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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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I. Th. 1. H. Vom Unterschied menschl. Handl.
derstehens eine privative, (verneinende),
gezwungene Handlung
(actio priva-
tiva coacta)
. Weil eine gezwungene
Handlung
keine freye Handlung ist; so
kann sie niemanden, als dem, der sie er-
zwinget, zugerechnet werden: Wenn
man sie aber nachher billiget; so
wird die Billigung zugerechnet.

§. 5.
Eine
Hand-
lung wie-
der Wil-
len, mit
Willen,
oder
freywil-
lige.

Von einer gezwungenen Handlung ist
diejenige unterschieden, welche man eine
Handlung wieder Willen nennet (actio-
nem invitam),
wenn jemand das thut, was
er lieber unterlassen, und das unterläßt, was
er gern thun wolte, wenn er nur ein Uebel,
welches aus der entgegen gesetzten Hand-
lung entstehet, vermeiden könte. Dieser
wird die freywillige Handlung mit Wil-
len
(actio voluntaria) entgegen gesetzet,
welche weder gezwungen ist, noch wieder
den freyen Willen desjenigen, der handelt,
ausgeübet wird. Eine Handlung wie-
der Willen wird
also vollbracht, wenn
jemand entweder durch Furcht, oder
Gewalt von einem andern bewogen
wird, etwas zu thun, oder zu unter-
laßen. Eine Handlung wieder sei-
nen Willen wird
dennoch zugerechnet,
obgleich weniger, als eine freywillige
Handlung
(§. 3.); weil derjenige, der

nicht

I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl.
derſtehens eine privative, (verneinende),
gezwungene Handlung
(actio priva-
tiva coacta)
. Weil eine gezwungene
Handlung
keine freye Handlung iſt; ſo
kann ſie niemanden, als dem, der ſie er-
zwinget, zugerechnet werden: Wenn
man ſie aber nachher billiget; ſo
wird die Billigung zugerechnet.

§. 5.
Eine
Hand-
lung wie-
der Wil-
len, mit
Willen,
oder
freywil-
lige.

Von einer gezwungenen Handlung iſt
diejenige unterſchieden, welche man eine
Handlung wieder Willen nennet (actio-
nem invitam),
wenn jemand das thut, was
er lieber unterlaſſen, und das unterlaͤßt, was
er gern thun wolte, wenn er nur ein Uebel,
welches aus der entgegen geſetzten Hand-
lung entſtehet, vermeiden koͤnte. Dieſer
wird die freywillige Handlung mit Wil-
len
(actio voluntaria) entgegen geſetzet,
welche weder gezwungen iſt, noch wieder
den freyen Willen desjenigen, der handelt,
ausgeuͤbet wird. Eine Handlung wie-
der Willen wird
alſo vollbracht, wenn
jemand entweder durch Furcht, oder
Gewalt von einem andern bewogen
wird, etwas zu thun, oder zu unter-
laßen. Eine Handlung wieder ſei-
nen Willen wird
dennoch zugerechnet,
obgleich weniger, als eine freywillige
Handlung
(§. 3.); weil derjenige, der

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[4/0040] I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl. derſtehens eine privative, (verneinende), gezwungene Handlung (actio priva- tiva coacta). Weil eine gezwungene Handlung keine freye Handlung iſt; ſo kann ſie niemanden, als dem, der ſie er- zwinget, zugerechnet werden: Wenn man ſie aber nachher billiget; ſo wird die Billigung zugerechnet. §. 5. Von einer gezwungenen Handlung iſt diejenige unterſchieden, welche man eine Handlung wieder Willen nennet (actio- nem invitam), wenn jemand das thut, was er lieber unterlaſſen, und das unterlaͤßt, was er gern thun wolte, wenn er nur ein Uebel, welches aus der entgegen geſetzten Hand- lung entſtehet, vermeiden koͤnte. Dieſer wird die freywillige Handlung mit Wil- len (actio voluntaria) entgegen geſetzet, welche weder gezwungen iſt, noch wieder den freyen Willen desjenigen, der handelt, ausgeuͤbet wird. Eine Handlung wie- der Willen wird alſo vollbracht, wenn jemand entweder durch Furcht, oder Gewalt von einem andern bewogen wird, etwas zu thun, oder zu unter- laßen. Eine Handlung wieder ſei- nen Willen wird dennoch zugerechnet, obgleich weniger, als eine freywillige Handlung (§. 3.); weil derjenige, der nicht

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/40>, abgerufen am 28.03.2024.