Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wiessenschaften. Bd. 3. Halle (Saale), 1710.

Bild:
<< vorherige Seite

Anfangs-Gründe
des Circuls/ in dessen Peripherie sie sich be-
findet/ zu entfernen und zwar unter dem AE-
quatore
am meisten/ gegen die Pole weniger.
(§. 248) Da nun eben diese Materie vermöge
ihrer Schweere gegen den Mittelpunct der
Erde getrieben wird/ so muß die vorige Kraft
ihr wiederstehen (§. 12 Hydrost.) derowegen
muß die Materie leichter über dem AEqua-
tore
als gegen die Pole seyn.

Die 2. Anmerckung.

403. Auch dieses hat die Erfahrung bekräftiget.
Denn als man die Perpendicul-Uhren von Pariß in
die Jnsul Cayenne in America gebracht/ welche
nicht über 4 biß 5 Grad von dem AEquatore ent-
fernet ist; hat man befunden/ es müsse daselbst
das pendulum 11/4 Linie kürtzer als zu Pariß seyn/
wenn es eine Secunde schlagen sol. Nun ist aber
bekandt/ daß/ wenn im pendulo die Länge des Fa-
dens unverändert bleibt/ die Kugel leichter werden
müsse/ so es längsamer als vorhin gehet. Hieraus
erkennet/ wie gnau der beschriebene Welt-Bau mit
der Erfahrung übereinstimme.

Die 3. Anmerckung.

404. Man nennet den beschriebenen Welt-Bau
den Copernicanischen/ weil ihn Copernicus in
den neueren Zeiten wieder in Anfnehmen gebracht:
denn unter den Alten haben schon Philolaus und an-
dere ihn vertheidiget. Es hat zur Zeit niemand
etwas erhebliches wieder ihn einwenden können.
Was insgemein von unverständigen angeführet wird/
die entweder die Eigenschaft der Schweere vergessen/
oder nicht bedencken/ daß zugleich die Luft mit der
Erde sich innerhalb 24 Stunden umb ihre Axe be-
wege; verdienet nicht beantworter zu werden. Der-

glei-

Anfangs-Gruͤnde
des Circuls/ in deſſen Peripherie ſie ſich be-
findet/ zu entfernen und zwar unter dem Æ-
quatore
am meiſten/ gegen die Pole weniger.
(§. 248) Da nun eben dieſe Materie vermoͤge
ihrer Schweere gegen den Mittelpunct der
Erde getrieben wird/ ſo muß die vorige Kraft
ihr wiederſtehen (§. 12 Hydroſt.) derowegen
muß die Materie leichter uͤber dem Æqua-
tore
als gegen die Pole ſeyn.

Die 2. Anmerckung.

403. Auch dieſes hat die Erfahrung bekraͤftiget.
Denn als man die Perpendicul-Uhren von Pariß in
die Jnſul Cayenne in America gebracht/ welche
nicht uͤber 4 biß 5 Grad von dem Æquatore ent-
fernet iſt; hat man befunden/ es muͤſſe daſelbſt
das pendulum 1¼ Linie kuͤrtzer als zu Pariß ſeyn/
wenn es eine Secunde ſchlagen ſol. Nun iſt aber
bekandt/ daß/ wenn im pendulo die Laͤnge des Fa-
dens unveraͤndert bleibt/ die Kugel leichter werden
muͤſſe/ ſo es laͤngſamer als vorhin gehet. Hieraus
erkennet/ wie gnau der beſchriebene Welt-Bau mit
der Erfahrung uͤbereinſtimme.

Die 3. Anmerckung.

404. Man nennet den beſchriebenen Welt-Bau
den Copernicaniſchen/ weil ihn Copernicus in
den neueren Zeiten wieder in Anfnehmen gebracht:
denn unter den Alten haben ſchon Philolaus und an-
dere ihn vertheidiget. Es hat zur Zeit niemand
etwas erhebliches wieder ihn einwenden koͤnnen.
Was insgemein von unverſtaͤndigen angefuͤhret wird/
die entweder die Eigenſchaft der Schweere vergeſſen/
oder nicht bedencken/ daß zugleich die Luft mit der
Erde ſich innerhalb 24 Stunden umb ihre Axe be-
wege; verdienet nicht beantworter zu werden. Der-

glei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0378" n="354"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anfangs-Gru&#x0364;nde</hi></fw><lb/>
des Circuls/ in de&#x017F;&#x017F;en Peripherie &#x017F;ie &#x017F;ich be-<lb/>
findet/ zu entfernen und zwar unter dem <hi rendition="#aq">Æ-<lb/>
quatore</hi> am mei&#x017F;ten/ gegen die Pole weniger.<lb/>
(§. 248) Da nun eben die&#x017F;e Materie vermo&#x0364;ge<lb/>
ihrer Schweere gegen den Mittelpunct der<lb/>
Erde getrieben wird/ &#x017F;o muß die vorige Kraft<lb/>
ihr wieder&#x017F;tehen (§. 12 <hi rendition="#aq">Hydro&#x017F;t.</hi>) derowegen<lb/>
muß die Materie leichter u&#x0364;ber dem <hi rendition="#aq">Æqua-<lb/>
tore</hi> als gegen die Pole &#x017F;eyn.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Die 2. Anmerckung.</hi> </head><lb/>
              <p>403. Auch die&#x017F;es hat die Erfahrung bekra&#x0364;ftiget.<lb/>
Denn als man die Perpendicul-Uhren von Pariß in<lb/>
die Jn&#x017F;ul <hi rendition="#aq">Cayenne</hi> in <hi rendition="#aq">America</hi> gebracht/ welche<lb/>
nicht u&#x0364;ber 4 biß 5 Grad von dem <hi rendition="#aq">Æquatore</hi> ent-<lb/>
fernet i&#x017F;t; hat man befunden/ es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e da&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
das <hi rendition="#aq">pendulum</hi> 1¼ Linie ku&#x0364;rtzer als zu Pariß &#x017F;eyn/<lb/>
wenn es eine Secunde &#x017F;chlagen &#x017F;ol. Nun i&#x017F;t aber<lb/>
bekandt/ daß/ wenn im <hi rendition="#aq">pendulo</hi> die La&#x0364;nge des Fa-<lb/>
dens unvera&#x0364;ndert bleibt/ die Kugel leichter werden<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ &#x017F;o es la&#x0364;ng&#x017F;amer als vorhin gehet. Hieraus<lb/>
erkennet/ wie gnau der be&#x017F;chriebene Welt-Bau mit<lb/>
der Erfahrung u&#x0364;berein&#x017F;timme.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Die 3. Anmerckung.</hi> </head><lb/>
              <p>404. Man nennet den be&#x017F;chriebenen Welt-Bau<lb/>
den <hi rendition="#fr">Copernicani&#x017F;chen/</hi> weil ihn <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Copernicus</hi></hi> in<lb/>
den neueren Zeiten wieder in Anfnehmen gebracht:<lb/>
denn unter den Alten haben &#x017F;chon <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Philolaus</hi></hi> und an-<lb/>
dere ihn vertheidiget. Es hat zur Zeit niemand<lb/>
etwas erhebliches wieder ihn einwenden ko&#x0364;nnen.<lb/>
Was insgemein von unver&#x017F;ta&#x0364;ndigen angefu&#x0364;hret wird/<lb/>
die entweder die Eigen&#x017F;chaft der Schweere verge&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
oder nicht bedencken/ daß zugleich die Luft mit der<lb/>
Erde &#x017F;ich innerhalb 24 Stunden umb ihre Axe be-<lb/>
wege; verdienet nicht beantworter zu werden. Der-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">glei-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[354/0378] Anfangs-Gruͤnde des Circuls/ in deſſen Peripherie ſie ſich be- findet/ zu entfernen und zwar unter dem Æ- quatore am meiſten/ gegen die Pole weniger. (§. 248) Da nun eben dieſe Materie vermoͤge ihrer Schweere gegen den Mittelpunct der Erde getrieben wird/ ſo muß die vorige Kraft ihr wiederſtehen (§. 12 Hydroſt.) derowegen muß die Materie leichter uͤber dem Æqua- tore als gegen die Pole ſeyn. Die 2. Anmerckung. 403. Auch dieſes hat die Erfahrung bekraͤftiget. Denn als man die Perpendicul-Uhren von Pariß in die Jnſul Cayenne in America gebracht/ welche nicht uͤber 4 biß 5 Grad von dem Æquatore ent- fernet iſt; hat man befunden/ es muͤſſe daſelbſt das pendulum 1¼ Linie kuͤrtzer als zu Pariß ſeyn/ wenn es eine Secunde ſchlagen ſol. Nun iſt aber bekandt/ daß/ wenn im pendulo die Laͤnge des Fa- dens unveraͤndert bleibt/ die Kugel leichter werden muͤſſe/ ſo es laͤngſamer als vorhin gehet. Hieraus erkennet/ wie gnau der beſchriebene Welt-Bau mit der Erfahrung uͤbereinſtimme. Die 3. Anmerckung. 404. Man nennet den beſchriebenen Welt-Bau den Copernicaniſchen/ weil ihn Copernicus in den neueren Zeiten wieder in Anfnehmen gebracht: denn unter den Alten haben ſchon Philolaus und an- dere ihn vertheidiget. Es hat zur Zeit niemand etwas erhebliches wieder ihn einwenden koͤnnen. Was insgemein von unverſtaͤndigen angefuͤhret wird/ die entweder die Eigenſchaft der Schweere vergeſſen/ oder nicht bedencken/ daß zugleich die Luft mit der Erde ſich innerhalb 24 Stunden umb ihre Axe be- wege; verdienet nicht beantworter zu werden. Der- glei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende03_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende03_1710/378
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wiessenschaften. Bd. 3. Halle (Saale), 1710. , S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende03_1710/378>, abgerufen am 29.03.2024.