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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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dem Rechte und Gesetze etc.
ist; und endlich die Pflicht gegen GOtt,
welche wir GOtt schuldig sind. Daß es
Pflichten gebe, die allen Menschen ge-
mein sind, und Pflichten, die nur ei-
nige oder einen betreffen,
ist aus dem,
was eben erst (§. 56.) gesagt worden, klar.

§. 58.

Eine Handlung, die dem Gesetz der NaturWas
Sünde,
Ueber-
tretung
und
Beob-
achtung
des Gese-
tzes sey.

zuwieder ist, nennt man eine Sünde, und
sie ist eine Begehungssünde (peccatum
commissionis),
wenn sie in einer vollbrachten
Handlung bestehet; eine Unterlassungs-
sünde
(peccatum omissionis) aber, wenn sie
in einer unterlassenen Handlung bestehet,
wenn nämlich dasjenige nicht geschiehet,
was wir zu thun verbunden waren. Gleich-
wie man aber sagt, daß derjenige ein Ge-
setz halte,
(beobachte, servare legem), der
das thut, was das Gesetz zu thun verbindet,
und das unterläßt, was es verbiethet; also
übertrit der das Gesetz (legem transgredi-
tur),
welcher das Gegentheil thut, oder sün-
diget. Daher erhellet, was die Uebertre-
tung des Gesetzes
(transgressio legis) sey;
der die Beobachtung des Gesetzes (cu-
stodia legis)
entgegen gesetzet wird, welches
die Bemühung ist, das Gesetz zu halten.

§. 59.Wenn
man
Pflichten
gegen
andere
abschla-
gen kann.

Man ist andern keine Pflichten schuldig, als
in so fern derjenige, der sie leisten soll, das
Vermögen dazu hat, und der andere nicht
im Stande ist, das, was er verlangt, selst zu

thun,
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dem Rechte und Geſetze ꝛc.
iſt; und endlich die Pflicht gegen GOtt,
welche wir GOtt ſchuldig ſind. Daß es
Pflichten gebe, die allen Menſchen ge-
mein ſind, und Pflichten, die nur ei-
nige oder einen betreffen,
iſt aus dem,
was eben erſt (§. 56.) geſagt worden, klar.

§. 58.

Eine Handlung, die dem Geſetz der NaturWas
Suͤnde,
Ueber-
tretung
und
Beob-
achtung
des Geſe-
tzes ſey.

zuwieder iſt, nennt man eine Suͤnde, und
ſie iſt eine Begehungsſuͤnde (peccatum
commiſſionis),
wenn ſie in einer vollbrachten
Handlung beſtehet; eine Unterlaſſungs-
ſuͤnde
(peccatum omiſſionis) aber, wenn ſie
in einer unterlaſſenen Handlung beſtehet,
wenn naͤmlich dasjenige nicht geſchiehet,
was wir zu thun verbunden waren. Gleich-
wie man aber ſagt, daß derjenige ein Ge-
ſetz halte,
(beobachte, ſervare legem), der
das thut, was das Geſetz zu thun verbindet,
und das unterlaͤßt, was es verbiethet; alſo
uͤbertrit der das Geſetz (legem transgredi-
tur),
welcher das Gegentheil thut, oder ſuͤn-
diget. Daher erhellet, was die Uebertre-
tung des Geſetzes
(transgreſſio legis) ſey;
der die Beobachtung des Geſetzes (cu-
ſtodia legis)
entgegen geſetzet wird, welches
die Bemuͤhung iſt, das Geſetz zu halten.

§. 59.Wenn
man
Pflichten
gegen
andere
abſchla-
gen kann.

Man iſt andern keine Pflichten ſchuldig, als
in ſo fern derjenige, der ſie leiſten ſoll, das
Vermoͤgen dazu hat, und der andere nicht
im Stande iſt, das, was er verlangt, ſelſt zu

thun,
C 3
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[37/0073] dem Rechte und Geſetze ꝛc. iſt; und endlich die Pflicht gegen GOtt, welche wir GOtt ſchuldig ſind. Daß es Pflichten gebe, die allen Menſchen ge- mein ſind, und Pflichten, die nur ei- nige oder einen betreffen, iſt aus dem, was eben erſt (§. 56.) geſagt worden, klar. §. 58. Eine Handlung, die dem Geſetz der Natur zuwieder iſt, nennt man eine Suͤnde, und ſie iſt eine Begehungsſuͤnde (peccatum commiſſionis), wenn ſie in einer vollbrachten Handlung beſtehet; eine Unterlaſſungs- ſuͤnde (peccatum omiſſionis) aber, wenn ſie in einer unterlaſſenen Handlung beſtehet, wenn naͤmlich dasjenige nicht geſchiehet, was wir zu thun verbunden waren. Gleich- wie man aber ſagt, daß derjenige ein Ge- ſetz halte, (beobachte, ſervare legem), der das thut, was das Geſetz zu thun verbindet, und das unterlaͤßt, was es verbiethet; alſo uͤbertrit der das Geſetz (legem transgredi- tur), welcher das Gegentheil thut, oder ſuͤn- diget. Daher erhellet, was die Uebertre- tung des Geſetzes (transgreſſio legis) ſey; der die Beobachtung des Geſetzes (cu- ſtodia legis) entgegen geſetzet wird, welches die Bemuͤhung iſt, das Geſetz zu halten. Was Suͤnde, Ueber- tretung und Beob- achtung des Geſe- tzes ſey. §. 59. Man iſt andern keine Pflichten ſchuldig, als in ſo fern derjenige, der ſie leiſten ſoll, das Vermoͤgen dazu hat, und der andere nicht im Stande iſt, das, was er verlangt, ſelſt zu thun, C 3

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/73>, abgerufen am 29.03.2024.