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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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III. Theil 2. Abth. 4. Hauptstück.
§. 1045.
Vom
Rechte
Gesetze
abzu-
schaffen
und zu
verän-
dern.

Ein Gesetz wird abgeschaft, wenn
kund gemacht wird, daß es die Unterthanen
nicht mehr verbinden soll. Weil die Ver-
bindlichkeit, welche ein menschliches Gesetz
hat, von dem Willen des Gesetzgebers abhan-
get (§. 39.); so kann ein Oberherr, wel-
cher ein Gesetz gegeben (§. 1042.), nach
seinem Gefallen es
auch wieder abschaf-
fen,
folglich gehört das Recht Gesetze
abzuschaffen unter die Majestätsrech-
te
(§. 1041.). Und weil Gesetze ändern eben
so viel ist als die alten aufheben, und andere
an deren Stelle bringen; so lieget in dem
Rechte Gesetze zu geben und abzuschaf-
fen
auch das Recht Gesetze zu ändern.
Hingegen weil die natürliche Verbindlichkeit,
welche von dem Naturgesetze entspringet (§.
39.), unveränderlich ist (§. 38.); so kön-
nen die Naturgesetze nicht abgeschaffet
werden.

§. 1046.
Von dem
Begün-
stigungs-
recht.

Die Begünstigung (dispensationem)
nennet man eine in einem besondern Falle
gegönnete Erlaubniß zu einer im Gesetz ver-
bothenen Handlung. Daher weil begünstigen
so viel ist als ein Gesetz in einem besondern
Falle aufheben, oder iemand von der Ver-
bindlichkeit dazu befreyen; so kann ein O-
berherr bey den Gesetzen begünstigen,

und folglich gehöret das Recht zu be-
günstigen unter die Majestätsrechte:

wel-
III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck.
§. 1045.
Vom
Rechte
Geſetze
abzu-
ſchaffen
und zu
veraͤn-
dern.

Ein Geſetz wird abgeſchaft, wenn
kund gemacht wird, daß es die Unterthanen
nicht mehr verbinden ſoll. Weil die Ver-
bindlichkeit, welche ein menſchliches Geſetz
hat, von dem Willen des Geſetzgebers abhan-
get (§. 39.); ſo kann ein Oberherr, wel-
cher ein Geſetz gegeben (§. 1042.), nach
ſeinem Gefallen es
auch wieder abſchaf-
fen,
folglich gehoͤrt das Recht Geſetze
abzuſchaffen unter die Majeſtaͤtsrech-
te
(§. 1041.). Und weil Geſetze aͤndern eben
ſo viel iſt als die alten aufheben, und andere
an deren Stelle bringen; ſo lieget in dem
Rechte Geſetze zu geben und abzuſchaf-
fen
auch das Recht Geſetze zu aͤndern.
Hingegen weil die natuͤrliche Verbindlichkeit,
welche von dem Naturgeſetze entſpringet (§.
39.), unveraͤnderlich iſt (§. 38.); ſo koͤn-
nen die Naturgeſetze nicht abgeſchaffet
werden.

§. 1046.
Von dem
Beguͤn-
ſtigungs-
recht.

Die Beguͤnſtigung (diſpenſationem)
nennet man eine in einem beſondern Falle
gegoͤnnete Erlaubniß zu einer im Geſetz ver-
bothenen Handlung. Daher weil beguͤnſtigen
ſo viel iſt als ein Geſetz in einem beſondern
Falle aufheben, oder iemand von der Ver-
bindlichkeit dazu befreyen; ſo kann ein O-
berherr bey den Geſetzen beguͤnſtigen,

und folglich gehoͤret das Recht zu be-
guͤnſtigen unter die Majeſtaͤtsrechte:

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[756/0792] III. Theil 2. Abth. 4. Hauptſtuͤck. §. 1045. Ein Geſetz wird abgeſchaft, wenn kund gemacht wird, daß es die Unterthanen nicht mehr verbinden ſoll. Weil die Ver- bindlichkeit, welche ein menſchliches Geſetz hat, von dem Willen des Geſetzgebers abhan- get (§. 39.); ſo kann ein Oberherr, wel- cher ein Geſetz gegeben (§. 1042.), nach ſeinem Gefallen es auch wieder abſchaf- fen, folglich gehoͤrt das Recht Geſetze abzuſchaffen unter die Majeſtaͤtsrech- te (§. 1041.). Und weil Geſetze aͤndern eben ſo viel iſt als die alten aufheben, und andere an deren Stelle bringen; ſo lieget in dem Rechte Geſetze zu geben und abzuſchaf- fen auch das Recht Geſetze zu aͤndern. Hingegen weil die natuͤrliche Verbindlichkeit, welche von dem Naturgeſetze entſpringet (§. 39.), unveraͤnderlich iſt (§. 38.); ſo koͤn- nen die Naturgeſetze nicht abgeſchaffet werden. §. 1046. Die Beguͤnſtigung (diſpenſationem) nennet man eine in einem beſondern Falle gegoͤnnete Erlaubniß zu einer im Geſetz ver- bothenen Handlung. Daher weil beguͤnſtigen ſo viel iſt als ein Geſetz in einem beſondern Falle aufheben, oder iemand von der Ver- bindlichkeit dazu befreyen; ſo kann ein O- berherr bey den Geſetzen beguͤnſtigen, und folglich gehoͤret das Recht zu be- guͤnſtigen unter die Majeſtaͤtsrechte: wel-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 756. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/792>, abgerufen am 29.03.2024.