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Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wiessenschaften. Bd. 3. Halle (Saale), 1710.

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sua immer über Gibeon erscheinen können/ auch wenn
die Erde in ihrer Bewegung umb ihre Axe gehemmet
worden/ oder auch auf eine andere vortheilhaftere
Art/ die wir nicht wissen/ weil sie GOtt uns nicht of-
fenbahret. Jhr werdet ferner anführen/ daß gleich-
wol die Schrifft (Eccles. I. 5.) mit ausdrücklichen
Worten saget: Die Sonne gehet auf und
gehet unter/ und läuft an ihren Ort/ daß
sie wieder daselbst aufgehe.
Allein weil
die Schrifft sich niergends erklähret/ was sie durch den
Auf- und Untergang der Sonne wolle verstanden ha-
ben; so erfordert sie keinen anderen Begriff/ als den
wir insgemein davon haben. Wenn ihr nun auf die
auf- und unter-gehende Sonne acht habet; so könnet
ihr nichts anders wahrnehmen/ als daß euch auf en-
rer Stelle/ wo ihr stehet/ die Sonne in dem Hortzont
erscheinet. Und allso wenn die Schrift saget: die
Sonne gehet auf und gehet unter: dörfet und könnet
ihr euch weiter nichts gedencken/ als daß sie in dem
Morgen- und Abend-Horizont von euch gesehen wird.
Eben so wenn ihr fraget/ was ihr euch bey den Wor-
ten gedencken sollet/ die Sonne läufft an ih-
ren Ort;
werdet ihr finden/ daß sie nichts anders
zu sagen haben/ als die Sonne werde nach einiger Zeit
von uns auf der Erde wieder an dem Orte gesehen/
wo wir sie vorhin sahen. Und in diesem Verstande
sagen auch die/ welche der Sonne keine würckliche
Bewegung umb die Erde zugestatten/ die Sonne ge-
he auf und gehe unter/ und lauffe umb die Erde her-
umb.

Die 5. Anmerckung.

398. Damit ihr euch aber in diese Erklährung de-
sto besser finden könnet/ so mercket/ daß man von na-
türlichen Dingen zweyerley Erkäutnis haben könne/
nemlich eine Historie von dem/ was in der Natur ge-
schiehet/ und eine Wissenschafft/ wie es geschiehet. Je-

ne
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der Aſtronomie.
ſua immer uͤber Gibeon erſcheinen koͤnnen/ auch wenn
die Erde in ihrer Bewegung umb ihre Axe gehemmet
worden/ oder auch auf eine andere vortheilhaftere
Art/ die wir nicht wiſſen/ weil ſie GOtt uns nicht of-
fenbahret. Jhr werdet ferner anfuͤhren/ daß gleich-
wol die Schrifft (Eccleſ. I. 5.) mit ausdruͤcklichen
Worten ſaget: Die Sonne gehet auf und
gehet unter/ und laͤuft an ihren Ort/ daß
ſie wieder daſelbſt aufgehe.
Allein weil
die Schrifft ſich niergends erklaͤhret/ was ſie durch den
Auf- und Untergang der Sonne wolle verſtanden ha-
ben; ſo erfordert ſie keinen anderen Begriff/ als den
wir insgemein davon haben. Wenn ihr nun auf die
auf- und unter-gehende Sonne acht habet; ſo koͤnnet
ihr nichts anders wahrnehmen/ als daß euch auf en-
rer Stelle/ wo ihr ſtehet/ die Sonne in dem Hortzont
erſcheinet. Und allſo wenn die Schrift ſaget: die
Sonne gehet auf und gehet unter: doͤrfet und koͤnnet
ihr euch weiter nichts gedencken/ als daß ſie in dem
Morgen- und Abend-Horizont von euch geſehen wird.
Eben ſo wenn ihr fraget/ was ihr euch bey den Wor-
ten gedencken ſollet/ die Sonne laͤufft an ih-
ren Ort;
werdet ihr finden/ daß ſie nichts anders
zu ſagen haben/ als die Sonne werde nach einiger Zeit
von uns auf der Erde wieder an dem Orte geſehen/
wo wir ſie vorhin ſahen. Und in dieſem Verſtande
ſagen auch die/ welche der Sonne keine wuͤrckliche
Bewegung umb die Erde zugeſtatten/ die Sonne ge-
he auf und gehe unter/ und lauffe umb die Erde her-
umb.

Die 5. Anmerckung.

398. Damit ihr euch aber in dieſe Erklaͤhrung de-
ſto beſſer finden koͤnnet/ ſo mercket/ daß man von na-
tuͤrlichen Dingen zweyerley Erkaͤutnis haben koͤnne/
nemlich eine Hiſtorie von dem/ was in der Natur ge-
ſchiehet/ und eine Wiſſenſchafft/ wie es geſchiehet. Je-

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[347/0371] der Aſtronomie. ſua immer uͤber Gibeon erſcheinen koͤnnen/ auch wenn die Erde in ihrer Bewegung umb ihre Axe gehemmet worden/ oder auch auf eine andere vortheilhaftere Art/ die wir nicht wiſſen/ weil ſie GOtt uns nicht of- fenbahret. Jhr werdet ferner anfuͤhren/ daß gleich- wol die Schrifft (Eccleſ. I. 5.) mit ausdruͤcklichen Worten ſaget: Die Sonne gehet auf und gehet unter/ und laͤuft an ihren Ort/ daß ſie wieder daſelbſt aufgehe. Allein weil die Schrifft ſich niergends erklaͤhret/ was ſie durch den Auf- und Untergang der Sonne wolle verſtanden ha- ben; ſo erfordert ſie keinen anderen Begriff/ als den wir insgemein davon haben. Wenn ihr nun auf die auf- und unter-gehende Sonne acht habet; ſo koͤnnet ihr nichts anders wahrnehmen/ als daß euch auf en- rer Stelle/ wo ihr ſtehet/ die Sonne in dem Hortzont erſcheinet. Und allſo wenn die Schrift ſaget: die Sonne gehet auf und gehet unter: doͤrfet und koͤnnet ihr euch weiter nichts gedencken/ als daß ſie in dem Morgen- und Abend-Horizont von euch geſehen wird. Eben ſo wenn ihr fraget/ was ihr euch bey den Wor- ten gedencken ſollet/ die Sonne laͤufft an ih- ren Ort; werdet ihr finden/ daß ſie nichts anders zu ſagen haben/ als die Sonne werde nach einiger Zeit von uns auf der Erde wieder an dem Orte geſehen/ wo wir ſie vorhin ſahen. Und in dieſem Verſtande ſagen auch die/ welche der Sonne keine wuͤrckliche Bewegung umb die Erde zugeſtatten/ die Sonne ge- he auf und gehe unter/ und lauffe umb die Erde her- umb. Die 5. Anmerckung. 398. Damit ihr euch aber in dieſe Erklaͤhrung de- ſto beſſer finden koͤnnet/ ſo mercket/ daß man von na- tuͤrlichen Dingen zweyerley Erkaͤutnis haben koͤnne/ nemlich eine Hiſtorie von dem/ was in der Natur ge- ſchiehet/ und eine Wiſſenſchafft/ wie es geſchiehet. Je- ne Z 2

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wiessenschaften. Bd. 3. Halle (Saale), 1710. , S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende03_1710/371>, abgerufen am 28.03.2024.