Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

und dem allgem. Recht der Menschen.
erlaubt, demjenigen zu wiederstehen,wehren,
oder zu
verthei-
digen.

der es versucht (intentanti) uns zu be-
leidigen.
Da nun die Handlung, wodurch
man demjenigen wiederstehet, der es versucht,
oder unternimmet uns zu beleidigen, die Ge-
genwehre, oder die Vertheidigung
ist;
so hat der Mensch von Natur ein
Recht sich zu wehren,
oder zu verthei-
digen
(jus defensionis); folglich sind ihm
alle Handlungen erlaubt, ohne welchen
er die Beleidigung von sich nicht ab-
wenden kann
(§. 46.); und diese müs-
sen aus den vorkommenden Umständen
bestimt werden.

§. 91.

Auf gleiche Weise folgt, daß, weil wir nichtVon der
Verhü-
tung der
Beleidi-
gungen.

schuldig sind zu leiden, daß der andere uns
beleidige (§. 89.); so ist es uns erlaubt Be-
leidigungen zu verhüten
(laesiones prae-
cavere);
folglich andere zu verbinden,
daß sie uns nicht beleidigen.

§. 92.

Da wir einen andern nicht verbinden kön-
nen, etwas zu unterlassen, wenn wir nicht mitWie wir
sie ver-
hüten.

der Handlung einen Bewegungsgrund verbin-
den (§. 35.), der Bewegungsgrund zum Nicht-
wollen aber in der Vorstellung eines Uebels be-
stehet; so ist es erlaubt, denjenigen ein na-
türliches Uebel zuzufügen, welcher uns
in der That beleidiget hat (§. 91.), damit
er uns nicht selbst von neuem, oder ande-
re die seinen Exempel folgen, uns belei-

di-
D 5

und dem allgem. Recht der Menſchen.
erlaubt, demjenigen zu wiederſtehen,wehren,
oder zu
verthei-
digen.

der es verſucht (intentanti) uns zu be-
leidigen.
Da nun die Handlung, wodurch
man demjenigen wiederſtehet, der es verſucht,
oder unternimmet uns zu beleidigen, die Ge-
genwehre, oder die Vertheidigung
iſt;
ſo hat der Menſch von Natur ein
Recht ſich zu wehren,
oder zu verthei-
digen
(jus defenſionis); folglich ſind ihm
alle Handlungen erlaubt, ohne welchen
er die Beleidigung von ſich nicht ab-
wenden kann
(§. 46.); und dieſe muͤſ-
ſen aus den vorkommenden Umſtaͤnden
beſtimt werden.

§. 91.

Auf gleiche Weiſe folgt, daß, weil wir nichtVon der
Verhuͤ-
tung der
Beleidi-
gungen.

ſchuldig ſind zu leiden, daß der andere uns
beleidige (§. 89.); ſo iſt es uns erlaubt Be-
leidigungen zu verhuͤten
(læſiones præ-
cavere);
folglich andere zu verbinden,
daß ſie uns nicht beleidigen.

§. 92.

Da wir einen andern nicht verbinden koͤn-
nen, etwas zu unterlaſſen, wenn wir nicht mitWie wir
ſie ver-
huͤten.

der Handlung einen Bewegungsgrund verbin-
den (§. 35.), der Bewegungsgrund zum Nicht-
wollen aber in der Vorſtellung eines Uebels be-
ſtehet; ſo iſt es erlaubt, denjenigen ein na-
tuͤrliches Uebel zuzufuͤgen, welcher uns
in der That beleidiget hat (§. 91.), damit
er uns nicht ſelbſt von neuem, oder ande-
re die ſeinen Exempel folgen, uns belei-

di-
D 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0093" n="57"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und dem allgem. Recht der Men&#x017F;chen.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">erlaubt, demjenigen zu wieder&#x017F;tehen,</hi><note place="right">wehren,<lb/>
oder zu<lb/>
verthei-<lb/>
digen.</note><lb/><hi rendition="#fr">der es ver&#x017F;ucht</hi><hi rendition="#aq">(intentanti)</hi><hi rendition="#fr">uns zu be-<lb/>
leidigen.</hi> Da nun die Handlung, wodurch<lb/>
man demjenigen wieder&#x017F;tehet, der es ver&#x017F;ucht,<lb/>
oder unternimmet uns zu beleidigen, <hi rendition="#fr">die Ge-<lb/>
genwehre, oder die Vertheidigung</hi> i&#x017F;t;<lb/>
&#x017F;o <hi rendition="#fr">hat der Men&#x017F;ch von Natur ein<lb/>
Recht &#x017F;ich zu wehren,</hi> oder <hi rendition="#fr">zu verthei-<lb/>
digen</hi> <hi rendition="#aq">(jus defen&#x017F;ionis);</hi> folglich <hi rendition="#fr">&#x017F;ind ihm<lb/>
alle Handlungen erlaubt, ohne welchen<lb/>
er die Beleidigung von &#x017F;ich nicht ab-<lb/>
wenden kann</hi> (§. 46.); und <hi rendition="#fr">die&#x017F;e mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en aus den vorkommenden Um&#x017F;ta&#x0364;nden<lb/>
be&#x017F;timt werden.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 91.</head><lb/>
              <p>Auf gleiche Wei&#x017F;e folgt, daß, weil wir nicht<note place="right">Von der<lb/>
Verhu&#x0364;-<lb/>
tung der<lb/>
Beleidi-<lb/>
gungen.</note><lb/>
&#x017F;chuldig &#x017F;ind zu leiden, daß der andere uns<lb/>
beleidige (§. 89.); &#x017F;o <hi rendition="#fr">i&#x017F;t</hi> es uns <hi rendition="#fr">erlaubt Be-<lb/>
leidigungen zu verhu&#x0364;ten</hi> <hi rendition="#aq">(læ&#x017F;iones præ-<lb/>
cavere);</hi> folglich <hi rendition="#fr">andere zu verbinden,<lb/>
daß &#x017F;ie uns nicht beleidigen.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 92.</head><lb/>
              <p>Da wir einen andern nicht verbinden ko&#x0364;n-<lb/>
nen, etwas zu unterla&#x017F;&#x017F;en, wenn wir nicht mit<note place="right">Wie wir<lb/>
&#x017F;ie ver-<lb/>
hu&#x0364;ten.</note><lb/>
der Handlung einen Bewegungsgrund verbin-<lb/>
den (§. 35.), der Bewegungsgrund zum Nicht-<lb/>
wollen aber in der Vor&#x017F;tellung eines Uebels be-<lb/>
&#x017F;tehet; <hi rendition="#fr">&#x017F;o i&#x017F;t es erlaubt, denjenigen ein na-<lb/>
tu&#x0364;rliches Uebel zuzufu&#x0364;gen, welcher uns<lb/>
in der That beleidiget hat (§. 91.), damit<lb/>
er uns nicht &#x017F;elb&#x017F;t von neuem, oder ande-<lb/>
re die &#x017F;einen Exempel folgen, uns belei-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 5</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">di-</hi></fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0093] und dem allgem. Recht der Menſchen. erlaubt, demjenigen zu wiederſtehen, der es verſucht (intentanti) uns zu be- leidigen. Da nun die Handlung, wodurch man demjenigen wiederſtehet, der es verſucht, oder unternimmet uns zu beleidigen, die Ge- genwehre, oder die Vertheidigung iſt; ſo hat der Menſch von Natur ein Recht ſich zu wehren, oder zu verthei- digen (jus defenſionis); folglich ſind ihm alle Handlungen erlaubt, ohne welchen er die Beleidigung von ſich nicht ab- wenden kann (§. 46.); und dieſe muͤſ- ſen aus den vorkommenden Umſtaͤnden beſtimt werden. wehren, oder zu verthei- digen. §. 91. Auf gleiche Weiſe folgt, daß, weil wir nicht ſchuldig ſind zu leiden, daß der andere uns beleidige (§. 89.); ſo iſt es uns erlaubt Be- leidigungen zu verhuͤten (læſiones præ- cavere); folglich andere zu verbinden, daß ſie uns nicht beleidigen. Von der Verhuͤ- tung der Beleidi- gungen. §. 92. Da wir einen andern nicht verbinden koͤn- nen, etwas zu unterlaſſen, wenn wir nicht mit der Handlung einen Bewegungsgrund verbin- den (§. 35.), der Bewegungsgrund zum Nicht- wollen aber in der Vorſtellung eines Uebels be- ſtehet; ſo iſt es erlaubt, denjenigen ein na- tuͤrliches Uebel zuzufuͤgen, welcher uns in der That beleidiget hat (§. 91.), damit er uns nicht ſelbſt von neuem, oder ande- re die ſeinen Exempel folgen, uns belei- di- Wie wir ſie ver- huͤten. D 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/93
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/93>, abgerufen am 28.03.2024.