Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Theil 1. Abth. 2. Hauptstück.
gatten die Ehe getrennet wird; so kann
ein Wittwer, oder eine Wittwe wieder
heyrathen;
folglich ist die andere Ehe
(polygamia successiva) erlaubt. Man
nennt aber die Trennung der Ehe die Ehe-
scheidung
(divortium); wenn aber die
Verlöbniß wieder zurücke gehet, im Lateinischen
repudium. Weil aber der Ehegatte, der im
Leben bleibt, von der Verbindlichkeit die Kin-
der erster Ehe zu erziehen nicht befreyet wer-
den kann (§. 38.); so muß, wenn man
zur andern Ehe schreitet, der neue
Ehegatte für die Kinder erster Ehe
sorgen, und wenn sie nicht eigenes
Vermögen haben, die Auferziehungs-
kosten von dem seinigen geben;
indem
unter keiner andern Bedingung, als dieser, die
Ehe getroffen werden kann.

§. 872.
Daß
man das
Kind vor
seines zu
erkennen
hat.

Es erhellet vor sich, daß die Mutter ge-
wiß weiß, das Kind sey von ihr geboh-
ren.
Man sagt: Der Vater erkenne es
vor das seine
(prolem agnoscere), wenn
er entweder mit ausdrücklichen Worten, oder
mit der That erklärt, daß es von ihm erzeu-
get sey; und er ist schuldig es vor sein
Kind zu erkennen, so lange als er nicht
beweisen kann, daß es im Ehebruch
erzeuget worden.
Auf gleiche Weise
muß, wer mit einer Weibsperson zu
thun gehabt, wenn er gestehet, daß
es zu der Zeit geschehen, da man ver-

muthen

III. Theil 1. Abth. 2. Hauptſtuͤck.
gatten die Ehe getrennet wird; ſo kann
ein Wittwer, oder eine Wittwe wieder
heyrathen;
folglich iſt die andere Ehe
(polygamia ſucceſſiva) erlaubt. Man
nennt aber die Trennung der Ehe die Ehe-
ſcheidung
(divortium); wenn aber die
Verloͤbniß wieder zuruͤcke gehet, im Lateiniſchen
repudium. Weil aber der Ehegatte, der im
Leben bleibt, von der Verbindlichkeit die Kin-
der erſter Ehe zu erziehen nicht befreyet wer-
den kann (§. 38.); ſo muß, wenn man
zur andern Ehe ſchreitet, der neue
Ehegatte fuͤr die Kinder erſter Ehe
ſorgen, und wenn ſie nicht eigenes
Vermoͤgen haben, die Auferziehungs-
koſten von dem ſeinigen geben;
indem
unter keiner andern Bedingung, als dieſer, die
Ehe getroffen werden kann.

§. 872.
Daß
man das
Kind vor
ſeines zu
erkennen
hat.

Es erhellet vor ſich, daß die Mutter ge-
wiß weiß, das Kind ſey von ihr geboh-
ren.
Man ſagt: Der Vater erkenne es
vor das ſeine
(prolem agnoſcere), wenn
er entweder mit ausdruͤcklichen Worten, oder
mit der That erklaͤrt, daß es von ihm erzeu-
get ſey; und er iſt ſchuldig es vor ſein
Kind zu erkennen, ſo lange als er nicht
beweiſen kann, daß es im Ehebruch
erzeuget worden.
Auf gleiche Weiſe
muß, wer mit einer Weibsperſon zu
thun gehabt, wenn er geſtehet, daß
es zu der Zeit geſchehen, da man ver-

muthen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0676" n="640"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#b">Theil 1. Abth. 2. Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">gatten die Ehe getrennet wird; &#x017F;o kann<lb/>
ein Wittwer, oder eine Wittwe wieder<lb/>
heyrathen;</hi> folglich <hi rendition="#fr">i&#x017F;t die andere Ehe</hi><lb/><hi rendition="#aq">(polygamia &#x017F;ucce&#x017F;&#x017F;iva)</hi> <hi rendition="#fr">erlaubt.</hi> Man<lb/>
nennt aber die Trennung der Ehe die <hi rendition="#fr">Ehe-<lb/>
&#x017F;cheidung</hi> <hi rendition="#aq">(divortium);</hi> wenn aber die<lb/>
Verlo&#x0364;bniß wieder zuru&#x0364;cke gehet, im Lateini&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#aq">repudium.</hi> Weil aber der Ehegatte, der im<lb/>
Leben bleibt, von der Verbindlichkeit die Kin-<lb/>
der er&#x017F;ter Ehe zu erziehen nicht befreyet wer-<lb/>
den kann (§. 38.); <hi rendition="#fr">&#x017F;o muß, wenn man<lb/>
zur andern Ehe &#x017F;chreitet, der neue<lb/>
Ehegatte fu&#x0364;r die Kinder er&#x017F;ter Ehe<lb/>
&#x017F;orgen, und wenn &#x017F;ie nicht eigenes<lb/>
Vermo&#x0364;gen haben, die Auferziehungs-<lb/>
ko&#x017F;ten von dem &#x017F;einigen geben;</hi> indem<lb/>
unter keiner andern Bedingung, als die&#x017F;er, die<lb/>
Ehe getroffen werden kann.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 872.</head><lb/>
                <note place="left">Daß<lb/>
man das<lb/>
Kind vor<lb/>
&#x017F;eines zu<lb/>
erkennen<lb/>
hat.</note>
                <p>Es erhellet vor &#x017F;ich, <hi rendition="#fr">daß die Mutter ge-<lb/>
wiß weiß, das Kind &#x017F;ey von ihr geboh-<lb/>
ren.</hi> Man &#x017F;agt: <hi rendition="#fr">Der Vater erkenne es<lb/>
vor das &#x017F;eine</hi> <hi rendition="#aq">(prolem agno&#x017F;cere),</hi> wenn<lb/>
er entweder mit ausdru&#x0364;cklichen Worten, oder<lb/>
mit der That erkla&#x0364;rt, daß es von ihm erzeu-<lb/>
get &#x017F;ey; <hi rendition="#fr">und er i&#x017F;t &#x017F;chuldig es vor &#x017F;ein<lb/>
Kind zu erkennen, &#x017F;o lange als er nicht<lb/>
bewei&#x017F;en kann, daß es im Ehebruch<lb/>
erzeuget worden.</hi> Auf gleiche Wei&#x017F;e<lb/><hi rendition="#fr">muß, wer mit einer Weibsper&#x017F;on zu<lb/>
thun gehabt, wenn er ge&#x017F;tehet, daß<lb/>
es zu der Zeit ge&#x017F;chehen, da man ver-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">muthen</hi></fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[640/0676] III. Theil 1. Abth. 2. Hauptſtuͤck. gatten die Ehe getrennet wird; ſo kann ein Wittwer, oder eine Wittwe wieder heyrathen; folglich iſt die andere Ehe (polygamia ſucceſſiva) erlaubt. Man nennt aber die Trennung der Ehe die Ehe- ſcheidung (divortium); wenn aber die Verloͤbniß wieder zuruͤcke gehet, im Lateiniſchen repudium. Weil aber der Ehegatte, der im Leben bleibt, von der Verbindlichkeit die Kin- der erſter Ehe zu erziehen nicht befreyet wer- den kann (§. 38.); ſo muß, wenn man zur andern Ehe ſchreitet, der neue Ehegatte fuͤr die Kinder erſter Ehe ſorgen, und wenn ſie nicht eigenes Vermoͤgen haben, die Auferziehungs- koſten von dem ſeinigen geben; indem unter keiner andern Bedingung, als dieſer, die Ehe getroffen werden kann. §. 872. Es erhellet vor ſich, daß die Mutter ge- wiß weiß, das Kind ſey von ihr geboh- ren. Man ſagt: Der Vater erkenne es vor das ſeine (prolem agnoſcere), wenn er entweder mit ausdruͤcklichen Worten, oder mit der That erklaͤrt, daß es von ihm erzeu- get ſey; und er iſt ſchuldig es vor ſein Kind zu erkennen, ſo lange als er nicht beweiſen kann, daß es im Ehebruch erzeuget worden. Auf gleiche Weiſe muß, wer mit einer Weibsperſon zu thun gehabt, wenn er geſtehet, daß es zu der Zeit geſchehen, da man ver- muthen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/676
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 640. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/676>, abgerufen am 28.03.2024.