Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710.

Bild:
<< vorherige Seite

Anfangs-Gründe
andere CD die Säule oder Stütze selbst; der
dritte EF die Last/ so auf der Stütze ruhete/
vorstellet.

Der 2. Zusatz.

86. Wenn man von den Ordnungen und
ihrem Gebrauch urtheilen wil/ so muß man
die nöthigen Absichten in der schlechten Bau-
Art iederzeit zum Grunde des Urtheiles se-
tzen.

Anmerckung.

87. Hieraus siehet man/ daß diejenigen sich sehr
betrügen/ welche die Lehre von den Ordnungen in der
Baukunst keinen nothwendigen Grund zu haben ver-
meinen. Denn unerachtet die wesentliche Vollkom-
menheit des Gebäudes dieselben nicht überall erfor-
dert/ wo man sie zu gebrauchen pflegt; so muß sie doch
dieselben zu erfordern scheinen. Und da der Baumei-
ster auch diesem Scheine ein Vergnügen thun muß (§.
9. 16); so hat er sich völlig nach den Absichten zu
richten/ die man haben müste/ wenn sie schlechter din-
ges nöthig wären. Diese Absichten aber hat man
aus der schlechten Bau. Art (§. 83) herzuhohlen. Dan-
nenhero wenn auch einer den angegebenen Ursprung
der Ordnung historisch für unrichtig hielte; so muß er
dennoch vermöge der von uns bestätigten Gründe der
Bau-Regeln zugeben/ daß man setzen müsse/ als wenn
die Ordnungen dergleichen Ursprung hätten/ oder we-
nigstens/ daß man die bey der schlechten Bau-Art nö-
thigen Absichten zu Schein-Absichten bey den Ord-
nungen machen müsse.

Die 15. Erklährung.
Tab. I.
Fig.
2.

88. Der unterste Theil der Ordnung
AB wird das Postement; das mittle-

re

Anfangs-Gruͤnde
andere CD die Saͤule oder Stuͤtze ſelbſt; der
dritte EF die Laſt/ ſo auf der Stuͤtze ruhete/
vorſtellet.

Der 2. Zuſatz.

86. Wenn man von den Ordnungen und
ihrem Gebrauch urtheilen wil/ ſo muß man
die noͤthigen Abſichten in der ſchlechten Bau-
Art iederzeit zum Grunde des Urtheiles ſe-
tzen.

Anmerckung.

87. Hieraus ſiehet man/ daß diejenigen ſich ſehr
betruͤgen/ welche die Lehre von den Ordnungen in der
Baukunſt keinen nothwendigen Grund zu haben ver-
meinen. Denn unerachtet die weſentliche Vollkom-
menheit des Gebaͤudes dieſelben nicht uͤberall erfor-
dert/ wo man ſie zu gebrauchen pflegt; ſo muß ſie doch
dieſelben zu erfordern ſcheinen. Und da der Baumei-
ſter auch dieſem Scheine ein Vergnuͤgen thun muß (§.
9. 16); ſo hat er ſich voͤllig nach den Abſichten zu
richten/ die man haben muͤſte/ wenn ſie ſchlechter din-
ges noͤthig waͤren. Dieſe Abſichten aber hat man
aus der ſchlechten Bau. Art (§. 83) herzuhohlen. Dan-
nenhero wenn auch einer den angegebenen Urſprung
der Ordnung hiſtoriſch fuͤr unrichtig hielte; ſo muß er
dennoch vermoͤge der von uns beſtaͤtigten Gruͤnde der
Bau-Regeln zugeben/ daß man ſetzen muͤſſe/ als wenn
die Ordnungen dergleichen Urſprung haͤtten/ oder we-
nigſtens/ daß man die bey der ſchlechten Bau-Art noͤ-
thigen Abſichten zu Schein-Abſichten bey den Ord-
nungen machen muͤſſe.

Die 15. Erklaͤhrung.
Tab. I.
Fig.
2.

88. Der unterſte Theil der Ordnung
AB wird das Poſtement; das mittle-

re
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <div n="4">
                <p><pb facs="#f0436" n="304"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anfangs-Gru&#x0364;nde</hi></fw><lb/>
andere <hi rendition="#aq">CD</hi> die Sa&#x0364;ule oder Stu&#x0364;tze &#x017F;elb&#x017F;t; der<lb/>
dritte <hi rendition="#aq">EF</hi> die La&#x017F;t/ &#x017F;o auf der Stu&#x0364;tze ruhete/<lb/>
vor&#x017F;tellet.</p>
              </div><lb/>
              <div n="4">
                <head> <hi rendition="#b">Der 2. Zu&#x017F;atz.</hi> </head><lb/>
                <p>86. Wenn man von den Ordnungen und<lb/>
ihrem Gebrauch urtheilen wil/ &#x017F;o muß man<lb/>
die no&#x0364;thigen Ab&#x017F;ichten in der &#x017F;chlechten Bau-<lb/>
Art iederzeit zum Grunde des Urtheiles &#x017F;e-<lb/>
tzen.</p>
              </div><lb/>
              <div n="4">
                <head> <hi rendition="#b">Anmerckung.</hi> </head><lb/>
                <p>87. Hieraus &#x017F;iehet man/ daß diejenigen &#x017F;ich &#x017F;ehr<lb/>
betru&#x0364;gen/ welche die Lehre von den Ordnungen in der<lb/>
Baukun&#x017F;t keinen nothwendigen Grund zu haben ver-<lb/>
meinen. Denn unerachtet die we&#x017F;entliche Vollkom-<lb/>
menheit des Geba&#x0364;udes die&#x017F;elben nicht u&#x0364;berall erfor-<lb/>
dert/ wo man &#x017F;ie zu gebrauchen pflegt; &#x017F;o muß &#x017F;ie doch<lb/>
die&#x017F;elben zu erfordern &#x017F;cheinen. Und da der Baumei-<lb/>
&#x017F;ter auch die&#x017F;em Scheine ein Vergnu&#x0364;gen thun muß (§.<lb/>
9. 16); &#x017F;o hat er &#x017F;ich vo&#x0364;llig nach den Ab&#x017F;ichten zu<lb/>
richten/ die man haben mu&#x0364;&#x017F;te/ wenn &#x017F;ie &#x017F;chlechter din-<lb/>
ges no&#x0364;thig wa&#x0364;ren. Die&#x017F;e Ab&#x017F;ichten aber hat man<lb/>
aus der &#x017F;chlechten Bau. Art (§. 83) herzuhohlen. Dan-<lb/>
nenhero wenn auch einer den angegebenen Ur&#x017F;prung<lb/>
der Ordnung hi&#x017F;tori&#x017F;ch fu&#x0364;r unrichtig hielte; &#x017F;o muß er<lb/>
dennoch vermo&#x0364;ge der von uns be&#x017F;ta&#x0364;tigten Gru&#x0364;nde der<lb/>
Bau-Regeln zugeben/ daß man &#x017F;etzen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ als wenn<lb/>
die Ordnungen dergleichen Ur&#x017F;prung ha&#x0364;tten/ oder we-<lb/>
nig&#x017F;tens/ daß man die bey der &#x017F;chlechten Bau-Art no&#x0364;-<lb/>
thigen Ab&#x017F;ichten zu Schein-Ab&#x017F;ichten bey den Ord-<lb/>
nungen machen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</p>
              </div>
            </div><lb/>
            <div n="3">
              <head> <hi rendition="#b">Die 15. Erkla&#x0364;hrung.</hi> </head><lb/>
              <note place="left"><hi rendition="#aq">Tab. I.<lb/>
Fig.</hi> 2.</note>
              <p>88. <hi rendition="#fr">Der unter&#x017F;te Theil der Ordnung</hi><lb/><hi rendition="#aq">AB</hi> <hi rendition="#fr">wird das Po&#x017F;tement; das mittle-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">re</hi></fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0436] Anfangs-Gruͤnde andere CD die Saͤule oder Stuͤtze ſelbſt; der dritte EF die Laſt/ ſo auf der Stuͤtze ruhete/ vorſtellet. Der 2. Zuſatz. 86. Wenn man von den Ordnungen und ihrem Gebrauch urtheilen wil/ ſo muß man die noͤthigen Abſichten in der ſchlechten Bau- Art iederzeit zum Grunde des Urtheiles ſe- tzen. Anmerckung. 87. Hieraus ſiehet man/ daß diejenigen ſich ſehr betruͤgen/ welche die Lehre von den Ordnungen in der Baukunſt keinen nothwendigen Grund zu haben ver- meinen. Denn unerachtet die weſentliche Vollkom- menheit des Gebaͤudes dieſelben nicht uͤberall erfor- dert/ wo man ſie zu gebrauchen pflegt; ſo muß ſie doch dieſelben zu erfordern ſcheinen. Und da der Baumei- ſter auch dieſem Scheine ein Vergnuͤgen thun muß (§. 9. 16); ſo hat er ſich voͤllig nach den Abſichten zu richten/ die man haben muͤſte/ wenn ſie ſchlechter din- ges noͤthig waͤren. Dieſe Abſichten aber hat man aus der ſchlechten Bau. Art (§. 83) herzuhohlen. Dan- nenhero wenn auch einer den angegebenen Urſprung der Ordnung hiſtoriſch fuͤr unrichtig hielte; ſo muß er dennoch vermoͤge der von uns beſtaͤtigten Gruͤnde der Bau-Regeln zugeben/ daß man ſetzen muͤſſe/ als wenn die Ordnungen dergleichen Urſprung haͤtten/ oder we- nigſtens/ daß man die bey der ſchlechten Bau-Art noͤ- thigen Abſichten zu Schein-Abſichten bey den Ord- nungen machen muͤſſe. Die 15. Erklaͤhrung. 88. Der unterſte Theil der Ordnung AB wird das Poſtement; das mittle- re

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710/436
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710. , S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710/436>, abgerufen am 25.04.2024.