Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wiessenschaften. Bd. 3. Halle (Saale), 1710.

Bild:
<< vorherige Seite

der Astronomie.
eine Machine zu ersinnen/ die durch einen kurtzen
Weg etwas ausrichtet/ als eine andere/ die eben
dieses durch viele Umbwege verrichtet. Derowegen
würde folgen/ daß der menschliche Verstand weiser
wäre als Gottes: welcher böse Gedancken keinem
Menschen iemals in den Sinn kommen sol. Und
lieber/ von wem haben wir den Verstand/ das ist/ das
Vermögen zu gedencken/ was möglich ist? haben wir
es nicht von GOtt? Wenn wir allso einen Welt-
Bau ersinnen/ darinnen sich ohne Wiedersprechen al-
les dasjenige zeiget/ was wir in der Welt mit unse-
ren Augen wahrnehmen; so können wir mit recht sa-
gen/ GOtt hat uns ihn selbst gelehret/ und daher
mussen wir uns keines weges einbilden/ er wolle diese
Erkäntnis uns verborgen seyn lassen.

Die 3. Anmerckung.

396. Nun werdet ihr sagen: GOtt könne uns
durch die natürlichen Kräfte unseres Verstandes nicht
etwas anders lehren/ als er uns in seinem Worte ge-
offenbahret hat. Jn der Bibel aber habe er gesaget/
daß die Erde ruhe/ und die Sonne sich alle Tage umb
sie herumb bewege. Aber lieber! gebet auf Gottes
Wort wohl acht/ damit ihr nicht eure Träume mit
ihnen unvermerckt verknüpfet. Wir wollen allso zu-
erst über den Regeln der Auslegung der Worte Got-
tes miteinander eines werden/ ehe wir untersuchen/
was GOtt gesaget hat. Jhr gebet mir 1. zu/ daß
GOttes Worte kein leerer Thon sind/ und man da-
her nothwendig bey denselben etwas gedencken muß:
2. daß die Worte GOttes geschickt sind diejenigen
Gedancken in uns zu erregen/ welche wir dabey haben
sollen/ wenn wir nur nicht durch Vorurtheile und Un-
achtsamkeit dieses hindern. Denn sonst wäre das
Wort GOttes uns unverständlich/ und daher nichts
nutze. Hieraus nun folget 3 daß GOtt entweder
selbst in seinem Worte den Begriff von den Wörtern
die er brauchet/ gegeben haben muß/ das ist/ er muß

gesa-
(3) Z

der Aſtronomie.
eine Machine zu erſinnen/ die durch einen kurtzen
Weg etwas ausrichtet/ als eine andere/ die eben
dieſes durch viele Umbwege verrichtet. Derowegen
wuͤrde folgen/ daß der menſchliche Verſtand weiſer
waͤre als Gottes: welcher boͤſe Gedancken keinem
Menſchen iemals in den Sinn kommen ſol. Und
lieber/ von wem haben wir den Verſtand/ das iſt/ das
Vermoͤgen zu gedencken/ was moͤglich iſt? haben wir
es nicht von GOtt? Wenn wir allſo einen Welt-
Bau erſinnen/ darinnen ſich ohne Wiederſprechen al-
les dasjenige zeiget/ was wir in der Welt mit unſe-
ren Augen wahrnehmen; ſo koͤnnen wir mit recht ſa-
gen/ GOtt hat uns ihn ſelbſt gelehret/ und daher
muſſen wir uns keines weges einbilden/ er wolle dieſe
Erkaͤntnis uns verborgen ſeyn laſſen.

Die 3. Anmerckung.

396. Nun werdet ihr ſagen: GOtt koͤnne uns
durch die natuͤrlichen Kraͤfte unſeres Verſtandes nicht
etwas anders lehren/ als er uns in ſeinem Worte ge-
offenbahret hat. Jn der Bibel aber habe er geſaget/
daß die Erde ruhe/ und die Sonne ſich alle Tage umb
ſie herumb bewege. Aber lieber! gebet auf Gottes
Wort wohl acht/ damit ihr nicht eure Traͤume mit
ihnen unvermerckt verknuͤpfet. Wir wollen allſo zu-
erſt uͤber den Regeln der Auslegung der Worte Got-
tes miteinander eines werden/ ehe wir unterſuchen/
was GOtt geſaget hat. Jhr gebet mir 1. zu/ daß
GOttes Worte kein leerer Thon ſind/ und man da-
her nothwendig bey denſelben etwas gedencken muß:
2. daß die Worte GOttes geſchickt ſind diejenigen
Gedancken in uns zu erregen/ welche wir dabey haben
ſollen/ wenn wir nur nicht durch Vorurtheile und Un-
achtſamkeit dieſes hindern. Denn ſonſt waͤre das
Wort GOttes uns unverſtaͤndlich/ und daher nichts
nutze. Hieraus nun folget 3 daß GOtt entweder
ſelbſt in ſeinem Worte den Begriff von den Woͤrtern
die er brauchet/ gegeben haben muß/ das iſt/ er muß

geſa-
(3) Z
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0369" n="345"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der A&#x017F;tronomie.</hi></fw><lb/>
eine Machine zu er&#x017F;innen/ die durch einen kurtzen<lb/>
Weg etwas ausrichtet/ als eine andere/ die eben<lb/>
die&#x017F;es durch viele Umbwege verrichtet. Derowegen<lb/>
wu&#x0364;rde folgen/ daß der men&#x017F;chliche Ver&#x017F;tand wei&#x017F;er<lb/>
wa&#x0364;re als Gottes: welcher bo&#x0364;&#x017F;e Gedancken keinem<lb/>
Men&#x017F;chen iemals in den Sinn kommen &#x017F;ol. Und<lb/>
lieber/ von wem haben wir den Ver&#x017F;tand/ das i&#x017F;t/ das<lb/>
Vermo&#x0364;gen zu gedencken/ was mo&#x0364;glich i&#x017F;t? haben wir<lb/>
es nicht von GOtt? Wenn wir all&#x017F;o einen Welt-<lb/>
Bau er&#x017F;innen/ darinnen &#x017F;ich ohne Wieder&#x017F;prechen al-<lb/>
les dasjenige zeiget/ was wir in der Welt mit un&#x017F;e-<lb/>
ren Augen wahrnehmen; &#x017F;o ko&#x0364;nnen wir mit recht &#x017F;a-<lb/>
gen/ GOtt hat uns ihn &#x017F;elb&#x017F;t gelehret/ und daher<lb/>
mu&#x017F;&#x017F;en wir uns keines weges einbilden/ er wolle die&#x017F;e<lb/>
Erka&#x0364;ntnis uns verborgen &#x017F;eyn la&#x017F;&#x017F;en.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Die 3. Anmerckung.</hi> </head><lb/>
              <p>396. Nun werdet ihr &#x017F;agen: GOtt ko&#x0364;nne uns<lb/>
durch die natu&#x0364;rlichen Kra&#x0364;fte un&#x017F;eres Ver&#x017F;tandes nicht<lb/>
etwas anders lehren/ als er uns in &#x017F;einem Worte ge-<lb/>
offenbahret hat. Jn der Bibel aber habe er ge&#x017F;aget/<lb/>
daß die Erde ruhe/ und die Sonne &#x017F;ich alle Tage umb<lb/>
&#x017F;ie herumb bewege. Aber lieber! gebet auf Gottes<lb/>
Wort wohl acht/ damit ihr nicht eure Tra&#x0364;ume mit<lb/>
ihnen unvermerckt verknu&#x0364;pfet. Wir wollen all&#x017F;o zu-<lb/>
er&#x017F;t u&#x0364;ber den Regeln der Auslegung der Worte Got-<lb/>
tes miteinander eines werden/ ehe wir unter&#x017F;uchen/<lb/>
was GOtt ge&#x017F;aget hat. Jhr gebet mir 1. zu/ daß<lb/>
GOttes Worte kein leerer Thon &#x017F;ind/ und man da-<lb/>
her nothwendig bey den&#x017F;elben etwas gedencken muß:<lb/>
2. daß die Worte GOttes ge&#x017F;chickt &#x017F;ind diejenigen<lb/>
Gedancken in uns zu erregen/ welche wir dabey haben<lb/>
&#x017F;ollen/ wenn wir nur nicht durch Vorurtheile und Un-<lb/>
acht&#x017F;amkeit die&#x017F;es hindern. Denn &#x017F;on&#x017F;t wa&#x0364;re das<lb/>
Wort GOttes uns unver&#x017F;ta&#x0364;ndlich/ und daher nichts<lb/>
nutze. Hieraus nun folget 3 daß GOtt entweder<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t in &#x017F;einem Worte den Begriff von den Wo&#x0364;rtern<lb/>
die er brauchet/ gegeben haben muß/ das i&#x017F;t/ er muß<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(3) Z</fw><fw place="bottom" type="catch">ge&#x017F;a-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0369] der Aſtronomie. eine Machine zu erſinnen/ die durch einen kurtzen Weg etwas ausrichtet/ als eine andere/ die eben dieſes durch viele Umbwege verrichtet. Derowegen wuͤrde folgen/ daß der menſchliche Verſtand weiſer waͤre als Gottes: welcher boͤſe Gedancken keinem Menſchen iemals in den Sinn kommen ſol. Und lieber/ von wem haben wir den Verſtand/ das iſt/ das Vermoͤgen zu gedencken/ was moͤglich iſt? haben wir es nicht von GOtt? Wenn wir allſo einen Welt- Bau erſinnen/ darinnen ſich ohne Wiederſprechen al- les dasjenige zeiget/ was wir in der Welt mit unſe- ren Augen wahrnehmen; ſo koͤnnen wir mit recht ſa- gen/ GOtt hat uns ihn ſelbſt gelehret/ und daher muſſen wir uns keines weges einbilden/ er wolle dieſe Erkaͤntnis uns verborgen ſeyn laſſen. Die 3. Anmerckung. 396. Nun werdet ihr ſagen: GOtt koͤnne uns durch die natuͤrlichen Kraͤfte unſeres Verſtandes nicht etwas anders lehren/ als er uns in ſeinem Worte ge- offenbahret hat. Jn der Bibel aber habe er geſaget/ daß die Erde ruhe/ und die Sonne ſich alle Tage umb ſie herumb bewege. Aber lieber! gebet auf Gottes Wort wohl acht/ damit ihr nicht eure Traͤume mit ihnen unvermerckt verknuͤpfet. Wir wollen allſo zu- erſt uͤber den Regeln der Auslegung der Worte Got- tes miteinander eines werden/ ehe wir unterſuchen/ was GOtt geſaget hat. Jhr gebet mir 1. zu/ daß GOttes Worte kein leerer Thon ſind/ und man da- her nothwendig bey denſelben etwas gedencken muß: 2. daß die Worte GOttes geſchickt ſind diejenigen Gedancken in uns zu erregen/ welche wir dabey haben ſollen/ wenn wir nur nicht durch Vorurtheile und Un- achtſamkeit dieſes hindern. Denn ſonſt waͤre das Wort GOttes uns unverſtaͤndlich/ und daher nichts nutze. Hieraus nun folget 3 daß GOtt entweder ſelbſt in ſeinem Worte den Begriff von den Woͤrtern die er brauchet/ gegeben haben muß/ das iſt/ er muß geſa- (3) Z

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende03_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende03_1710/369
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wiessenschaften. Bd. 3. Halle (Saale), 1710. , S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende03_1710/369>, abgerufen am 23.04.2024.