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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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II. Th. 6. H. Von der Eröfnung
nige auszuführen, was wir beschlossen haben;
so sollen wir es auch nicht thun. Denn
es ist sicherer sie nicht zu vertrauen, als zu
vertrauen, damit man nicht in Gefahr stehe,
sie möchten verrathen werden. Geheimnis-
se aber, die einem vertrauet sind, dör-
fen niemahls verrathen werden (§.
269.), besonders wenn wir uns ver-
bunden haben, sie nicht zu verrathen

(§. 97. 100.).

§. 359.
Von der
Sittlich-
keit der
Verstel-
lung, der
Verhe-
lung und
des Vor-
wandes.

Da wir durch verstellen und moralisch
falsch reden einerley intendiren, nämlich,
daß der andere von unsern Gedancken eine
entgegengesetzte Meinung fassen möge (§. 348.
349.); so ist auch, wenn die Unwahr-
heit erlaubt, oder unerlaubt ist, die
Verstellung erlaubt, oder unerlaubt.

Eben so, da durch die Verbergung unserer
Gedancken und die Verheelung einerley ge-
sucht wird, daß unsere Meinung einem an-
dern nicht bekannt werden solle (§. 349.); so
ist auch, wenn es erlaubt ist, seine Ge-
dancken zu verbergen, die Verheelung
erlaubt.
Weil nun der Vorwand eine Art
der Unwahrheit ist (§. 350.); so gilt von
der Sittlichkeit des Vorwands eben
dasjenige, was von der Sittlichkeit der
Unwahrheit erwiesen worden.

§. 360.
Von un-
nützen
Worten

Unnütze Worte (verba temeraria) sind
diejenigen, welche ohne eine Absicht gespro-

chen;

II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung
nige auszufuͤhren, was wir beſchloſſen haben;
ſo ſollen wir es auch nicht thun. Denn
es iſt ſicherer ſie nicht zu vertrauen, als zu
vertrauen, damit man nicht in Gefahr ſtehe,
ſie moͤchten verrathen werden. Geheimniſ-
ſe aber, die einem vertrauet ſind, doͤr-
fen niemahls verrathen werden (§.
269.), beſonders wenn wir uns ver-
bunden haben, ſie nicht zu verrathen

(§. 97. 100.).

§. 359.
Von der
Sittlich-
keit der
Verſtel-
lung, der
Verhe-
lung und
des Vor-
wandes.

Da wir durch verſtellen und moraliſch
falſch reden einerley intendiren, naͤmlich,
daß der andere von unſern Gedancken eine
entgegengeſetzte Meinung faſſen moͤge (§. 348.
349.); ſo iſt auch, wenn die Unwahr-
heit erlaubt, oder unerlaubt iſt, die
Verſtellung erlaubt, oder unerlaubt.

Eben ſo, da durch die Verbergung unſerer
Gedancken und die Verheelung einerley ge-
ſucht wird, daß unſere Meinung einem an-
dern nicht bekannt werden ſolle (§. 349.); ſo
iſt auch, wenn es erlaubt iſt, ſeine Ge-
dancken zu verbergen, die Verheelung
erlaubt.
Weil nun der Vorwand eine Art
der Unwahrheit iſt (§. 350.); ſo gilt von
der Sittlichkeit des Vorwands eben
dasjenige, was von der Sittlichkeit der
Unwahrheit erwieſen worden.

§. 360.
Von un-
nuͤtzen
Worten

Unnuͤtze Worte (verba temeraria) ſind
diejenigen, welche ohne eine Abſicht geſpro-

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[220/0256] II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung nige auszufuͤhren, was wir beſchloſſen haben; ſo ſollen wir es auch nicht thun. Denn es iſt ſicherer ſie nicht zu vertrauen, als zu vertrauen, damit man nicht in Gefahr ſtehe, ſie moͤchten verrathen werden. Geheimniſ- ſe aber, die einem vertrauet ſind, doͤr- fen niemahls verrathen werden (§. 269.), beſonders wenn wir uns ver- bunden haben, ſie nicht zu verrathen (§. 97. 100.). §. 359. Da wir durch verſtellen und moraliſch falſch reden einerley intendiren, naͤmlich, daß der andere von unſern Gedancken eine entgegengeſetzte Meinung faſſen moͤge (§. 348. 349.); ſo iſt auch, wenn die Unwahr- heit erlaubt, oder unerlaubt iſt, die Verſtellung erlaubt, oder unerlaubt. Eben ſo, da durch die Verbergung unſerer Gedancken und die Verheelung einerley ge- ſucht wird, daß unſere Meinung einem an- dern nicht bekannt werden ſolle (§. 349.); ſo iſt auch, wenn es erlaubt iſt, ſeine Ge- dancken zu verbergen, die Verheelung erlaubt. Weil nun der Vorwand eine Art der Unwahrheit iſt (§. 350.); ſo gilt von der Sittlichkeit des Vorwands eben dasjenige, was von der Sittlichkeit der Unwahrheit erwieſen worden. §. 360. Unnuͤtze Worte (verba temeraria) ſind diejenigen, welche ohne eine Abſicht geſpro- chen;

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/256>, abgerufen am 28.03.2024.