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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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und der Gesellschaft überhaupt.
schen dem Willen keines andern unterworfentur eine
Herr-
schaft
über an-
dere ha-
ben kön-
ne.

sind, und ein jeder in dem, was er thut, sich
nach seinem Willen zu richten hat (§. 77.);
so hat niemand von Natur eine Herr-
schaft über andere Menschen.
Und da
man einem jeden zulassen muß, daß er in
dem, was er thut, sich nach seinem Urtheil
richtet, noch einem andern Rechenschaft zu
geben schuldig ist, warum er etwas thut, oder
nicht (§. 78.); so darf sich niemand ei-
ner Herrschaft über einen andern wi-
der seinen Willen anmassen.

§. 835.

Ueber welchen ein anderer die HerrschaftVon
dem, der
dem an-
dern un-
terthänig
ist.

hat, wird dem andern unterthänig (sub-
jectus)
genannt. Von Natur ist also nie-
mand dem andern unterthänig (§. 834.),
und es kann sich auch niemand den
andern wider seinen Willen unterthä-
nig machen
(§, cit.). Weil aber der Herr-
scher den, welcher ihm unterthänig ist, ver-
binden kann seine Handlungen so und nicht
anders einzurichten (§. 833.); so ist der un-
terthänige verbunden seine Handlun-
gen nach dem Willen des Herrn ein-
zurichten;
folglich da man sagt, daß einer
gehorche (parere, obedire), der seine Hand-
lungen nach eines andern Willen einrichtet;
hingegen ungehorsam (inobediens) sey, der
sich dieses zu thun weigert; so ist der Un-
terthan verbunden dem zu gehorchen,
der Gewalt über ihn hat, und nicht

unge-
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und der Geſellſchaft uͤberhaupt.
ſchen dem Willen keines andern unterworfentur eine
Herr-
ſchaft
uͤber an-
dere ha-
ben koͤn-
ne.

ſind, und ein jeder in dem, was er thut, ſich
nach ſeinem Willen zu richten hat (§. 77.);
ſo hat niemand von Natur eine Herr-
ſchaft uͤber andere Menſchen.
Und da
man einem jeden zulaſſen muß, daß er in
dem, was er thut, ſich nach ſeinem Urtheil
richtet, noch einem andern Rechenſchaft zu
geben ſchuldig iſt, warum er etwas thut, oder
nicht (§. 78.); ſo darf ſich niemand ei-
ner Herrſchaft uͤber einen andern wi-
der ſeinen Willen anmaſſen.

§. 835.

Ueber welchen ein anderer die HerrſchaftVon
dem, der
dem an-
dern un-
terthaͤnig
iſt.

hat, wird dem andern unterthaͤnig (ſub-
jectus)
genannt. Von Natur iſt alſo nie-
mand dem andern unterthaͤnig (§. 834.),
und es kann ſich auch niemand den
andern wider ſeinen Willen unterthaͤ-
nig machen
(§, cit.). Weil aber der Herr-
ſcher den, welcher ihm unterthaͤnig iſt, ver-
binden kann ſeine Handlungen ſo und nicht
anders einzurichten (§. 833.); ſo iſt der un-
terthaͤnige verbunden ſeine Handlun-
gen nach dem Willen des Herrn ein-
zurichten;
folglich da man ſagt, daß einer
gehorche (parere, obedire), der ſeine Hand-
lungen nach eines andern Willen einrichtet;
hingegen ungehorſam (inobediens) ſey, der
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[613/0649] und der Geſellſchaft uͤberhaupt. ſchen dem Willen keines andern unterworfen ſind, und ein jeder in dem, was er thut, ſich nach ſeinem Willen zu richten hat (§. 77.); ſo hat niemand von Natur eine Herr- ſchaft uͤber andere Menſchen. Und da man einem jeden zulaſſen muß, daß er in dem, was er thut, ſich nach ſeinem Urtheil richtet, noch einem andern Rechenſchaft zu geben ſchuldig iſt, warum er etwas thut, oder nicht (§. 78.); ſo darf ſich niemand ei- ner Herrſchaft uͤber einen andern wi- der ſeinen Willen anmaſſen. tur eine Herr- ſchaft uͤber an- dere ha- ben koͤn- ne. §. 835. Ueber welchen ein anderer die Herrſchaft hat, wird dem andern unterthaͤnig (ſub- jectus) genannt. Von Natur iſt alſo nie- mand dem andern unterthaͤnig (§. 834.), und es kann ſich auch niemand den andern wider ſeinen Willen unterthaͤ- nig machen (§, cit.). Weil aber der Herr- ſcher den, welcher ihm unterthaͤnig iſt, ver- binden kann ſeine Handlungen ſo und nicht anders einzurichten (§. 833.); ſo iſt der un- terthaͤnige verbunden ſeine Handlun- gen nach dem Willen des Herrn ein- zurichten; folglich da man ſagt, daß einer gehorche (parere, obedire), der ſeine Hand- lungen nach eines andern Willen einrichtet; hingegen ungehorſam (inobediens) ſey, der ſich dieſes zu thun weigert; ſo iſt der Un- terthan verbunden dem zu gehorchen, der Gewalt uͤber ihn hat, und nicht unge- Von dem, der dem an- dern un- terthaͤnig iſt. Q q 3

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/649>, abgerufen am 29.03.2024.