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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl.
bewiesen haben, können wir auch den
andern nicht mit Gewalt anhalten,
uns die Sache wieder zu geben.
Da
nun die gewaltsame Behauptung seines Rech-
tes ein Krieg ist (§. 98.); so ist die Wie-
derzueignung einer uns zugehörigen
Sache ein Krieg.

§. 263.
Vom
Dieb-
stahl,
vom
Raub u.
der Jn-
vasion.

Ein boßhaftes Wegnehmen einer Sache,
die einem andern zugehöret, wieder sein Wis-
sen und Willen, mit dem Vorsatze, sich diesel-
be zuzueignen, wird ein Diebstahl (furtum)
genannt. Nimmet man einem das Seine
auf öffentlicher Strasse mit Gewalt, so heist
es ein Raub (rapina). Wer einen Dieb-
stahl begeht, wird ein Dieb; wer einen
Raub begeht, ein Räuber (praedo) genannt.
Es ist aber ein offenbahrer Diebstahl (fur-
tum manifestum),
wenn der Dieb selbst bey
dem Stehlen ertappt wird, da er die gestohl-
nen Sachen noch nicht anders wohin gebracht
hat: hingegen kein offenbahrer Dieb-
stahl,
oder ein heimlicher (furtum nec
manifestum)
im entgegengesetzten Falle.
Wenn jemand wieder Wissen und Willen des
Eigenthumsherrn, nach seinem eigenen Gefal-
len, sich des Gebrauchs einer Sache anmasset,
als wenn sie seine wäre, so nennet man es
einen Diebstahl des Gebrauchs (furtum
usus).
Wenn jemand einen wieder seinen
Willen um den Besitz seiner unbeweglichen
Sache bringet, als, wenn er dem Gläubiger

das

II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl.
bewieſen haben, koͤnnen wir auch den
andern nicht mit Gewalt anhalten,
uns die Sache wieder zu geben.
Da
nun die gewaltſame Behauptung ſeines Rech-
tes ein Krieg iſt (§. 98.); ſo iſt die Wie-
derzueignung einer uns zugehoͤrigen
Sache ein Krieg.

§. 263.
Vom
Dieb-
ſtahl,
vom
Raub u.
der Jn-
vaſion.

Ein boßhaftes Wegnehmen einer Sache,
die einem andern zugehoͤret, wieder ſein Wiſ-
ſen und Willen, mit dem Vorſatze, ſich dieſel-
be zuzueignen, wird ein Diebſtahl (furtum)
genannt. Nimmet man einem das Seine
auf oͤffentlicher Straſſe mit Gewalt, ſo heiſt
es ein Raub (rapina). Wer einen Dieb-
ſtahl begeht, wird ein Dieb; wer einen
Raub begeht, ein Raͤuber (prædo) genannt.
Es iſt aber ein offenbahrer Diebſtahl (fur-
tum manifeſtum),
wenn der Dieb ſelbſt bey
dem Stehlen ertappt wird, da er die geſtohl-
nen Sachen noch nicht anders wohin gebracht
hat: hingegen kein offenbahrer Dieb-
ſtahl,
oder ein heimlicher (furtum nec
manifeſtum)
im entgegengeſetzten Falle.
Wenn jemand wieder Wiſſen und Willen des
Eigenthumsherrn, nach ſeinem eigenen Gefal-
len, ſich des Gebrauchs einer Sache anmaſſet,
als wenn ſie ſeine waͤre, ſo nennet man es
einen Diebſtahl des Gebrauchs (furtum
uſus).
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Sache bringet, als, wenn er dem Glaͤubiger

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[162/0198] II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl. bewieſen haben, koͤnnen wir auch den andern nicht mit Gewalt anhalten, uns die Sache wieder zu geben. Da nun die gewaltſame Behauptung ſeines Rech- tes ein Krieg iſt (§. 98.); ſo iſt die Wie- derzueignung einer uns zugehoͤrigen Sache ein Krieg. §. 263. Ein boßhaftes Wegnehmen einer Sache, die einem andern zugehoͤret, wieder ſein Wiſ- ſen und Willen, mit dem Vorſatze, ſich dieſel- be zuzueignen, wird ein Diebſtahl (furtum) genannt. Nimmet man einem das Seine auf oͤffentlicher Straſſe mit Gewalt, ſo heiſt es ein Raub (rapina). Wer einen Dieb- ſtahl begeht, wird ein Dieb; wer einen Raub begeht, ein Raͤuber (prædo) genannt. Es iſt aber ein offenbahrer Diebſtahl (fur- tum manifeſtum), wenn der Dieb ſelbſt bey dem Stehlen ertappt wird, da er die geſtohl- nen Sachen noch nicht anders wohin gebracht hat: hingegen kein offenbahrer Dieb- ſtahl, oder ein heimlicher (furtum nec manifeſtum) im entgegengeſetzten Falle. Wenn jemand wieder Wiſſen und Willen des Eigenthumsherrn, nach ſeinem eigenen Gefal- len, ſich des Gebrauchs einer Sache anmaſſet, als wenn ſie ſeine waͤre, ſo nennet man es einen Diebſtahl des Gebrauchs (furtum uſus). Wenn jemand einen wieder ſeinen Willen um den Beſitz ſeiner unbeweglichen Sache bringet, als, wenn er dem Glaͤubiger das

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/198>, abgerufen am 25.04.2024.