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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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des Menschen gegen sich selbst.
die wiedrigen Zufälle, die nicht in
unserer Gewalt stehen, als Dinge an-
sehen, die geschehen und von uns nicht
vermieden werden können.
Und hierin
bestehet die Zubereitung auf die zukünf-
tigen Fälle.

§. 131.

Da die natürliche Verbindlichkeit so noth-Von der
Vermei-
dung der
Gefahr.

wendig ist (§. 38.), daß kein Mensch von
derselben befreyt werden kann (§. 42.); so
muß sich kein Mensch durch die Furcht
eines Uebels abschrecken lassen, das zu
thun, was dem Gesetze der Natur
gemäß ist; sich auch nichts zu thun be-
wegen lassen, was dem Gesetze der
Natur zuwieder ist.
Weil wir aber auch
alle Gefahr von uns und unserem Zustande
abwenden sollen (§. 43.); so muß auch nie-
mand, wenn ihn keine Verbindlichkeit
dazu antreibt, sich in Gefahr begeben,

z. E. das Leben oder gesunde Gliedmassen zu
verliehren, oder seinen Zustand unvollkom-
mener zu machen. Was man in einem be-
sondern Falle zu thun hat, lehrt die Ausnah-
me, die man machen muß, wenn Pflichten
nicht zugleich beobachtet werden können (§. 64.).

§. 132.

Die Selbstliebe (amor proprius) ist dieVon der
Selbst-
liebe und
ihrer Be-
weisung.

Beschaffenheit des Gemüths, aus seiner eige-
nen Glückseeligkeit ein Vergnügen zu empfin-
den. Die Ausübung derselben (dilectio
sui)
ist ein beständiger und dauernder Wille,

mit
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des Menſchen gegen ſich ſelbſt.
die wiedrigen Zufaͤlle, die nicht in
unſerer Gewalt ſtehen, als Dinge an-
ſehen, die geſchehen und von uns nicht
vermieden werden koͤnnen.
Und hierin
beſtehet die Zubereitung auf die zukuͤnf-
tigen Faͤlle.

§. 131.

Da die natuͤrliche Verbindlichkeit ſo noth-Von der
Vermei-
dung der
Gefahr.

wendig iſt (§. 38.), daß kein Menſch von
derſelben befreyt werden kann (§. 42.); ſo
muß ſich kein Menſch durch die Furcht
eines Uebels abſchrecken laſſen, das zu
thun, was dem Geſetze der Natur
gemaͤß iſt; ſich auch nichts zu thun be-
wegen laſſen, was dem Geſetze der
Natur zuwieder iſt.
Weil wir aber auch
alle Gefahr von uns und unſerem Zuſtande
abwenden ſollen (§. 43.); ſo muß auch nie-
mand, wenn ihn keine Verbindlichkeit
dazu antreibt, ſich in Gefahr begeben,

z. E. das Leben oder geſunde Gliedmaſſen zu
verliehren, oder ſeinen Zuſtand unvollkom-
mener zu machen. Was man in einem be-
ſondern Falle zu thun hat, lehrt die Ausnah-
me, die man machen muß, wenn Pflichten
nicht zugleich beobachtet werden koͤnnen (§. 64.).

§. 132.

Die Selbſtliebe (amor proprius) iſt dieVon der
Selbſt-
liebe und
ihrer Be-
weiſung.

Beſchaffenheit des Gemuͤths, aus ſeiner eige-
nen Gluͤckſeeligkeit ein Vergnuͤgen zu empfin-
den. Die Ausuͤbung derſelben (dilectio
ſui)
iſt ein beſtaͤndiger und dauernder Wille,

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[85/0121] des Menſchen gegen ſich ſelbſt. die wiedrigen Zufaͤlle, die nicht in unſerer Gewalt ſtehen, als Dinge an- ſehen, die geſchehen und von uns nicht vermieden werden koͤnnen. Und hierin beſtehet die Zubereitung auf die zukuͤnf- tigen Faͤlle. §. 131. Da die natuͤrliche Verbindlichkeit ſo noth- wendig iſt (§. 38.), daß kein Menſch von derſelben befreyt werden kann (§. 42.); ſo muß ſich kein Menſch durch die Furcht eines Uebels abſchrecken laſſen, das zu thun, was dem Geſetze der Natur gemaͤß iſt; ſich auch nichts zu thun be- wegen laſſen, was dem Geſetze der Natur zuwieder iſt. Weil wir aber auch alle Gefahr von uns und unſerem Zuſtande abwenden ſollen (§. 43.); ſo muß auch nie- mand, wenn ihn keine Verbindlichkeit dazu antreibt, ſich in Gefahr begeben, z. E. das Leben oder geſunde Gliedmaſſen zu verliehren, oder ſeinen Zuſtand unvollkom- mener zu machen. Was man in einem be- ſondern Falle zu thun hat, lehrt die Ausnah- me, die man machen muß, wenn Pflichten nicht zugleich beobachtet werden koͤnnen (§. 64.). Von der Vermei- dung der Gefahr. §. 132. Die Selbſtliebe (amor proprius) iſt die Beſchaffenheit des Gemuͤths, aus ſeiner eige- nen Gluͤckſeeligkeit ein Vergnuͤgen zu empfin- den. Die Ausuͤbung derſelben (dilectio ſui) iſt ein beſtaͤndiger und dauernder Wille, mit Von der Selbſt- liebe und ihrer Be- weiſung. F 3

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/121>, abgerufen am 18.04.2024.