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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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wegen des Eigenthums.
verstohlner weise besitzt einer etwas (clam
possidet),
welcher, dem Besitzer unwissende,
den Besitz zwar ohne Gewalt, aber auch ohne
Recht eingenommen hat, und wer dieses thut,
von dem sagt man, er kommt verstohlner
weise in den Besitz
(possessionem furtive
ingredi),
und der auf solche Weise erhaltene
Besitz wird der heimliche oder verstoh-
lene Besitz
(possessio clandestina) genannt.
Denn man achtet einen solchen Besitz einer ge-
stohlnen Sache gleich. Es ist aber eben, wie
vorher (§. 288.), klar, daß es unerlaubt
sey, eine Sache verstohlner weise zu
besitzen, es mag der Besitzer entweder
nicht der Eigenthumsherr seyn, oder,
wenn er es ist, doch sein Eigenthum noch
nicht bewiesen habe; und daß in sol-
chem Falle der Besitz dem vorigen Be-
sitzer wieder einzuräumen sey;
folglich
dieser das Recht habe, nicht zu leiden,
daß der andere etwas, was er besessen,
verstohlener weise besitze;
folglich, wenn
er ihm den Besitz nicht wieder ein-
räumen will, er ihn mit Gewalt her-
auswerfen könne.

§. 291.

Weil die Sache, die einer besitzet, in seinerWie der
Besitz er-
langet,
behalten
und ver-
lohren
werde.

Gewalt seyn muß, so daß es möglich ist, nach
seinem Gefallen mit der Sache vorzunehmen,
was er will (§. 200.); folglich des Eigen-
thums sich zu gebrauchen (§. 195.); so wird
der Besitz erlanget
(acquiritur), wenn

die
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wegen des Eigenthums.
verſtohlner weiſe beſitzt einer etwas (clam
poſſidet),
welcher, dem Beſitzer unwiſſende,
den Beſitz zwar ohne Gewalt, aber auch ohne
Recht eingenommen hat, und wer dieſes thut,
von dem ſagt man, er kommt verſtohlner
weiſe in den Beſitz
(poſſeſſionem furtive
ingredi),
und der auf ſolche Weiſe erhaltene
Beſitz wird der heimliche oder verſtoh-
lene Beſitz
(poſſeſſio clandeſtina) genannt.
Denn man achtet einen ſolchen Beſitz einer ge-
ſtohlnen Sache gleich. Es iſt aber eben, wie
vorher (§. 288.), klar, daß es unerlaubt
ſey, eine Sache verſtohlner weiſe zu
beſitzen, es mag der Beſitzer entweder
nicht der Eigenthumsherr ſeyn, oder,
wenn er es iſt, doch ſein Eigenthum noch
nicht bewieſen habe; und daß in ſol-
chem Falle der Beſitz dem vorigen Be-
ſitzer wieder einzuraͤumen ſey;
folglich
dieſer das Recht habe, nicht zu leiden,
daß der andere etwas, was er beſeſſen,
verſtohlener weiſe beſitze;
folglich, wenn
er ihm den Beſitz nicht wieder ein-
raͤumen will, er ihn mit Gewalt her-
auswerfen koͤnne.

§. 291.

Weil die Sache, die einer beſitzet, in ſeinerWie der
Beſitz er-
langet,
behalten
und ver-
lohren
werde.

Gewalt ſeyn muß, ſo daß es moͤglich iſt, nach
ſeinem Gefallen mit der Sache vorzunehmen,
was er will (§. 200.); folglich des Eigen-
thums ſich zu gebrauchen (§. 195.); ſo wird
der Beſitz erlanget
(acquiritur), wenn

die
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[181/0217] wegen des Eigenthums. verſtohlner weiſe beſitzt einer etwas (clam poſſidet), welcher, dem Beſitzer unwiſſende, den Beſitz zwar ohne Gewalt, aber auch ohne Recht eingenommen hat, und wer dieſes thut, von dem ſagt man, er kommt verſtohlner weiſe in den Beſitz (poſſeſſionem furtive ingredi), und der auf ſolche Weiſe erhaltene Beſitz wird der heimliche oder verſtoh- lene Beſitz (poſſeſſio clandeſtina) genannt. Denn man achtet einen ſolchen Beſitz einer ge- ſtohlnen Sache gleich. Es iſt aber eben, wie vorher (§. 288.), klar, daß es unerlaubt ſey, eine Sache verſtohlner weiſe zu beſitzen, es mag der Beſitzer entweder nicht der Eigenthumsherr ſeyn, oder, wenn er es iſt, doch ſein Eigenthum noch nicht bewieſen habe; und daß in ſol- chem Falle der Beſitz dem vorigen Be- ſitzer wieder einzuraͤumen ſey; folglich dieſer das Recht habe, nicht zu leiden, daß der andere etwas, was er beſeſſen, verſtohlener weiſe beſitze; folglich, wenn er ihm den Beſitz nicht wieder ein- raͤumen will, er ihn mit Gewalt her- auswerfen koͤnne. §. 291. Weil die Sache, die einer beſitzet, in ſeiner Gewalt ſeyn muß, ſo daß es moͤglich iſt, nach ſeinem Gefallen mit der Sache vorzunehmen, was er will (§. 200.); folglich des Eigen- thums ſich zu gebrauchen (§. 195.); ſo wird der Beſitz erlanget (acquiritur), wenn die Wie der Beſitz er- langet, behalten und ver- lohren werde. M 3

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/217>, abgerufen am 29.03.2024.