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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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III. Theil 1. Abth. 4. Hauptstück.
der Vor-
münder.
der die Stelle eines andern vertritt; so sind
die Vormünder in der Erziehung der
Wäisen Vicarii der verstorbenen El-
tern;
folglich müssen sie eben das, was
die Eltern zu thun schuldig sind, in
der Erziehung der Kinder besorgen,
nur daß sie nicht ihre eigene Kosten
drauf wenden dörfen;
indem kein Grund
vorhanden, warum einer fremde Kinder auf
seine Kosten erziehen soll. Nämlich wenn
die Wäisen eigenes Vermögen haben;
so ists nicht nöthig, daß sie auf fremde
Kosten erzogen werden;
indem man ei-
nem andern nicht leisten darf, was er selbst
in seiner Gewalt hat (§. 133.). Wenn sie
aber kein Vermögen haben,
weil sie als-
dann Bettlern gleich zu achten (§. 487.); so
müssen die Vormünder davor sorgen
daß sie Allmosen bekommen
(§. 488.
491.). Man muß aber von einander unter-
scheiden, was Vormünder und Voreltern zu
thun schuldig sind (§. 897.).

§. 900.
Von dem
Unter-
scheide
der Vor-
münder.

Da es nichts widersprechendes ist, daß ei-
nem Vormunde bloß die Auferziehung, einem
andern die Verwaltung des Vermögens auf-
getragen wird; damit man einen nicht zu viel
beschweret; ja auch zu dem Ende, daß Wäi-
sen besser gerathen ist, einem besonders die
Aufsicht über die Vormundschaft anvertrauet
wird; so sind einige Vormünder zu der
Erziehung
(educatores); andere zur Ver-

waltung

III. Theil 1. Abth. 4. Hauptſtuͤck.
der Vor-
muͤnder.
der die Stelle eines andern vertritt; ſo ſind
die Vormuͤnder in der Erziehung der
Waͤiſen Vicarii der verſtorbenen El-
tern;
folglich muͤſſen ſie eben das, was
die Eltern zu thun ſchuldig ſind, in
der Erziehung der Kinder beſorgen,
nur daß ſie nicht ihre eigene Koſten
drauf wenden doͤrfen;
indem kein Grund
vorhanden, warum einer fremde Kinder auf
ſeine Koſten erziehen ſoll. Naͤmlich wenn
die Waͤiſen eigenes Vermoͤgen haben;
ſo iſts nicht noͤthig, daß ſie auf fremde
Koſten erzogen werden;
indem man ei-
nem andern nicht leiſten darf, was er ſelbſt
in ſeiner Gewalt hat (§. 133.). Wenn ſie
aber kein Vermoͤgen haben,
weil ſie als-
dann Bettlern gleich zu achten (§. 487.); ſo
muͤſſen die Vormuͤnder davor ſorgen
daß ſie Allmoſen bekommen
(§. 488.
491.). Man muß aber von einander unter-
ſcheiden, was Vormuͤnder und Voreltern zu
thun ſchuldig ſind (§. 897.).

§. 900.
Von dem
Unter-
ſcheide
der Vor-
muͤnder.

Da es nichts widerſprechendes iſt, daß ei-
nem Vormunde bloß die Auferziehung, einem
andern die Verwaltung des Vermoͤgens auf-
getragen wird; damit man einen nicht zu viel
beſchweret; ja auch zu dem Ende, daß Waͤi-
ſen beſſer gerathen iſt, einem beſonders die
Aufſicht uͤber die Vormundſchaft anvertrauet
wird; ſo ſind einige Vormuͤnder zu der
Erziehung
(educatores); andere zur Ver-

waltung
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[654/0690] III. Theil 1. Abth. 4. Hauptſtuͤck. der die Stelle eines andern vertritt; ſo ſind die Vormuͤnder in der Erziehung der Waͤiſen Vicarii der verſtorbenen El- tern; folglich muͤſſen ſie eben das, was die Eltern zu thun ſchuldig ſind, in der Erziehung der Kinder beſorgen, nur daß ſie nicht ihre eigene Koſten drauf wenden doͤrfen; indem kein Grund vorhanden, warum einer fremde Kinder auf ſeine Koſten erziehen ſoll. Naͤmlich wenn die Waͤiſen eigenes Vermoͤgen haben; ſo iſts nicht noͤthig, daß ſie auf fremde Koſten erzogen werden; indem man ei- nem andern nicht leiſten darf, was er ſelbſt in ſeiner Gewalt hat (§. 133.). Wenn ſie aber kein Vermoͤgen haben, weil ſie als- dann Bettlern gleich zu achten (§. 487.); ſo muͤſſen die Vormuͤnder davor ſorgen daß ſie Allmoſen bekommen (§. 488. 491.). Man muß aber von einander unter- ſcheiden, was Vormuͤnder und Voreltern zu thun ſchuldig ſind (§. 897.). der Vor- muͤnder. §. 900. Da es nichts widerſprechendes iſt, daß ei- nem Vormunde bloß die Auferziehung, einem andern die Verwaltung des Vermoͤgens auf- getragen wird; damit man einen nicht zu viel beſchweret; ja auch zu dem Ende, daß Waͤi- ſen beſſer gerathen iſt, einem beſonders die Aufſicht uͤber die Vormundſchaft anvertrauet wird; ſo ſind einige Vormuͤnder zu der Erziehung (educatores); andere zur Ver- waltung

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/690>, abgerufen am 29.03.2024.