Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urspr. der Staaten
schränckt, in einem andern unum-
schränckt seyn.
Wenn die Herrschaft auf
gewisse Zeit jemanden aufgetragen wird, ist
es eine nicht immer währende Herr-
schaft
(imperium temporarium); welche
unumschränckt, und also die höchste seyn
kann: wenn es unter der Bedingung geschie-
het, so lange als es dem Volcke gefallen
wird; so hat man sie nur bittweise (impe-
rium precarium).
Und also kann eine bitt-
weise besessene Herrschaft jeden Augen-
blick wiederrufen werden;
folglich nicht
die höchste seyn (§. 981.), ob sie gleich
unumschränckt seyn kann.

§. 984.
Von den
Grund-
gesetzen.

Die Gesetze, an welche die Verwaltung
der Herrschaft gebunden ist, werden Grund-
gesetze
(leges fundamentales) genannt. De-
rowegen ist dieses auch ein Grundgese-
tze, daß der Regente in gewissen An-
gelegenheiten die Einwilligung des
gantzen Volcks, oder gewisser Perso-
nen nöthig hat, wie auch dasjenige,
worinnen man die Art und Weise die
Herrschaft einem aufzutragen fest stel-
let.
Es erhellet ausser dem, daß der Re-
gente eines Staats zu Beobachtung
der Grundgesetze verbunden ist, und
dieselbe nicht nach seinem Gefallen än-
dern kann
(§. 982.). Da aber die Grund-
gesetze von dem Volcke
gemacht wer-
den (§. 978.); so können sie auch von

ihm

III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urſpr. der Staaten
ſchraͤnckt, in einem andern unum-
ſchraͤnckt ſeyn.
Wenn die Herrſchaft auf
gewiſſe Zeit jemanden aufgetragen wird, iſt
es eine nicht immer waͤhrende Herr-
ſchaft
(imperium temporarium); welche
unumſchraͤnckt, und alſo die hoͤchſte ſeyn
kann: wenn es unter der Bedingung geſchie-
het, ſo lange als es dem Volcke gefallen
wird; ſo hat man ſie nur bittweiſe (impe-
rium precarium).
Und alſo kann eine bitt-
weiſe beſeſſene Herrſchaft jeden Augen-
blick wiederrufen werden;
folglich nicht
die hoͤchſte ſeyn (§. 981.), ob ſie gleich
unumſchraͤnckt ſeyn kann.

§. 984.
Von den
Grund-
geſetzen.

Die Geſetze, an welche die Verwaltung
der Herrſchaft gebunden iſt, werden Grund-
geſetze
(leges fundamentales) genannt. De-
rowegen iſt dieſes auch ein Grundgeſe-
tze, daß der Regente in gewiſſen An-
gelegenheiten die Einwilligung des
gantzen Volcks, oder gewiſſer Perſo-
nen noͤthig hat, wie auch dasjenige,
worinnen man die Art und Weiſe die
Herrſchaft einem aufzutragen feſt ſtel-
let.
Es erhellet auſſer dem, daß der Re-
gente eines Staats zu Beobachtung
der Grundgeſetze verbunden iſt, und
dieſelbe nicht nach ſeinem Gefallen aͤn-
dern kann
(§. 982.). Da aber die Grund-
geſetze von dem Volcke
gemacht wer-
den (§. 978.); ſo koͤnnen ſie auch von

ihm
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0740" n="704"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Th. 2. A. 1. H. Vom Ur&#x017F;pr. der Staaten</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;chra&#x0364;nckt, in einem andern unum-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nckt &#x017F;eyn.</hi> Wenn die Herr&#x017F;chaft auf<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e Zeit jemanden aufgetragen wird, i&#x017F;t<lb/>
es eine <hi rendition="#fr">nicht immer wa&#x0364;hrende Herr-<lb/>
&#x017F;chaft</hi> <hi rendition="#aq">(imperium temporarium);</hi> welche<lb/>
unum&#x017F;chra&#x0364;nckt, und al&#x017F;o die ho&#x0364;ch&#x017F;te &#x017F;eyn<lb/>
kann: wenn es unter der Bedingung ge&#x017F;chie-<lb/>
het, &#x017F;o lange als es dem Volcke gefallen<lb/>
wird; &#x017F;o hat man &#x017F;ie nur <hi rendition="#fr">bittwei&#x017F;e</hi> <hi rendition="#aq">(impe-<lb/>
rium precarium).</hi> Und al&#x017F;o <hi rendition="#fr">kann eine bitt-<lb/>
wei&#x017F;e be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ene Herr&#x017F;chaft jeden Augen-<lb/>
blick wiederrufen werden;</hi> folglich <hi rendition="#fr">nicht<lb/>
die ho&#x0364;ch&#x017F;te &#x017F;eyn (§. 981.), ob &#x017F;ie gleich<lb/>
unum&#x017F;chra&#x0364;nckt &#x017F;eyn kann.</hi></p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 984.</head><lb/>
                <note place="left">Von den<lb/>
Grund-<lb/>
ge&#x017F;etzen.</note>
                <p>Die Ge&#x017F;etze, an welche die Verwaltung<lb/>
der Herr&#x017F;chaft gebunden i&#x017F;t, werden <hi rendition="#fr">Grund-<lb/>
ge&#x017F;etze</hi> <hi rendition="#aq">(leges fundamentales)</hi> genannt. De-<lb/>
rowegen <hi rendition="#fr">i&#x017F;t die&#x017F;es auch ein Grundge&#x017F;e-<lb/>
tze, daß der Regente in gewi&#x017F;&#x017F;en An-<lb/>
gelegenheiten die Einwilligung des<lb/>
gantzen Volcks, oder gewi&#x017F;&#x017F;er Per&#x017F;o-<lb/>
nen no&#x0364;thig hat, wie auch dasjenige,<lb/>
worinnen man die Art und Wei&#x017F;e die<lb/>
Herr&#x017F;chaft einem aufzutragen fe&#x017F;t &#x017F;tel-<lb/>
let.</hi> Es erhellet au&#x017F;&#x017F;er dem, <hi rendition="#fr">daß der Re-<lb/>
gente eines Staats zu Beobachtung<lb/>
der Grundge&#x017F;etze verbunden i&#x017F;t, und<lb/>
die&#x017F;elbe nicht nach &#x017F;einem Gefallen a&#x0364;n-<lb/>
dern kann</hi> (§. 982.). Da aber <hi rendition="#fr">die Grund-<lb/>
ge&#x017F;etze von dem Volcke</hi> gemacht wer-<lb/>
den (§. 978.); <hi rendition="#fr">&#x017F;o ko&#x0364;nnen</hi> &#x017F;ie auch von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihm</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[704/0740] III. Th. 2. A. 1. H. Vom Urſpr. der Staaten ſchraͤnckt, in einem andern unum- ſchraͤnckt ſeyn. Wenn die Herrſchaft auf gewiſſe Zeit jemanden aufgetragen wird, iſt es eine nicht immer waͤhrende Herr- ſchaft (imperium temporarium); welche unumſchraͤnckt, und alſo die hoͤchſte ſeyn kann: wenn es unter der Bedingung geſchie- het, ſo lange als es dem Volcke gefallen wird; ſo hat man ſie nur bittweiſe (impe- rium precarium). Und alſo kann eine bitt- weiſe beſeſſene Herrſchaft jeden Augen- blick wiederrufen werden; folglich nicht die hoͤchſte ſeyn (§. 981.), ob ſie gleich unumſchraͤnckt ſeyn kann. §. 984. Die Geſetze, an welche die Verwaltung der Herrſchaft gebunden iſt, werden Grund- geſetze (leges fundamentales) genannt. De- rowegen iſt dieſes auch ein Grundgeſe- tze, daß der Regente in gewiſſen An- gelegenheiten die Einwilligung des gantzen Volcks, oder gewiſſer Perſo- nen noͤthig hat, wie auch dasjenige, worinnen man die Art und Weiſe die Herrſchaft einem aufzutragen feſt ſtel- let. Es erhellet auſſer dem, daß der Re- gente eines Staats zu Beobachtung der Grundgeſetze verbunden iſt, und dieſelbe nicht nach ſeinem Gefallen aͤn- dern kann (§. 982.). Da aber die Grund- geſetze von dem Volcke gemacht wer- den (§. 978.); ſo koͤnnen ſie auch von ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/740
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 704. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/740>, abgerufen am 29.03.2024.