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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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III. Theil 1. Abth. 5. Hauptstück.
det ein Testament nach dem Rechte
der Natur statt, der Erbe darf auch
vor dem Tod des Erblassers seinen
Willen nicht wissen, und das Testa-
ment kann, ehe einer gestorben ist, nach
eigenen Gefallen wiederrufen und ge-
ändert werden
(§. cit.). Derowegen ist
klar, daß ein Testament erst nach dem
Tode des Erblassers gültig und un-
wiederruflich werde.

§. 928.
Von der
Enter-
bung
der Kin-
der und
der El-
tern.

Man sagt, die Kinder werden ent-
erbt
(liberos exheredare), welchen durch aus-
drücklichen Willen der Eltern die Erbschaft
genommen wird. Weil man Kinder verstos-
sen kann, verstossene Kinder aber ihr Erb-
recht verlieren (§. 925.); so können auch
Kinder enterbt werden. Da aber ein
Recht, welches an und vor sich selbst ihnen
nicht genommen werden kann, nicht bloß nach
dem Gefallen der Eltern ihnen benommen
werden mag (§. 924.); so können die
Kinder nicht ohne rechtmäßige Ursa-
che enterbt werden.
Welches diese recht-
mäßigen Ursachen sind, läßt sich aus dem
vorhergehenden von den Ursachen ihrer Ver-
stossung abnehmen (§. 924.). Was aber von
der Enterbung der Kinder gesagt worden,
kann aus eben dem Grunde auf die Enter-
bung der Eltern gedeutet werden.

§. 929.

III. Theil 1. Abth. 5. Hauptſtuͤck.
det ein Teſtament nach dem Rechte
der Natur ſtatt, der Erbe darf auch
vor dem Tod des Erblaſſers ſeinen
Willen nicht wiſſen, und das Teſta-
ment kann, ehe einer geſtorben iſt, nach
eigenen Gefallen wiederrufen und ge-
aͤndert werden
(§. cit.). Derowegen iſt
klar, daß ein Teſtament erſt nach dem
Tode des Erblaſſers guͤltig und un-
wiederruflich werde.

§. 928.
Von der
Enter-
bung
der Kin-
der und
der El-
tern.

Man ſagt, die Kinder werden ent-
erbt
(liberos exheredare), welchen durch aus-
druͤcklichen Willen der Eltern die Erbſchaft
genommen wird. Weil man Kinder verſtoſ-
ſen kann, verſtoſſene Kinder aber ihr Erb-
recht verlieren (§. 925.); ſo koͤnnen auch
Kinder enterbt werden. Da aber ein
Recht, welches an und vor ſich ſelbſt ihnen
nicht genommen werden kann, nicht bloß nach
dem Gefallen der Eltern ihnen benommen
werden mag (§. 924.); ſo koͤnnen die
Kinder nicht ohne rechtmaͤßige Urſa-
che enterbt werden.
Welches dieſe recht-
maͤßigen Urſachen ſind, laͤßt ſich aus dem
vorhergehenden von den Urſachen ihrer Ver-
ſtoſſung abnehmen (§. 924.). Was aber von
der Enterbung der Kinder geſagt worden,
kann aus eben dem Grunde auf die Enter-
bung der Eltern gedeutet werden.

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[672/0708] III. Theil 1. Abth. 5. Hauptſtuͤck. det ein Teſtament nach dem Rechte der Natur ſtatt, der Erbe darf auch vor dem Tod des Erblaſſers ſeinen Willen nicht wiſſen, und das Teſta- ment kann, ehe einer geſtorben iſt, nach eigenen Gefallen wiederrufen und ge- aͤndert werden (§. cit.). Derowegen iſt klar, daß ein Teſtament erſt nach dem Tode des Erblaſſers guͤltig und un- wiederruflich werde. §. 928. Man ſagt, die Kinder werden ent- erbt (liberos exheredare), welchen durch aus- druͤcklichen Willen der Eltern die Erbſchaft genommen wird. Weil man Kinder verſtoſ- ſen kann, verſtoſſene Kinder aber ihr Erb- recht verlieren (§. 925.); ſo koͤnnen auch Kinder enterbt werden. Da aber ein Recht, welches an und vor ſich ſelbſt ihnen nicht genommen werden kann, nicht bloß nach dem Gefallen der Eltern ihnen benommen werden mag (§. 924.); ſo koͤnnen die Kinder nicht ohne rechtmaͤßige Urſa- che enterbt werden. Welches dieſe recht- maͤßigen Urſachen ſind, laͤßt ſich aus dem vorhergehenden von den Urſachen ihrer Ver- ſtoſſung abnehmen (§. 924.). Was aber von der Enterbung der Kinder geſagt worden, kann aus eben dem Grunde auf die Enter- bung der Eltern gedeutet werden. §. 929.

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/708>, abgerufen am 19.04.2024.