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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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IV. Th. 3. Hauptst. Von den Pflichten
§. 1122.
Daß die
Religion
bey an-
dern Völ-
ckern
nicht mit
Gewalt
fortge-
pflantzet
werden
müsse.

Jndem dem Oberherrn auch ein Recht
über heilige Sachen zukommt (§. 1064.), und
ihm die Sorge oblieget, daß die Unterthanen
GOtt fürchten (§. 1024.); so kann kein
Volck das andere mit Gewalt nöthi-
gen seine Religion anzunehmen
(§.
1120.), folglich hat es auch kein Recht
der Religion halben sich ein andres
Volck zu unterwerffen,
ja dies ist auch
nicht verbunden Mißionarien,
das ist,
solche Personen, welche um eine andere Re-
ligion auszubreiten ankommen, zu dulden,
derowegen kann es auch dieselben, wenn
sie nach vorhergegangenem Befehl
nicht fort wollen, strafen.

§. 1123.
Ob die
Verschie-
denheit
der Reli-
gion den
Pflichten
der Völ-
cker unter
einander
im Wege
stehe.

Und weil die Pflichten des einen Volcks
gegen das andere die Einigkeit der Religion
nicht zum voraus setzen, sondern in der
menschlichen Natur gegründet sind (§. 39.);
so kann ein Volck dem andern die Lie-
bespflichten, so das eine dem andern
schuldig ist, wegen der Verschieden-
heit der Religion nicht versagen.
De-
rowegen kommt in der Leistung der
Liebespflichten die Verschiedenheit der
Religion nicht in Betrachtung.
Folg-
lich befreyet der Unterschied der Reli-
gion noch vielweniger von einer voll-

komme-
IV. Th. 3. Hauptſt. Von den Pflichten
§. 1122.
Daß die
Religion
bey an-
dern Voͤl-
ckern
nicht mit
Gewalt
fortge-
pflantzet
werden
muͤſſe.

Jndem dem Oberherrn auch ein Recht
uͤber heilige Sachen zukommt (§. 1064.), und
ihm die Sorge oblieget, daß die Unterthanen
GOtt fuͤrchten (§. 1024.); ſo kann kein
Volck das andere mit Gewalt noͤthi-
gen ſeine Religion anzunehmen
(§.
1120.), folglich hat es auch kein Recht
der Religion halben ſich ein andres
Volck zu unterwerffen,
ja dies iſt auch
nicht verbunden Mißionarien,
das iſt,
ſolche Perſonen, welche um eine andere Re-
ligion auszubreiten ankommen, zu dulden,
derowegen kann es auch dieſelben, wenn
ſie nach vorhergegangenem Befehl
nicht fort wollen, ſtrafen.

§. 1123.
Ob die
Verſchie-
denheit
der Reli-
gion den
Pflichten
der Voͤl-
cker unter
einander
im Wege
ſtehe.

Und weil die Pflichten des einen Volcks
gegen das andere die Einigkeit der Religion
nicht zum voraus ſetzen, ſondern in der
menſchlichen Natur gegruͤndet ſind (§. 39.);
ſo kann ein Volck dem andern die Lie-
bespflichten, ſo das eine dem andern
ſchuldig iſt, wegen der Verſchieden-
heit der Religion nicht verſagen.
De-
rowegen kommt in der Leiſtung der
Liebespflichten die Verſchiedenheit der
Religion nicht in Betrachtung.
Folg-
lich befreyet der Unterſchied der Reli-
gion noch vielweniger von einer voll-

komme-
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[818/0854] IV. Th. 3. Hauptſt. Von den Pflichten §. 1122. Jndem dem Oberherrn auch ein Recht uͤber heilige Sachen zukommt (§. 1064.), und ihm die Sorge oblieget, daß die Unterthanen GOtt fuͤrchten (§. 1024.); ſo kann kein Volck das andere mit Gewalt noͤthi- gen ſeine Religion anzunehmen (§. 1120.), folglich hat es auch kein Recht der Religion halben ſich ein andres Volck zu unterwerffen, ja dies iſt auch nicht verbunden Mißionarien, das iſt, ſolche Perſonen, welche um eine andere Re- ligion auszubreiten ankommen, zu dulden, derowegen kann es auch dieſelben, wenn ſie nach vorhergegangenem Befehl nicht fort wollen, ſtrafen. §. 1123. Und weil die Pflichten des einen Volcks gegen das andere die Einigkeit der Religion nicht zum voraus ſetzen, ſondern in der menſchlichen Natur gegruͤndet ſind (§. 39.); ſo kann ein Volck dem andern die Lie- bespflichten, ſo das eine dem andern ſchuldig iſt, wegen der Verſchieden- heit der Religion nicht verſagen. De- rowegen kommt in der Leiſtung der Liebespflichten die Verſchiedenheit der Religion nicht in Betrachtung. Folg- lich befreyet der Unterſchied der Reli- gion noch vielweniger von einer voll- komme-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 818. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/854>, abgerufen am 28.03.2024.