Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Theil 4. Hauptstück.
Erbschaft auszuschliessen (jus albinagii)
heißt, nach welchem die Ausländer des Rechts
in den Güthern eines verstorbenen Bürgers,
oder eines Fremden zu folgen beraubet, und
folglich nicht in einem Testament als Erben
eingesetzt, noch ihnen gewisse Vermächtnisse
hinterlassen werden können; so stimmet das-
selbe nicht nur mit dem Völckerrechte
in Absicht auf einen Fremden der in ei-
nem andern Gebiete gestorben ist, son-
dern auch,
weil dem Oberherrn nur allein
das vorzügliche Eigenthum über die Güther
der Bürger zukommt (§. 1065.), in Absicht
auf die Bürger, oder Unterthanen we-
nig überein.

§. 1139.
Von der
Besitz-
nehmung
und Ver-
jährung.

Weil die Besitznehmung (usucapio)
und die Verjährung (praescriptio) aus dem
Rechte der Natur zu erkennen sind (§. 436.);
so haben sie auch unter den Völckern
statt
(§. 1088.). Weil doch aber unter
den Völckern mehrere Ursachen vorfallen,
warum man schweigen muß, ob ein Volck
schon weiß, daß ihm ein anderer das seinige
ungerechter Weise vorenthalte; so wird un-
ter den Völckern wegen eines langwie-
rigen Stillschweigens eine Verlassung,

als welche zur Besitznehmung und der daraus
erfolgten Verjährung erfordert wird (§. 451.
452.), nicht so leicht vermuthet, als
unter Privatpersonen.
Und weil nicht
der, so eine Sache besitzet, sondern der, so

sie

IV. Theil 4. Hauptſtuͤck.
Erbſchaft auszuſchlieſſen (jus albinagii)
heißt, nach welchem die Auslaͤnder des Rechts
in den Guͤthern eines verſtorbenen Buͤrgers,
oder eines Fremden zu folgen beraubet, und
folglich nicht in einem Teſtament als Erben
eingeſetzt, noch ihnen gewiſſe Vermaͤchtniſſe
hinterlaſſen werden koͤnnen; ſo ſtimmet daſ-
ſelbe nicht nur mit dem Voͤlckerrechte
in Abſicht auf einen Fremden der in ei-
nem andern Gebiete geſtorben iſt, ſon-
dern auch,
weil dem Oberherrn nur allein
das vorzuͤgliche Eigenthum uͤber die Guͤther
der Buͤrger zukommt (§. 1065.), in Abſicht
auf die Buͤrger, oder Unterthanen we-
nig uͤberein.

§. 1139.
Von der
Beſitz-
nehmung
und Ver-
jaͤhrung.

Weil die Beſitznehmung (uſucapio)
und die Verjaͤhrung (præſcriptio) aus dem
Rechte der Natur zu erkennen ſind (§. 436.);
ſo haben ſie auch unter den Voͤlckern
ſtatt
(§. 1088.). Weil doch aber unter
den Voͤlckern mehrere Urſachen vorfallen,
warum man ſchweigen muß, ob ein Volck
ſchon weiß, daß ihm ein anderer das ſeinige
ungerechter Weiſe vorenthalte; ſo wird un-
ter den Voͤlckern wegen eines langwie-
rigen Stillſchweigens eine Verlaſſung,

als welche zur Beſitznehmung und der daraus
erfolgten Verjaͤhrung erfordert wird (§. 451.
452.), nicht ſo leicht vermuthet, als
unter Privatperſonen.
Und weil nicht
der, ſo eine Sache beſitzet, ſondern der, ſo

ſie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0866" n="830"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IV.</hi><hi rendition="#b">Theil 4. Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Erb&#x017F;chaft auszu&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en</hi><hi rendition="#aq">(jus albinagii)</hi><lb/>
heißt, nach welchem die Ausla&#x0364;nder des Rechts<lb/>
in den Gu&#x0364;thern eines ver&#x017F;torbenen Bu&#x0364;rgers,<lb/>
oder eines Fremden zu folgen beraubet, und<lb/>
folglich nicht in einem Te&#x017F;tament als Erben<lb/>
einge&#x017F;etzt, noch ihnen gewi&#x017F;&#x017F;e Verma&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
hinterla&#x017F;&#x017F;en werden ko&#x0364;nnen; <hi rendition="#fr">&#x017F;o &#x017F;timmet da&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elbe nicht nur mit dem Vo&#x0364;lckerrechte<lb/>
in Ab&#x017F;icht auf einen Fremden der in ei-<lb/>
nem andern Gebiete ge&#x017F;torben i&#x017F;t, &#x017F;on-<lb/>
dern auch,</hi> weil dem Oberherrn nur allein<lb/>
das vorzu&#x0364;gliche Eigenthum u&#x0364;ber die Gu&#x0364;ther<lb/>
der Bu&#x0364;rger zukommt (§. 1065.), <hi rendition="#fr">in Ab&#x017F;icht<lb/>
auf die Bu&#x0364;rger, oder Unterthanen we-<lb/>
nig u&#x0364;berein.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 1139.</head><lb/>
              <note place="left">Von der<lb/>
Be&#x017F;itz-<lb/>
nehmung<lb/>
und Ver-<lb/>
ja&#x0364;hrung.</note>
              <p>Weil die <hi rendition="#fr">Be&#x017F;itznehmung</hi> <hi rendition="#aq">(u&#x017F;ucapio)</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">die Verja&#x0364;hrung</hi> <hi rendition="#aq">(præ&#x017F;criptio)</hi> aus dem<lb/>
Rechte der Natur zu erkennen &#x017F;ind (§. 436.);<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;o haben &#x017F;ie</hi> auch <hi rendition="#fr">unter den Vo&#x0364;lckern<lb/>
&#x017F;tatt</hi> (§. 1088.). Weil doch aber unter<lb/>
den Vo&#x0364;lckern mehrere Ur&#x017F;achen vorfallen,<lb/>
warum man &#x017F;chweigen muß, ob ein Volck<lb/>
&#x017F;chon weiß, daß ihm ein anderer das &#x017F;einige<lb/>
ungerechter Wei&#x017F;e vorenthalte; <hi rendition="#fr">&#x017F;o wird un-<lb/>
ter den Vo&#x0364;lckern wegen eines langwie-<lb/>
rigen Still&#x017F;chweigens eine Verla&#x017F;&#x017F;ung,</hi><lb/>
als welche zur Be&#x017F;itznehmung und der daraus<lb/>
erfolgten Verja&#x0364;hrung erfordert wird (§. 451.<lb/>
452.), <hi rendition="#fr">nicht &#x017F;o leicht vermuthet, als<lb/>
unter Privatper&#x017F;onen.</hi> Und weil nicht<lb/>
der, &#x017F;o eine Sache be&#x017F;itzet, &#x017F;ondern der, &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ie</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[830/0866] IV. Theil 4. Hauptſtuͤck. Erbſchaft auszuſchlieſſen (jus albinagii) heißt, nach welchem die Auslaͤnder des Rechts in den Guͤthern eines verſtorbenen Buͤrgers, oder eines Fremden zu folgen beraubet, und folglich nicht in einem Teſtament als Erben eingeſetzt, noch ihnen gewiſſe Vermaͤchtniſſe hinterlaſſen werden koͤnnen; ſo ſtimmet daſ- ſelbe nicht nur mit dem Voͤlckerrechte in Abſicht auf einen Fremden der in ei- nem andern Gebiete geſtorben iſt, ſon- dern auch, weil dem Oberherrn nur allein das vorzuͤgliche Eigenthum uͤber die Guͤther der Buͤrger zukommt (§. 1065.), in Abſicht auf die Buͤrger, oder Unterthanen we- nig uͤberein. §. 1139. Weil die Beſitznehmung (uſucapio) und die Verjaͤhrung (præſcriptio) aus dem Rechte der Natur zu erkennen ſind (§. 436.); ſo haben ſie auch unter den Voͤlckern ſtatt (§. 1088.). Weil doch aber unter den Voͤlckern mehrere Urſachen vorfallen, warum man ſchweigen muß, ob ein Volck ſchon weiß, daß ihm ein anderer das ſeinige ungerechter Weiſe vorenthalte; ſo wird un- ter den Voͤlckern wegen eines langwie- rigen Stillſchweigens eine Verlaſſung, als welche zur Beſitznehmung und der daraus erfolgten Verjaͤhrung erfordert wird (§. 451. 452.), nicht ſo leicht vermuthet, als unter Privatperſonen. Und weil nicht der, ſo eine Sache beſitzet, ſondern der, ſo ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/866
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 830. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/866>, abgerufen am 29.03.2024.