Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wiessenschaften. Bd. 3. Halle (Saale), 1710.

Bild:
<< vorherige Seite

Anfangs-Gründe
ne stellet uns die natürlichen Dinge vor/ wie sie von
den Sinnen; diese aber/ wie sie von dem Verstande
begriffen werden. Die erste ist der andern niemal
zuwieder/ wenn ihr nur in acht nehmet/ was ich von
den ihr zugehörigen Begriffen gesaget habe. Durch
beyde kan man zum Lobe und Preise GOttes ange-
muntert werden. Die erste schicket sich für alle Leute/
sur gelehrte und ungelehrte/ ja für die allereinfältig-
sten unter der Sonnen: die andere aber reimet sich
nur für die Weltweisen/ und zwar diejenigen/ welche
ihren Verstand in Erkäntnis der Wahrheit viel ge-
übet/ zumal da meistentheils eine nicht geringe Er-
käninis der Mathematick dazu mit erfordert wird-
Nun gestehen alle/ daß die Schrifft nicht allein für
die Weltweisen von hohem Verstande/ sondern vor
jederman ohne Unterscheid geschrieben sey. Derowe-
gen wenn sie durch die Betrachtung der natürlichen
Dinge die Menschen zum Lobe GOttes aufmuntern
wil; muß sie sich der natürlichen Historie/ keines we-
ges aber der Wissenschaft dazu bedienen. Solcher-
gestalt könnet ihr die Entscheidung solcher Fragen/ die
in die natürliche Wissenschaft gehören/ aus der Vibel
nicht holen. Darumb handeln diejenigen wunder-
lich/ welche aus der Schrifft ausmachen wollen/ ob
der Auf- und Untergang der Sonne von ihrer Bewe-
gung umb die Erde/ oder vielmehr von der Bewegung
der Erde umb ihre Axe herrühre.

Der 4. Lehrsatz.
Tab. V.
Fig.
31

399. Die Sonne liegt beynahe mitten
in dem Welt-Gebände/ und wendet sich
daselbst nur umb ihre Axe. Umb sie be-
wegen sich / und die Erde jener am
geschwindesten/ dieser unter den dreyen
am längsamsten/ nemlich in einem Jah-
re. Jn 24 Stunden aber wendet sich

die

Anfangs-Gruͤnde
ne ſtellet uns die natuͤrlichen Dinge vor/ wie ſie von
den Sinnen; dieſe aber/ wie ſie von dem Verſtande
begriffen werden. Die erſte iſt der andern niemal
zuwieder/ wenn ihr nur in acht nehmet/ was ich von
den ihr zugehoͤrigen Begriffen geſaget habe. Durch
beyde kan man zum Lobe und Preiſe GOttes ange-
muntert werden. Die erſte ſchicket ſich fuͤr alle Leute/
ſur gelehrte und ungelehrte/ ja fuͤr die allereinfaͤltig-
ſten unter der Sonnen: die andere aber reimet ſich
nur fuͤr die Weltweiſen/ und zwar diejenigen/ welche
ihren Verſtand in Erkaͤntnis der Wahrheit viel ge-
uͤbet/ zumal da meiſtentheils eine nicht geringe Er-
kaͤninis der Mathematick dazu mit erfordert wird-
Nun geſtehen alle/ daß die Schrifft nicht allein fuͤr
die Weltweiſen von hohem Verſtande/ ſondern vor
jederman ohne Unterſcheid geſchrieben ſey. Derowe-
gen wenn ſie durch die Betrachtung der natuͤrlichen
Dinge die Menſchen zum Lobe GOttes aufmuntern
wil; muß ſie ſich der natuͤrlichen Hiſtorie/ keines we-
ges aber der Wiſſenſchaft dazu bedienen. Solcher-
geſtalt koͤnnet ihr die Entſcheidung ſolcher Fragen/ die
in die natuͤrliche Wiſſenſchaft gehoͤren/ aus der Vibel
nicht holen. Darumb handeln diejenigen wunder-
lich/ welche aus der Schrifft ausmachen wollen/ ob
der Auf- und Untergang der Sonne von ihrer Bewe-
gung umb die Erde/ oder vielmehr von der Bewegung
der Erde umb ihre Axe herruͤhre.

Der 4. Lehrſatz.
Tab. V.
Fig.
31

399. Die Sonne liegt beynahe mitten
in dem Welt-Gebaͤnde/ und wendet ſich
daſelbſt nur umb ihre Axe. Umb ſie be-
wegen ſich ☿/ ♀ und die Erde jener am
geſchwindeſten/ dieſer unter den dreyen
am laͤngſamſten/ nemlich in einem Jah-
re. Jn 24 Stunden aber wendet ſich

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0372" n="348"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anfangs-Gru&#x0364;nde</hi></fw><lb/>
ne &#x017F;tellet uns die natu&#x0364;rlichen Dinge vor/ wie &#x017F;ie von<lb/>
den Sinnen; die&#x017F;e aber/ wie &#x017F;ie von dem Ver&#x017F;tande<lb/>
begriffen werden. Die er&#x017F;te i&#x017F;t der andern niemal<lb/>
zuwieder/ wenn ihr nur in acht nehmet/ was ich von<lb/>
den ihr zugeho&#x0364;rigen Begriffen ge&#x017F;aget habe. Durch<lb/>
beyde kan man zum Lobe und Prei&#x017F;e GOttes ange-<lb/>
muntert werden. Die er&#x017F;te &#x017F;chicket &#x017F;ich fu&#x0364;r alle Leute/<lb/>
&#x017F;ur gelehrte und ungelehrte/ ja fu&#x0364;r die allereinfa&#x0364;ltig-<lb/>
&#x017F;ten unter der Sonnen: die andere aber reimet &#x017F;ich<lb/>
nur fu&#x0364;r die Weltwei&#x017F;en/ und zwar diejenigen/ welche<lb/>
ihren Ver&#x017F;tand in Erka&#x0364;ntnis der Wahrheit viel ge-<lb/>
u&#x0364;bet/ zumal da mei&#x017F;tentheils eine nicht geringe Er-<lb/>
ka&#x0364;ninis der Mathematick dazu mit erfordert wird-<lb/>
Nun ge&#x017F;tehen alle/ daß die Schrifft nicht allein fu&#x0364;r<lb/>
die Weltwei&#x017F;en von hohem Ver&#x017F;tande/ &#x017F;ondern vor<lb/>
jederman ohne Unter&#x017F;cheid ge&#x017F;chrieben &#x017F;ey. Derowe-<lb/>
gen wenn &#x017F;ie durch die Betrachtung der natu&#x0364;rlichen<lb/>
Dinge die Men&#x017F;chen zum Lobe GOttes aufmuntern<lb/>
wil; muß &#x017F;ie &#x017F;ich der natu&#x0364;rlichen Hi&#x017F;torie/ keines we-<lb/>
ges aber der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft dazu bedienen. Solcher-<lb/>
ge&#x017F;talt ko&#x0364;nnet ihr die Ent&#x017F;cheidung &#x017F;olcher Fragen/ die<lb/>
in die natu&#x0364;rliche Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft geho&#x0364;ren/ aus der Vibel<lb/>
nicht holen. Darumb handeln diejenigen wunder-<lb/>
lich/ welche aus der Schrifft ausmachen wollen/ ob<lb/>
der Auf- und Untergang der Sonne von ihrer Bewe-<lb/>
gung umb die Erde/ oder vielmehr von der Bewegung<lb/>
der Erde umb ihre Axe herru&#x0364;hre.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Der 4. Lehr&#x017F;atz.</hi> </head><lb/>
            <note place="left"><hi rendition="#aq">Tab. V.<lb/>
Fig.</hi> 31</note>
            <p>399. <hi rendition="#fr">Die Sonne liegt beynahe mitten<lb/>
in dem Welt-Geba&#x0364;nde/ und wendet &#x017F;ich<lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t nur umb ihre Axe. Umb &#x017F;ie be-<lb/>
wegen &#x017F;ich &#x263F;/ &#x2640; und die Erde jener am<lb/>
ge&#x017F;chwinde&#x017F;ten/ die&#x017F;er unter den dreyen<lb/>
am la&#x0364;ng&#x017F;am&#x017F;ten/ nemlich in einem Jah-<lb/>
re. Jn 24 Stunden aber wendet &#x017F;ich</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">die</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[348/0372] Anfangs-Gruͤnde ne ſtellet uns die natuͤrlichen Dinge vor/ wie ſie von den Sinnen; dieſe aber/ wie ſie von dem Verſtande begriffen werden. Die erſte iſt der andern niemal zuwieder/ wenn ihr nur in acht nehmet/ was ich von den ihr zugehoͤrigen Begriffen geſaget habe. Durch beyde kan man zum Lobe und Preiſe GOttes ange- muntert werden. Die erſte ſchicket ſich fuͤr alle Leute/ ſur gelehrte und ungelehrte/ ja fuͤr die allereinfaͤltig- ſten unter der Sonnen: die andere aber reimet ſich nur fuͤr die Weltweiſen/ und zwar diejenigen/ welche ihren Verſtand in Erkaͤntnis der Wahrheit viel ge- uͤbet/ zumal da meiſtentheils eine nicht geringe Er- kaͤninis der Mathematick dazu mit erfordert wird- Nun geſtehen alle/ daß die Schrifft nicht allein fuͤr die Weltweiſen von hohem Verſtande/ ſondern vor jederman ohne Unterſcheid geſchrieben ſey. Derowe- gen wenn ſie durch die Betrachtung der natuͤrlichen Dinge die Menſchen zum Lobe GOttes aufmuntern wil; muß ſie ſich der natuͤrlichen Hiſtorie/ keines we- ges aber der Wiſſenſchaft dazu bedienen. Solcher- geſtalt koͤnnet ihr die Entſcheidung ſolcher Fragen/ die in die natuͤrliche Wiſſenſchaft gehoͤren/ aus der Vibel nicht holen. Darumb handeln diejenigen wunder- lich/ welche aus der Schrifft ausmachen wollen/ ob der Auf- und Untergang der Sonne von ihrer Bewe- gung umb die Erde/ oder vielmehr von der Bewegung der Erde umb ihre Axe herruͤhre. Der 4. Lehrſatz. 399. Die Sonne liegt beynahe mitten in dem Welt-Gebaͤnde/ und wendet ſich daſelbſt nur umb ihre Axe. Umb ſie be- wegen ſich ☿/ ♀ und die Erde jener am geſchwindeſten/ dieſer unter den dreyen am laͤngſamſten/ nemlich in einem Jah- re. Jn 24 Stunden aber wendet ſich die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende03_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende03_1710/372
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wiessenschaften. Bd. 3. Halle (Saale), 1710. , S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende03_1710/372>, abgerufen am 24.04.2024.