Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Auslegung.
träge, in so ferne sie ein Versprechenauszu-
nehmen
sind.

in sich enthalten, den Gesetzen gleich
(§. 39.). Derowegen was von den Ge-
setzen gilt, wenn sie wider einander
laufen,
wie oben erklärt worden (§. 64.),
das gilt auch in gleichem Falle von den
Verträgen.
Jm übrigen da dergleichen
sich ereignende Fälle unter das zu rechnen sind,
woran man nicht gedachte, da man etwas
versprochen, oder einen Vertrag gemacht; so
muß man, wofern besondere Gründe
vorhanden, daraus sich abnehmen
läßt, was derjenige würde ausgenom-
men haben, welcher geredet, wenn er
an den Fall der Collision gedacht hätte,
eben dasselbe ausnehmen, wenn auch
die Regeln von dem wider einander
laufenden bey Verträgen auf etwas an-
ders einen leiten sollten.

§. 817.

Weil endlich der, dem etwas versprochenAuf wes-
sen Wor-
te man
bey der
Ausle-
gung der
Verträge
mehr zu
sehen hat.

wird, den andern, der es ihm verspricht,
nicht zu mehrem, als er will, verbinden kann
(§. 317. 379.); wider diesen aber vor wahr
gehalten wird, was er hinlänglich mit seinen
Worten zu verstehen gegeben; man aber sagt,
daß der eine Bedingung anbiete, welcher
verlangt, daß ihm etwas versprochen werden
soll; der andere aber, welcher ihm etwas ver-
spricht, dieselbe annähme; so muß man
in Auslegung der Verträge mehr auf
die Worte dessen sehen, der eine Be-

dingung
P p 5

Von der Auslegung.
traͤge, in ſo ferne ſie ein Verſprechenauszu-
nehmen
ſind.

in ſich enthalten, den Geſetzen gleich
(§. 39.). Derowegen was von den Ge-
ſetzen gilt, wenn ſie wider einander
laufen,
wie oben erklaͤrt worden (§. 64.),
das gilt auch in gleichem Falle von den
Vertraͤgen.
Jm uͤbrigen da dergleichen
ſich ereignende Faͤlle unter das zu rechnen ſind,
woran man nicht gedachte, da man etwas
verſprochen, oder einen Vertrag gemacht; ſo
muß man, wofern beſondere Gruͤnde
vorhanden, daraus ſich abnehmen
laͤßt, was derjenige wuͤrde ausgenom-
men haben, welcher geredet, wenn er
an den Fall der Colliſion gedacht haͤtte,
eben daſſelbe ausnehmen, wenn auch
die Regeln von dem wider einander
laufenden bey Vertraͤgen auf etwas an-
ders einen leiten ſollten.

§. 817.

Weil endlich der, dem etwas verſprochenAuf weſ-
ſen Wor-
te man
bey der
Ausle-
gung der
Vertraͤge
mehr zu
ſehen hat.

wird, den andern, der es ihm verſpricht,
nicht zu mehrem, als er will, verbinden kann
(§. 317. 379.); wider dieſen aber vor wahr
gehalten wird, was er hinlaͤnglich mit ſeinen
Worten zu verſtehen gegeben; man aber ſagt,
daß der eine Bedingung anbiete, welcher
verlangt, daß ihm etwas verſprochen werden
ſoll; der andere aber, welcher ihm etwas ver-
ſpricht, dieſelbe annaͤhme; ſo muß man
in Auslegung der Vertraͤge mehr auf
die Worte deſſen ſehen, der eine Be-

dingung
P p 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0637" n="601"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Auslegung.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">tra&#x0364;ge, in &#x017F;o ferne &#x017F;ie ein Ver&#x017F;prechen</hi><note place="right">auszu-<lb/>
nehmen<lb/>
&#x017F;ind.</note><lb/><hi rendition="#fr">in &#x017F;ich enthalten, den Ge&#x017F;etzen gleich</hi><lb/>
(§. 39.). Derowegen <hi rendition="#fr">was von den Ge-<lb/>
&#x017F;etzen gilt, wenn &#x017F;ie wider einander<lb/>
laufen,</hi> wie oben erkla&#x0364;rt worden (§. 64.),<lb/>
das <hi rendition="#fr">gilt auch in gleichem Falle von den<lb/>
Vertra&#x0364;gen.</hi> Jm u&#x0364;brigen da dergleichen<lb/>
&#x017F;ich ereignende Fa&#x0364;lle unter das zu rechnen &#x017F;ind,<lb/>
woran man nicht gedachte, da man etwas<lb/>
ver&#x017F;prochen, oder einen Vertrag gemacht; <hi rendition="#fr">&#x017F;o<lb/>
muß man, wofern be&#x017F;ondere Gru&#x0364;nde<lb/>
vorhanden, daraus &#x017F;ich abnehmen<lb/>
la&#x0364;ßt, was derjenige wu&#x0364;rde ausgenom-<lb/>
men haben, welcher geredet, wenn er<lb/>
an den Fall der Colli&#x017F;ion gedacht ha&#x0364;tte,<lb/>
eben da&#x017F;&#x017F;elbe ausnehmen, wenn auch<lb/>
die Regeln von dem wider einander<lb/>
laufenden bey Vertra&#x0364;gen auf etwas an-<lb/>
ders einen leiten &#x017F;ollten.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 817.</head><lb/>
              <p>Weil endlich der, dem etwas ver&#x017F;prochen<note place="right">Auf we&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Wor-<lb/>
te man<lb/>
bey der<lb/>
Ausle-<lb/>
gung der<lb/>
Vertra&#x0364;ge<lb/>
mehr zu<lb/>
&#x017F;ehen hat.</note><lb/>
wird, den andern, der es ihm ver&#x017F;pricht,<lb/>
nicht zu mehrem, als er will, verbinden kann<lb/>
(§. 317. 379.); wider die&#x017F;en aber vor wahr<lb/>
gehalten wird, was er hinla&#x0364;nglich mit &#x017F;einen<lb/>
Worten zu ver&#x017F;tehen gegeben; man aber &#x017F;agt,<lb/>
daß der <hi rendition="#fr">eine Bedingung anbiete,</hi> welcher<lb/>
verlangt, daß ihm etwas ver&#x017F;prochen werden<lb/>
&#x017F;oll; der andere aber, welcher ihm etwas ver-<lb/>
&#x017F;pricht, <hi rendition="#fr">die&#x017F;elbe anna&#x0364;hme; &#x017F;o muß man<lb/>
in Auslegung der Vertra&#x0364;ge mehr auf<lb/>
die Worte de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ehen, der eine Be-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P p 5</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">dingung</hi></fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[601/0637] Von der Auslegung. traͤge, in ſo ferne ſie ein Verſprechen in ſich enthalten, den Geſetzen gleich (§. 39.). Derowegen was von den Ge- ſetzen gilt, wenn ſie wider einander laufen, wie oben erklaͤrt worden (§. 64.), das gilt auch in gleichem Falle von den Vertraͤgen. Jm uͤbrigen da dergleichen ſich ereignende Faͤlle unter das zu rechnen ſind, woran man nicht gedachte, da man etwas verſprochen, oder einen Vertrag gemacht; ſo muß man, wofern beſondere Gruͤnde vorhanden, daraus ſich abnehmen laͤßt, was derjenige wuͤrde ausgenom- men haben, welcher geredet, wenn er an den Fall der Colliſion gedacht haͤtte, eben daſſelbe ausnehmen, wenn auch die Regeln von dem wider einander laufenden bey Vertraͤgen auf etwas an- ders einen leiten ſollten. auszu- nehmen ſind. §. 817. Weil endlich der, dem etwas verſprochen wird, den andern, der es ihm verſpricht, nicht zu mehrem, als er will, verbinden kann (§. 317. 379.); wider dieſen aber vor wahr gehalten wird, was er hinlaͤnglich mit ſeinen Worten zu verſtehen gegeben; man aber ſagt, daß der eine Bedingung anbiete, welcher verlangt, daß ihm etwas verſprochen werden ſoll; der andere aber, welcher ihm etwas ver- ſpricht, dieſelbe annaͤhme; ſo muß man in Auslegung der Vertraͤge mehr auf die Worte deſſen ſehen, der eine Be- dingung Auf weſ- ſen Wor- te man bey der Ausle- gung der Vertraͤge mehr zu ſehen hat. P p 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/637
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/637>, abgerufen am 18.04.2024.