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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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IV. Theil 7. Hauptstück.
theidigung eröfnet, ein Gegenmanifest
(antimanifestum) genennet wird. Derowe-
gen weil niemand das Ansehen haben will,
als wenn er einen unrechtmäßigen Krieg füh-
re; so müssen in einem Manifest die
rechtmäßigen Ursachen angeführet,
diese aber in dem Gegenmanifest wi-
derleget werden
(§. 1171.). Und indem
ein Oberherr seinen Unterthanen befehlen
kann; so muß alles, was währendes
Krieges von ihnen geschehen, oder
nicht geschehen soll (§. 1043.), wie
dem Manifest, also auch dem Gegen-
manifest einverleibet werden.
Dieweil
die Erklärung der rechtmäßigen Gründe nur
die Erzählung des geschehenen, und die An-
wendung des Natur- und Völckerrechts auf
dasselbe; hingegen aber die Widerlegung der
Gründe den Erweis der Unrichtigkeit dessen,
was geschehen seyn soll, oder der unrecht an-
gebrachten Anwendung des Rechts erfordert:
so muß man sich aller Worte und Re-
densarten, so einen Haß und Rachbe-
gierde verrathen, enthalten.

§. 1188.
Von der
Liebe der
Feinde.

Da ein Volck auch ein feindseliges (ini-
micam)
Volck lieben, und ihm wie sich selbst
Liebe erzeigen soll (§. 1109.), und von dieser
Verbindlichkeit nicht frey gemacht werden
kann (§. 42.); so muß auch ein Feind sei-
nen Feind
(hostis hostem) lieben, und

ihm

IV. Theil 7. Hauptſtuͤck.
theidigung eroͤfnet, ein Gegenmanifeſt
(antimanifeſtum) genennet wird. Derowe-
gen weil niemand das Anſehen haben will,
als wenn er einen unrechtmaͤßigen Krieg fuͤh-
re; ſo muͤſſen in einem Manifeſt die
rechtmaͤßigen Urſachen angefuͤhret,
dieſe aber in dem Gegenmanifeſt wi-
derleget werden
(§. 1171.). Und indem
ein Oberherr ſeinen Unterthanen befehlen
kann; ſo muß alles, was waͤhrendes
Krieges von ihnen geſchehen, oder
nicht geſchehen ſoll (§. 1043.), wie
dem Manifeſt, alſo auch dem Gegen-
manifeſt einverleibet werden.
Dieweil
die Erklaͤrung der rechtmaͤßigen Gruͤnde nur
die Erzaͤhlung des geſchehenen, und die An-
wendung des Natur- und Voͤlckerrechts auf
daſſelbe; hingegen aber die Widerlegung der
Gruͤnde den Erweis der Unrichtigkeit deſſen,
was geſchehen ſeyn ſoll, oder der unrecht an-
gebrachten Anwendung des Rechts erfordert:
ſo muß man ſich aller Worte und Re-
densarten, ſo einen Haß und Rachbe-
gierde verrathen, enthalten.

§. 1188.
Von der
Liebe der
Feinde.

Da ein Volck auch ein feindſeliges (ini-
micam)
Volck lieben, und ihm wie ſich ſelbſt
Liebe erzeigen ſoll (§. 1109.), und von dieſer
Verbindlichkeit nicht frey gemacht werden
kann (§. 42.); ſo muß auch ein Feind ſei-
nen Feind
(hoſtis hoſtem) lieben, und

ihm
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[872/0908] IV. Theil 7. Hauptſtuͤck. theidigung eroͤfnet, ein Gegenmanifeſt (antimanifeſtum) genennet wird. Derowe- gen weil niemand das Anſehen haben will, als wenn er einen unrechtmaͤßigen Krieg fuͤh- re; ſo muͤſſen in einem Manifeſt die rechtmaͤßigen Urſachen angefuͤhret, dieſe aber in dem Gegenmanifeſt wi- derleget werden (§. 1171.). Und indem ein Oberherr ſeinen Unterthanen befehlen kann; ſo muß alles, was waͤhrendes Krieges von ihnen geſchehen, oder nicht geſchehen ſoll (§. 1043.), wie dem Manifeſt, alſo auch dem Gegen- manifeſt einverleibet werden. Dieweil die Erklaͤrung der rechtmaͤßigen Gruͤnde nur die Erzaͤhlung des geſchehenen, und die An- wendung des Natur- und Voͤlckerrechts auf daſſelbe; hingegen aber die Widerlegung der Gruͤnde den Erweis der Unrichtigkeit deſſen, was geſchehen ſeyn ſoll, oder der unrecht an- gebrachten Anwendung des Rechts erfordert: ſo muß man ſich aller Worte und Re- densarten, ſo einen Haß und Rachbe- gierde verrathen, enthalten. §. 1188. Da ein Volck auch ein feindſeliges (ini- micam) Volck lieben, und ihm wie ſich ſelbſt Liebe erzeigen ſoll (§. 1109.), und von dieſer Verbindlichkeit nicht frey gemacht werden kann (§. 42.); ſo muß auch ein Feind ſei- nen Feind (hoſtis hoſtem) lieben, und ihm

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 872. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/908>, abgerufen am 28.03.2024.