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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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des Menschen gegen andere.
(dilectio) bestehet, in der Beschaffenheit des
Gemüths aber aus des andern Glückseeligkeit
Vergnügen zu schöpffen, die Liebe (amor),
soll ein jeder den andern als sich selbst
lieben, und ihm dieselbe auf alle Art
und Weise beweisen (§. 132.), nieman-
den aber hassen
(§. 51.).

§. 137.

Wer uns liebt, heist unser Freund; werWer
Freund,
wer
Feind, u.
von der
Liebe der
Feinde.

uns hasset, der Feind. Wir müssen also
jedermanns Freund, und niemanden
feind seyn
(§. 136.). Und weil die Pflich-
ten gegen andere dadurch nicht aufgehoben
werden, weil sie dieselbe gegen uns unterlas-
sen (§. 135.); so müssen wir auch unse-
re Feinde lieben, wie uns selbst, und ih-
nen keinen Liebesdienst versagen (§.
136.), vielweniger sie gar hassen.

§. 138.

Weil alle Menschen gegen einander Freun-Von der
Bemü-
hung
Freund-
schafft zu
halten.

de seyn sollen (§. 137.); so muß sich auch
ein jeder bemühen, daß er sich andre
nicht zu Feinden mache, sondern daß
er anderer Freundschafft erlange und
behalte.
Jedoch da niemand von der natür-
lichen Verbindlichkeit befreyt werden kann (§.
42.); so dörffen wir aus Freundschafft
nichts thun, was dem Gesetze der Na-
tur zuwieder ist.

§. 139.

Die Vollkommenheit der Seele besteht inDaß
man an-
dern ein

den Tugenden, die ihren Sitz so wohl im Ver-

stande,
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des Menſchen gegen andere.
(dilectio) beſtehet, in der Beſchaffenheit des
Gemuͤths aber aus des andern Gluͤckſeeligkeit
Vergnuͤgen zu ſchoͤpffen, die Liebe (amor),
ſoll ein jeder den andern als ſich ſelbſt
lieben, und ihm dieſelbe auf alle Art
und Weiſe beweiſen (§. 132.), nieman-
den aber haſſen
(§. 51.).

§. 137.

Wer uns liebt, heiſt unſer Freund; werWer
Freund,
wer
Feind, u.
von der
Liebe der
Feinde.

uns haſſet, der Feind. Wir muͤſſen alſo
jedermanns Freund, und niemanden
feind ſeyn
(§. 136.). Und weil die Pflich-
ten gegen andere dadurch nicht aufgehoben
werden, weil ſie dieſelbe gegen uns unterlaſ-
ſen (§. 135.); ſo muͤſſen wir auch unſe-
re Feinde lieben, wie uns ſelbſt, und ih-
nen keinen Liebesdienſt verſagen (§.
136.), vielweniger ſie gar haſſen.

§. 138.

Weil alle Menſchen gegen einander Freun-Von der
Bemuͤ-
hung
Freund-
ſchafft zu
halten.

de ſeyn ſollen (§. 137.); ſo muß ſich auch
ein jeder bemuͤhen, daß er ſich andre
nicht zu Feinden mache, ſondern daß
er anderer Freundſchafft erlange und
behalte.
Jedoch da niemand von der natuͤr-
lichen Verbindlichkeit befreyt werden kann (§.
42.); ſo doͤrffen wir aus Freundſchafft
nichts thun, was dem Geſetze der Na-
tur zuwieder iſt.

§. 139.

Die Vollkommenheit der Seele beſteht inDaß
man an-
dern ein

den Tugenden, die ihren Sitz ſo wohl im Ver-

ſtande,
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[89/0125] des Menſchen gegen andere. (dilectio) beſtehet, in der Beſchaffenheit des Gemuͤths aber aus des andern Gluͤckſeeligkeit Vergnuͤgen zu ſchoͤpffen, die Liebe (amor), ſoll ein jeder den andern als ſich ſelbſt lieben, und ihm dieſelbe auf alle Art und Weiſe beweiſen (§. 132.), nieman- den aber haſſen (§. 51.). §. 137. Wer uns liebt, heiſt unſer Freund; wer uns haſſet, der Feind. Wir muͤſſen alſo jedermanns Freund, und niemanden feind ſeyn (§. 136.). Und weil die Pflich- ten gegen andere dadurch nicht aufgehoben werden, weil ſie dieſelbe gegen uns unterlaſ- ſen (§. 135.); ſo muͤſſen wir auch unſe- re Feinde lieben, wie uns ſelbſt, und ih- nen keinen Liebesdienſt verſagen (§. 136.), vielweniger ſie gar haſſen. Wer Freund, wer Feind, u. von der Liebe der Feinde. §. 138. Weil alle Menſchen gegen einander Freun- de ſeyn ſollen (§. 137.); ſo muß ſich auch ein jeder bemuͤhen, daß er ſich andre nicht zu Feinden mache, ſondern daß er anderer Freundſchafft erlange und behalte. Jedoch da niemand von der natuͤr- lichen Verbindlichkeit befreyt werden kann (§. 42.); ſo doͤrffen wir aus Freundſchafft nichts thun, was dem Geſetze der Na- tur zuwieder iſt. Von der Bemuͤ- hung Freund- ſchafft zu halten. §. 139. Die Vollkommenheit der Seele beſteht in den Tugenden, die ihren Sitz ſo wohl im Ver- ſtande, Daß man an- dern ein F 5

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/125>, abgerufen am 19.04.2024.