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Wolf, August: Der Stern der Schönheit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 303–322. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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neulich im Theater, als B. -- Robert nannte den Namen eines augenblicklich in jener Stadt gastirenden Schauspielers -- in einem Lustspiel auftrat, von dem gesagt war, daß es nach einem spanischen bearbeitet sei. Das spanische, nach dem es gearbeitet ist, ist von Lope de Vega. Dieser Lope de Vega hat weit über tausend Dramen geschrieben, denken Sie sich! Vielleicht wird es Sie interessiren, eine Anekdote aus seinem Leben zu hören.

Als er etwa vierzig Jahre alt war, ging er eines Nachmittags mit einem seiner besten Freunde spazieren. Sie schritten durch ein Thor Madrids und die Landstraße entlang. Der Freund Lope's war ein ernster, schweigsamer, in sich gekehrter Mann, etwa so alt wie Jener, aber ärmlicher gekleidet, und in den Zügen seines hagern Gesichts, in denen eine Art Resignation lag, und an seinem träumerischen Auge, in dem ein Schmerz zu glühen schien, konnte man den Mann erkennen, der unerfüllte Hoffnungen lange in sich trug, der aber auch mehr in seiner Gedankenwelt als nach außen lebte.

Fernando, sagte Lope, als sie die ziemlich staubige Landstraße entlang gingen, du bist ein Faulpelz. Heute ist dein Geburtstag, du wirst, wenn ich nicht irre, zweiundvierzig Jahre alt, und du hast Nichts gearbeitet.

Das ist wahr, sagte Fernando.

Ja, warum hast du aber Nichts gearbeitet?

Wahrscheinlich doch, weil ich nicht Talent genug habe.

Nicht Talent genug? Fernando, das ist eine große Lüge. Du hast mehr Talent als ich; ich bin nicht

neulich im Theater, als B. — Robert nannte den Namen eines augenblicklich in jener Stadt gastirenden Schauspielers — in einem Lustspiel auftrat, von dem gesagt war, daß es nach einem spanischen bearbeitet sei. Das spanische, nach dem es gearbeitet ist, ist von Lope de Vega. Dieser Lope de Vega hat weit über tausend Dramen geschrieben, denken Sie sich! Vielleicht wird es Sie interessiren, eine Anekdote aus seinem Leben zu hören.

Als er etwa vierzig Jahre alt war, ging er eines Nachmittags mit einem seiner besten Freunde spazieren. Sie schritten durch ein Thor Madrids und die Landstraße entlang. Der Freund Lope's war ein ernster, schweigsamer, in sich gekehrter Mann, etwa so alt wie Jener, aber ärmlicher gekleidet, und in den Zügen seines hagern Gesichts, in denen eine Art Resignation lag, und an seinem träumerischen Auge, in dem ein Schmerz zu glühen schien, konnte man den Mann erkennen, der unerfüllte Hoffnungen lange in sich trug, der aber auch mehr in seiner Gedankenwelt als nach außen lebte.

Fernando, sagte Lope, als sie die ziemlich staubige Landstraße entlang gingen, du bist ein Faulpelz. Heute ist dein Geburtstag, du wirst, wenn ich nicht irre, zweiundvierzig Jahre alt, und du hast Nichts gearbeitet.

Das ist wahr, sagte Fernando.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:44:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:44:15Z)

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Zitationshilfe: Wolf, August: Der Stern der Schönheit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 303–322. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolf_schoenheit_1910/11>, abgerufen am 18.04.2024.