Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710.

Bild:
<< vorherige Seite

der Geometrie.
Woraus man sich zugleich vorstellen kan/ wie der
Punct immer eine Direction hält. Nemlich wenn
das Auge in den Ort gesetzt würde/ wo er im Anfange
seiner Bewegung war/ und er hätte eine sichtbahre
Spur in allen Orten/ in welchen er die Zeit seiner
Bewegung über gewesen/ hinterlassen/ so würde das
Auge nicht mehr als die erste zu sehen bekommen/ die
übriegen alle würden durch diese bedeckt werden. Der-
gleichen Gedancken hat sonder Zweifel Plato gehabt/
wenn er die grade Linie beschrieben/ quod ejus extre-
ma obumbrent omnia media.

Die 2. Anmerckung.

7. Wenn man etwas ausmessen will/ so verglei-
chet man es mit einem andern von seiner Art und su-
chet seine Verhältnis zu demselben/ das ist/ wie viel
mal es das andere in sich begreift oder in demselben
enthalten ist. Daher nimmt man zum Maaßstabe
der Linie eine gewiffe Linie oder Länge an/ welche
man eine Ruthe nennet. Dieselbe theilet man
in 10 gleiche Theile und nennet einen derselben
einen Schuh: der Schuh wird abermal in 10
Zoll und der Zoll in 10 Linien getheilet. Weil
aber der Maaßstab willknhrlich ist/ so kan man leicht
erachten/ daß nicht an allen Orten der Schuh von
gleicher Grösse sey. Weiß man die Verhältnis
zweyer Schnhe gegen einander/ so kan man jeder zeit
durch die Regel detri (§. 107. 108. Arithm.) ein
Maaß in das andere verwandeln. Z. E. Nach dem
Picard verhält sich der Pariser-Schutz zu dem Rhein-
ländischen wie 1440 zu 1392/ das ist/ wie 30 zu 29
(§. 68. Arithm.) Wenn nun nach dem Rheinländi-
schen Maaße 345 Schuh gegeben würden und man
wollte wissen/ wie viel sie nach Pariser-Maaße ma-
chen/ so darf man nur setzen:

30
G 5

der Geometrie.
Woraus man ſich zugleich vorſtellen kan/ wie der
Punct immer eine Direction haͤlt. Nemlich wenn
das Auge in den Ort geſetzt wuͤrde/ wo er im Anfange
ſeiner Bewegung war/ und er haͤtte eine ſichtbahre
Spur in allen Orten/ in welchen er die Zeit ſeiner
Bewegung uͤber geweſen/ hinterlaſſen/ ſo wuͤrde das
Auge nicht mehr als die erſte zu ſehen bekommen/ die
uͤbriegen alle wuͤrden durch dieſe bedeckt werden. Der-
gleichen Gedancken hat ſonder Zweifel Plato gehabt/
wenn er die grade Linie beſchrieben/ quod ejus extre-
ma obumbrent omnia media.

Die 2. Anmerckung.

7. Wenn man etwas ausmeſſen will/ ſo verglei-
chet man es mit einem andern von ſeiner Art und ſu-
chet ſeine Verhaͤltnis zu demſelben/ das iſt/ wie viel
mal es das andere in ſich begreift oder in demſelben
enthalten iſt. Daher nimmt man zum Maaßſtabe
der Linie eine gewiffe Linie oder Laͤnge an/ welche
man eine Ruthe nennet. Dieſelbe theilet man
in 10 gleiche Theile und nennet einen derſelben
einen Schuh: der Schuh wird abermal in 10
Zoll und der Zoll in 10 Linien getheilet. Weil
aber der Maaßſtab willknhrlich iſt/ ſo kan man leicht
erachten/ daß nicht an allen Orten der Schuh von
gleicher Groͤſſe ſey. Weiß man die Verhaͤltnis
zweyer Schnhe gegen einander/ ſo kan man jeder zeit
durch die Regel detri (§. 107. 108. Arithm.) ein
Maaß in das andere verwandeln. Z. E. Nach dem
Picard verhaͤlt ſich der Pariſer-Schutz zu dem Rhein-
laͤndiſchen wie 1440 zu 1392/ das iſt/ wie 30 zu 29
(§. 68. Arithm.) Wenn nun nach dem Rheinlaͤndi-
ſchen Maaße 345 Schuh gegeben wuͤrden und man
wollte wiſſen/ wie viel ſie nach Pariſer-Maaße ma-
chen/ ſo darf man nur ſetzen:

30
G 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <p><pb facs="#f0125" n="105"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Geometrie.</hi></fw><lb/>
Woraus man &#x017F;ich zugleich vor&#x017F;tellen kan/ wie der<lb/>
Punct immer eine <hi rendition="#aq">Direction</hi> ha&#x0364;lt. Nemlich wenn<lb/>
das Auge in den Ort ge&#x017F;etzt wu&#x0364;rde/ wo er im Anfange<lb/>
&#x017F;einer Bewegung war/ und er ha&#x0364;tte eine &#x017F;ichtbahre<lb/>
Spur in allen Orten/ in welchen er die Zeit &#x017F;einer<lb/>
Bewegung u&#x0364;ber gewe&#x017F;en/ hinterla&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;o wu&#x0364;rde das<lb/>
Auge nicht mehr als die er&#x017F;te zu &#x017F;ehen bekommen/ die<lb/>
u&#x0364;briegen alle wu&#x0364;rden durch die&#x017F;e bedeckt werden. Der-<lb/>
gleichen Gedancken hat &#x017F;onder Zweifel <hi rendition="#aq">Plato</hi> gehabt/<lb/>
wenn er die grade Linie be&#x017F;chrieben/ <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">quod ejus extre-<lb/>
ma obumbrent omnia media.</hi></hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="3">
              <head> <hi rendition="#b">Die 2. Anmerckung.</hi> </head><lb/>
              <p>7. Wenn man etwas ausme&#x017F;&#x017F;en will/ &#x017F;o verglei-<lb/>
chet man es mit einem andern von &#x017F;einer Art und &#x017F;u-<lb/>
chet &#x017F;eine Verha&#x0364;ltnis zu dem&#x017F;elben/ das i&#x017F;t/ wie viel<lb/>
mal es das andere in &#x017F;ich begreift oder in dem&#x017F;elben<lb/>
enthalten i&#x017F;t. Daher nimmt man zum Maaß&#x017F;tabe<lb/>
der Linie eine gewiffe Linie oder La&#x0364;nge an/ welche<lb/>
man <hi rendition="#fr">eine Ruthe</hi> nennet. Die&#x017F;elbe theilet man<lb/>
in 10 gleiche Theile und nennet einen der&#x017F;elben<lb/><hi rendition="#fr">einen Schuh</hi>: der Schuh wird abermal in 10<lb/><hi rendition="#fr">Zoll</hi> und der Zoll in 10 <hi rendition="#fr">Linien</hi> getheilet. Weil<lb/>
aber der Maaß&#x017F;tab willknhrlich i&#x017F;t/ &#x017F;o kan man leicht<lb/>
erachten/ daß nicht an allen Orten der Schuh von<lb/>
gleicher Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ey. Weiß man die Verha&#x0364;ltnis<lb/>
zweyer Schnhe gegen einander/ &#x017F;o kan man jeder zeit<lb/>
durch die Regel detri (§. 107. 108. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Arithm.</hi></hi>) ein<lb/>
Maaß in das andere verwandeln. Z. E. Nach dem<lb/><hi rendition="#aq">Picard</hi> verha&#x0364;lt &#x017F;ich der Pari&#x017F;er-Schutz zu dem Rhein-<lb/>
la&#x0364;ndi&#x017F;chen wie 1440 zu 1392/ das i&#x017F;t/ wie 30 zu 29<lb/>
(§. 68. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Arithm.</hi></hi>) Wenn nun nach dem Rheinla&#x0364;ndi-<lb/>
&#x017F;chen Maaße 345 Schuh gegeben wu&#x0364;rden und man<lb/>
wollte wi&#x017F;&#x017F;en/ wie viel &#x017F;ie nach Pari&#x017F;er-Maaße ma-<lb/>
chen/ &#x017F;o darf man nur &#x017F;etzen:<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 5</fw><fw place="bottom" type="catch">30</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0125] der Geometrie. Woraus man ſich zugleich vorſtellen kan/ wie der Punct immer eine Direction haͤlt. Nemlich wenn das Auge in den Ort geſetzt wuͤrde/ wo er im Anfange ſeiner Bewegung war/ und er haͤtte eine ſichtbahre Spur in allen Orten/ in welchen er die Zeit ſeiner Bewegung uͤber geweſen/ hinterlaſſen/ ſo wuͤrde das Auge nicht mehr als die erſte zu ſehen bekommen/ die uͤbriegen alle wuͤrden durch dieſe bedeckt werden. Der- gleichen Gedancken hat ſonder Zweifel Plato gehabt/ wenn er die grade Linie beſchrieben/ quod ejus extre- ma obumbrent omnia media. Die 2. Anmerckung. 7. Wenn man etwas ausmeſſen will/ ſo verglei- chet man es mit einem andern von ſeiner Art und ſu- chet ſeine Verhaͤltnis zu demſelben/ das iſt/ wie viel mal es das andere in ſich begreift oder in demſelben enthalten iſt. Daher nimmt man zum Maaßſtabe der Linie eine gewiffe Linie oder Laͤnge an/ welche man eine Ruthe nennet. Dieſelbe theilet man in 10 gleiche Theile und nennet einen derſelben einen Schuh: der Schuh wird abermal in 10 Zoll und der Zoll in 10 Linien getheilet. Weil aber der Maaßſtab willknhrlich iſt/ ſo kan man leicht erachten/ daß nicht an allen Orten der Schuh von gleicher Groͤſſe ſey. Weiß man die Verhaͤltnis zweyer Schnhe gegen einander/ ſo kan man jeder zeit durch die Regel detri (§. 107. 108. Arithm.) ein Maaß in das andere verwandeln. Z. E. Nach dem Picard verhaͤlt ſich der Pariſer-Schutz zu dem Rhein- laͤndiſchen wie 1440 zu 1392/ das iſt/ wie 30 zu 29 (§. 68. Arithm.) Wenn nun nach dem Rheinlaͤndi- ſchen Maaße 345 Schuh gegeben wuͤrden und man wollte wiſſen/ wie viel ſie nach Pariſer-Maaße ma- chen/ ſo darf man nur ſetzen: 30 G 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710/125
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710. , S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710/125>, abgerufen am 18.04.2024.