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Wülfer, Daniel: Das vertheidigte Gottes-geschick/ und vernichtete Heyden-Glück. Nürnberg, 1656.

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Das Vierte Capitel.
Der langes Leben wünscht/ muß vor dem Alter
sterben.
Was der und der verlangt/ pflegt selten zu-
geschehen.
Als ich so lag und dacht'/ entschlieff ich nach Ver-
langen:
Mein Denken doch mit mir nit eingeschlaffen
war.
Jch sahe Himmel-ab aus einer Wolke hangen
(im Traume stellte sich mir diß Gesichte dar)
ich sahe eine Wag/ die alle Glückes-Haabe/
Kunst/ Hoheit/ Ehr und Geld/ in einer Schale
trug;
das Zünglein sich verglich mit einem Zepterstabe:
ein Aug stund unten an/ erwoge/ was er wug:
Zur Rechten/ ein Gewicht lag in der andren
Schalen/
auf welcher: Gottes Will: diß Wort ge-
schrieben stund.
Jn dem warf in mein Bett' Aurora ihre Strahlen:
Nacht/ Schlaff/ und Traumgesicht zugleich vor
mir verschwund.
Mich lehrte dieser Traum/ daß Alles man em-
pfange
Von Gott/ wie/ wann er will/ der alles lenkt
und siht.
Die kurtzen Federn ich verließ/ ergriff die Lange:
die mir das/ was ich dacht/ bracht in ein An-
dachtlied. +
Das
+ Sihe zu End deß Capitels.
Das Vierte Capitel.
Der langes Leben wuͤnſcht/ muß vor dem Alter
ſterben.
Was der und der verlangt/ pflegt ſelten zu-
geſchehen.
Als ich ſo lag und dacht’/ entſchlieff ich nach Ver-
langen:
Mein Denken doch mit mir nit eingeſchlaffen
war.
Jch ſahe Himmel-ab aus einer Wolke hangen
(im Traume ſtellte ſich mir diß Geſichte dar)
ich ſahe eine Wag/ die alle Glückes-Haabe/
Kunſt/ Hoheit/ Ehr und Geld/ in einer Schale
trug;
das Zuͤnglein ſich verglich mit einem Zepterſtabe:
ein Aug ſtund unten an/ erwoge/ was er wug:
Zur Rechten/ ein Gewicht lag in der andren
Schalen/
auf welcher: Gottes Will: diß Wort ge-
ſchrieben ſtund.
Jn dem warf in mein Bett’ Aurora ihre Strahlẽ:
Nacht/ Schlaff/ und Traumgeſicht zugleich vor
mir verſchwund.
Mich lehrte dieſer Traum/ daß Alles man em-
pfange
Von Gott/ wie/ wann er will/ der alles lenkt
und ſiht.
Die kurtzen Federn ich verließ/ ergriff die Lange:
die mir das/ was ich dacht/ bracht in ein An-
dachtlied.
Das
Sihe zu End deß Capitels.
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[63/0127] Das Vierte Capitel. Der langes Leben wuͤnſcht/ muß vor dem Alter ſterben. Was der und der verlangt/ pflegt ſelten zu- geſchehen. Als ich ſo lag und dacht’/ entſchlieff ich nach Ver- langen: Mein Denken doch mit mir nit eingeſchlaffen war. Jch ſahe Himmel-ab aus einer Wolke hangen (im Traume ſtellte ſich mir diß Geſichte dar) ich ſahe eine Wag/ die alle Glückes-Haabe/ Kunſt/ Hoheit/ Ehr und Geld/ in einer Schale trug; das Zuͤnglein ſich verglich mit einem Zepterſtabe: ein Aug ſtund unten an/ erwoge/ was er wug: Zur Rechten/ ein Gewicht lag in der andren Schalen/ auf welcher: Gottes Will: diß Wort ge- ſchrieben ſtund. Jn dem warf in mein Bett’ Aurora ihre Strahlẽ: Nacht/ Schlaff/ und Traumgeſicht zugleich vor mir verſchwund. Mich lehrte dieſer Traum/ daß Alles man em- pfange Von Gott/ wie/ wann er will/ der alles lenkt und ſiht. Die kurtzen Federn ich verließ/ ergriff die Lange: die mir das/ was ich dacht/ bracht in ein An- dachtlied. † Das † Sihe zu End deß Capitels.

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Zitationshilfe: Wülfer, Daniel: Das vertheidigte Gottes-geschick/ und vernichtete Heyden-Glück. Nürnberg, 1656, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wuelffer_gottesgeschick_1656/127>, abgerufen am 19.04.2024.