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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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II Theil. Von der Griechischen Kunst
und der Nabel ist kaum angedeutet: bey dem allen ist der Stil verschieden
von dem zu Hadrians Zeiten. Die schönsten Werke von Hadrians Zeiten
sind das erhaben gearbeitete Brustbild des Antinous 1), welches ehemals
dessen Figur, in mehr als Lebensgröße, war, in der Villa Albani, und
dessen Brustbild, welches ehemals in der Sammlung der Königinn Chri-
stina von Schweden war, und itzo zu St. Jldefonse in Spanien steht.
Der Kopf desselben in der Villa Monte Dragone, oberhalb Frascati, ist
dreymal so groß, als die Natur, und hat eingesetzte Augen. Eine kleine
Statue zu Pferde, ein paar Fuß hoch, wie man vorgiebt 2), vom Ha-
drian, in der Villa Mattei, verdienete kaum erwähnet zu werden, ge-
schweige denn mit Gelegenheit zu einer heftigen Schrift 3) zu geben, zumal
jemanden, der diese Figur selbst nicht sehen konnte, da er schrieb: es ist
dieselbe außerdem diesem Kaiser im geringsten nicht ähnlich. Der schönste
Kopf dieses Kaisers in Stein geschnitten, ist ein Cameo in dem Cabinette
des Prinzen von Oranien, dessen voriger Besitzer der Graf von Thoms
in Holland war: dieser Stein befand sich in dem Königlichen Farnesischen
Museo zu Capo di Monte in Neapel, und kam in gedachten Besitzers
Hände; wie und auf was Art, überlasse ich dem Leser zu muthmaßen.

Jch finde hier noch anzumerken, daß die großen Kaiserlichen Medail-
lons in Erzt, welche ächt sind, allererst unter dem Hadrian anfangen.
Dieses vorausgesetzt, sind alle diejenigen, welche sich in dem Kaiserlichen
Museo zu Wien befinden, für untergeschoben zu erklären. Einer der
schönsten daselbst von gedachtem Kaiser ist inwendig hohl, und ein Maul-
eseltreiber bey Rom hatte dieses seltene Stück viel Jahre, anstatt einer
Schelle, an seinem Thiere hängen.

Die
1) v. Borioni Collect. Antiqu. tab. 9.
2) Maffei Stat. n. 104.
3) Riccobaldi Apolog. del Diar. Ital. di Montfauc. p. 45. seq.

II Theil. Von der Griechiſchen Kunſt
und der Nabel iſt kaum angedeutet: bey dem allen iſt der Stil verſchieden
von dem zu Hadrians Zeiten. Die ſchoͤnſten Werke von Hadrians Zeiten
ſind das erhaben gearbeitete Bruſtbild des Antinous 1), welches ehemals
deſſen Figur, in mehr als Lebensgroͤße, war, in der Villa Albani, und
deſſen Bruſtbild, welches ehemals in der Sammlung der Koͤniginn Chri-
ſtina von Schweden war, und itzo zu St. Jldefonſe in Spanien ſteht.
Der Kopf deſſelben in der Villa Monte Dragone, oberhalb Fraſcati, iſt
dreymal ſo groß, als die Natur, und hat eingeſetzte Augen. Eine kleine
Statue zu Pferde, ein paar Fuß hoch, wie man vorgiebt 2), vom Ha-
drian, in der Villa Mattei, verdienete kaum erwaͤhnet zu werden, ge-
ſchweige denn mit Gelegenheit zu einer heftigen Schrift 3) zu geben, zumal
jemanden, der dieſe Figur ſelbſt nicht ſehen konnte, da er ſchrieb: es iſt
dieſelbe außerdem dieſem Kaiſer im geringſten nicht aͤhnlich. Der ſchoͤnſte
Kopf dieſes Kaiſers in Stein geſchnitten, iſt ein Cameo in dem Cabinette
des Prinzen von Oranien, deſſen voriger Beſitzer der Graf von Thoms
in Holland war: dieſer Stein befand ſich in dem Koͤniglichen Farneſiſchen
Muſeo zu Capo di Monte in Neapel, und kam in gedachten Beſitzers
Haͤnde; wie und auf was Art, uͤberlaſſe ich dem Leſer zu muthmaßen.

Jch finde hier noch anzumerken, daß die großen Kaiſerlichen Medail-
lons in Erzt, welche aͤcht ſind, allererſt unter dem Hadrian anfangen.
Dieſes vorausgeſetzt, ſind alle diejenigen, welche ſich in dem Kaiſerlichen
Muſeo zu Wien befinden, fuͤr untergeſchoben zu erklaͤren. Einer der
ſchoͤnſten daſelbſt von gedachtem Kaiſer iſt inwendig hohl, und ein Maul-
eſeltreiber bey Rom hatte dieſes ſeltene Stuͤck viel Jahre, anſtatt einer
Schelle, an ſeinem Thiere haͤngen.

Die
1) v. Borioni Collect. Antiqu. tab. 9.
2) Maffei Stat. n. 104.
3) Riccobaldi Apolog. del Diar. Ital. di Montfauc. p. 45. ſeq.
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[410/0098] II Theil. Von der Griechiſchen Kunſt und der Nabel iſt kaum angedeutet: bey dem allen iſt der Stil verſchieden von dem zu Hadrians Zeiten. Die ſchoͤnſten Werke von Hadrians Zeiten ſind das erhaben gearbeitete Bruſtbild des Antinous 1), welches ehemals deſſen Figur, in mehr als Lebensgroͤße, war, in der Villa Albani, und deſſen Bruſtbild, welches ehemals in der Sammlung der Koͤniginn Chri- ſtina von Schweden war, und itzo zu St. Jldefonſe in Spanien ſteht. Der Kopf deſſelben in der Villa Monte Dragone, oberhalb Fraſcati, iſt dreymal ſo groß, als die Natur, und hat eingeſetzte Augen. Eine kleine Statue zu Pferde, ein paar Fuß hoch, wie man vorgiebt 2), vom Ha- drian, in der Villa Mattei, verdienete kaum erwaͤhnet zu werden, ge- ſchweige denn mit Gelegenheit zu einer heftigen Schrift 3) zu geben, zumal jemanden, der dieſe Figur ſelbſt nicht ſehen konnte, da er ſchrieb: es iſt dieſelbe außerdem dieſem Kaiſer im geringſten nicht aͤhnlich. Der ſchoͤnſte Kopf dieſes Kaiſers in Stein geſchnitten, iſt ein Cameo in dem Cabinette des Prinzen von Oranien, deſſen voriger Beſitzer der Graf von Thoms in Holland war: dieſer Stein befand ſich in dem Koͤniglichen Farneſiſchen Muſeo zu Capo di Monte in Neapel, und kam in gedachten Beſitzers Haͤnde; wie und auf was Art, uͤberlaſſe ich dem Leſer zu muthmaßen. Jch finde hier noch anzumerken, daß die großen Kaiſerlichen Medail- lons in Erzt, welche aͤcht ſind, allererſt unter dem Hadrian anfangen. Dieſes vorausgeſetzt, ſind alle diejenigen, welche ſich in dem Kaiſerlichen Muſeo zu Wien befinden, fuͤr untergeſchoben zu erklaͤren. Einer der ſchoͤnſten daſelbſt von gedachtem Kaiſer iſt inwendig hohl, und ein Maul- eſeltreiber bey Rom hatte dieſes ſeltene Stuͤck viel Jahre, anſtatt einer Schelle, an ſeinem Thiere haͤngen. Die 1) v. Borioni Collect. Antiqu. tab. 9. 2) Maffei Stat. n. 104. 3) Riccobaldi Apolog. del Diar. Ital. di Montfauc. p. 45. ſeq.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/98>, abgerufen am 28.03.2024.