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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl.
(§. 69.), welche in Ansehung der allgemeinen
Verbindlichkeiten und Rechte so lange beste-
het, als der Mensch ein Mensch ist, folglich
so lange er lebet. Wenn also auch Un-
gleichheiten unter den Menschen ein-
geführt werden;
denn daß dieses gesche-
hen könne, wird am gehörigen Ort bewiesen;
so bleibet man ihnen doch das schul-
dig, was ein Mensch dem andern zu
leisten schuldig ist,
oder die Liebes-
Dienste
(§. 61.).

§. 74.
Vom an-
gebohr-
neu
Rechte.

Das angebohrne Recht (jus connatum)
nennt man dasjenige, welches aus einer an-
gebohrnen Verbindlichkeit entstehet. Es ist
aber eine angebohrne Verbindlichkeit
(obligatio connata) diejenige, welche aus der
Natur und dem Wesen des Menschen noth-
wendig erfolget, und davon nicht getren-
net werden mag. Da nun diese wegen
der Unveränderlichkeit des Wesens und
der Natur unveränderlich ist, davon sie
gar nicht getrennet werden kann; so ist auch
das angebohrne Recht so genau mit
dem Menschen verbunden, daß es ihm
nicht genommen werden kann;
denn er
hat dasselbe um seiner Verbindlichkeit ein
Genüge zu leisten (§. 46.).

§. 75.
Vom
Range.

Der Rang (praecedentia) ist das Recht
des Vorzugs in der Ordnung, die von meh-
reren zugleich zu beobachten ist. Weil unter

Perso-

I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl.
(§. 69.), welche in Anſehung der allgemeinen
Verbindlichkeiten und Rechte ſo lange beſte-
het, als der Menſch ein Menſch iſt, folglich
ſo lange er lebet. Wenn alſo auch Un-
gleichheiten unter den Menſchen ein-
gefuͤhrt werden;
denn daß dieſes geſche-
hen koͤnne, wird am gehoͤrigen Ort bewieſen;
ſo bleibet man ihnen doch das ſchul-
dig, was ein Menſch dem andern zu
leiſten ſchuldig iſt,
oder die Liebes-
Dienſte
(§. 61.).

§. 74.
Vom an-
gebohr-
neu
Rechte.

Das angebohrne Recht (jus connatum)
nennt man dasjenige, welches aus einer an-
gebohrnen Verbindlichkeit entſtehet. Es iſt
aber eine angebohrne Verbindlichkeit
(obligatio connata) diejenige, welche aus der
Natur und dem Weſen des Menſchen noth-
wendig erfolget, und davon nicht getren-
net werden mag. Da nun dieſe wegen
der Unveraͤnderlichkeit des Weſens und
der Natur unveraͤnderlich iſt, davon ſie
gar nicht getrennet werden kann; ſo iſt auch
das angebohrne Recht ſo genau mit
dem Menſchen verbunden, daß es ihm
nicht genommen werden kann;
denn er
hat daſſelbe um ſeiner Verbindlichkeit ein
Genuͤge zu leiſten (§. 46.).

§. 75.
Vom
Range.

Der Rang (præcedentia) iſt das Recht
des Vorzugs in der Ordnung, die von meh-
reren zugleich zu beobachten iſt. Weil unter

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[46/0082] I. Th. 3. H. Von der allgem. Verbindl. (§. 69.), welche in Anſehung der allgemeinen Verbindlichkeiten und Rechte ſo lange beſte- het, als der Menſch ein Menſch iſt, folglich ſo lange er lebet. Wenn alſo auch Un- gleichheiten unter den Menſchen ein- gefuͤhrt werden; denn daß dieſes geſche- hen koͤnne, wird am gehoͤrigen Ort bewieſen; ſo bleibet man ihnen doch das ſchul- dig, was ein Menſch dem andern zu leiſten ſchuldig iſt, oder die Liebes- Dienſte (§. 61.). §. 74. Das angebohrne Recht (jus connatum) nennt man dasjenige, welches aus einer an- gebohrnen Verbindlichkeit entſtehet. Es iſt aber eine angebohrne Verbindlichkeit (obligatio connata) diejenige, welche aus der Natur und dem Weſen des Menſchen noth- wendig erfolget, und davon nicht getren- net werden mag. Da nun dieſe wegen der Unveraͤnderlichkeit des Weſens und der Natur unveraͤnderlich iſt, davon ſie gar nicht getrennet werden kann; ſo iſt auch das angebohrne Recht ſo genau mit dem Menſchen verbunden, daß es ihm nicht genommen werden kann; denn er hat daſſelbe um ſeiner Verbindlichkeit ein Genuͤge zu leiſten (§. 46.). §. 75. Der Rang (præcedentia) iſt das Recht des Vorzugs in der Ordnung, die von meh- reren zugleich zu beobachten iſt. Weil unter Perſo-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/82>, abgerufen am 25.04.2024.