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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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und ihrer Zurechnung.
Einwilligung (consensus), welche darinnengung und
wie vie-
lerley
dieselbe
ist.

bestehet, daß wir wollen, es solle eben das-
jenige geschehen, oder unterlassen werden,
was der andere thun, oder unterlassen will.
Wenn man mit ausdrücklichen Worten, oder
durch ein anderes gleichgültiges Zeichen er-
kläret, daß man eben das wolle, was der
andere will, so heißt dieses die ausdrück-
liche Einwilligung
(consensus expres-
sus);
wenn dieselbe aber anderswoher, als
z. E. aus Handlungen, oder Unterlaßungen
derselben geschlossen wird, so nennt man sie
die stillschweigende Einwilligung (ta-
citum consensum);
und eben dieselbe wird
die vermuthete Einwilligung (con-
sensus praesumtus)
genannt, wenn sie
nur wahrscheinlicher Weise geschlossen wird.
Denn die Vermuthung (praesumtio) be-
stehet darinnen, daß man, aus wahrschein-
lichen Gründen, eine zweifelhafte Sache, in
einem vorkommenden Falle, vor gewiß an-
nimmet. Da die Art und Weise, wie man
seine Willens-Meinung in Absicht einer ge-
wissen Handlung anzeigt, die Handlung
selbst nicht verändert; so ist die still-
schweigende Einwilligung nicht we-
niger eine wahre Einwilligung, als
die ausdrückliche.

§. 28.

Der Einwilligung wird der wiedrigeDer
Wieder-
wille.

Wille (dissensus) entgegen gesetzet, da man

will,
B 2

und ihrer Zurechnung.
Einwilligung (conſenſus), welche darinnengung und
wie vie-
lerley
dieſelbe
iſt.

beſtehet, daß wir wollen, es ſolle eben das-
jenige geſchehen, oder unterlaſſen werden,
was der andere thun, oder unterlaſſen will.
Wenn man mit ausdruͤcklichen Worten, oder
durch ein anderes gleichguͤltiges Zeichen er-
klaͤret, daß man eben das wolle, was der
andere will, ſo heißt dieſes die ausdruͤck-
liche Einwilligung
(conſenſus expreſ-
ſus);
wenn dieſelbe aber anderswoher, als
z. E. aus Handlungen, oder Unterlaßungen
derſelben geſchloſſen wird, ſo nennt man ſie
die ſtillſchweigende Einwilligung (ta-
citum conſenſum);
und eben dieſelbe wird
die vermuthete Einwilligung (con-
ſenſus præſumtus)
genannt, wenn ſie
nur wahrſcheinlicher Weiſe geſchloſſen wird.
Denn die Vermuthung (præſumtio) be-
ſtehet darinnen, daß man, aus wahrſchein-
lichen Gruͤnden, eine zweifelhafte Sache, in
einem vorkommenden Falle, vor gewiß an-
nimmet. Da die Art und Weiſe, wie man
ſeine Willens-Meinung in Abſicht einer ge-
wiſſen Handlung anzeigt, die Handlung
ſelbſt nicht veraͤndert; ſo iſt die ſtill-
ſchweigende Einwilligung nicht we-
niger eine wahre Einwilligung, als
die ausdruͤckliche.

§. 28.

Der Einwilligung wird der wiedrigeDer
Wieder-
wille.

Wille (diſſenſus) entgegen geſetzet, da man

will,
B 2
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[19/0055] und ihrer Zurechnung. Einwilligung (conſenſus), welche darinnen beſtehet, daß wir wollen, es ſolle eben das- jenige geſchehen, oder unterlaſſen werden, was der andere thun, oder unterlaſſen will. Wenn man mit ausdruͤcklichen Worten, oder durch ein anderes gleichguͤltiges Zeichen er- klaͤret, daß man eben das wolle, was der andere will, ſo heißt dieſes die ausdruͤck- liche Einwilligung (conſenſus expreſ- ſus); wenn dieſelbe aber anderswoher, als z. E. aus Handlungen, oder Unterlaßungen derſelben geſchloſſen wird, ſo nennt man ſie die ſtillſchweigende Einwilligung (ta- citum conſenſum); und eben dieſelbe wird die vermuthete Einwilligung (con- ſenſus præſumtus) genannt, wenn ſie nur wahrſcheinlicher Weiſe geſchloſſen wird. Denn die Vermuthung (præſumtio) be- ſtehet darinnen, daß man, aus wahrſchein- lichen Gruͤnden, eine zweifelhafte Sache, in einem vorkommenden Falle, vor gewiß an- nimmet. Da die Art und Weiſe, wie man ſeine Willens-Meinung in Abſicht einer ge- wiſſen Handlung anzeigt, die Handlung ſelbſt nicht veraͤndert; ſo iſt die ſtill- ſchweigende Einwilligung nicht we- niger eine wahre Einwilligung, als die ausdruͤckliche. gung und wie vie- lerley dieſelbe iſt. §. 28. Der Einwilligung wird der wiedrige Wille (diſſenſus) entgegen geſetzet, da man will, Der Wieder- wille. B 2

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/55>, abgerufen am 28.03.2024.