelbe auch in Griechiſchen Werken allezeit ein Genius. Die andere iſt ein vermeynter Haruſpex 2), wie ein Roͤmiſcher Senator gekleidet, in der Gallerie zu Florenz, und auf dem Saume des Mantels ſtehet Hetruriſche Schrift ein- gegraben. Jene Figur iſt ohne Zweifel aus ihren erſten Zeiten; dieſe aber aus der ſpaͤtern Zeit, welches ich aus dem glatten Kinne derſelben muth- maße: 1) Gori Muſ. Etr. tab. 155. 2) Dempſt. Etrur. tab. 40.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/142>, abgerufen am 19.04.2024.