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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Interferenzerscheinungen im polarisirten Lichte.
brochen, denn an den Endpunkt s desselben können zwar unendlich viele tangirende
Ebenen gelegt werden, aber diese treffen sämmtlich die Wellenfläche in dem einen
Punkte s. Tritt nun aber der Strahl bei s aus dem Körper aus, so löst er sich in
ein conisches, innen hohles Lichtbündel auf, indem jeder tangirenden Ebene ein an-
derer von den unendlich vielen auf der Oberfläche des Kegels liegenden Strahlen ent-
spricht. Man bezeichnet diese Erscheinung als äussere conische Refraction.
Sowohl die innere wie die äussere conische Refraction ist von Hamilton aus der
Undulationstheorie vorausgesagt und dann von Lloyd am Aragonit experimentell
nachgewiesen worden.

Zweiundzwanzigstes Capitel.
Interferenzerscheinungen im polarisirten Lichte.

Die doppelbrechenden Körper finden eine sehr wichtige Anwen-225
Das Nicol'sche
Prisma.

dung als Hülfsmittel zur Entdeckung der Polarisation des Lichtes.
Vorzüglich dienen hierzu die einaxigen Krystalle oder Platten und
Prismen, die aus solchen Krystallen geschnitten sind. Da das pola-
risirte Licht für das Auge durchaus nicht von dem gewöhnlichen zu
unterscheiden ist, so bedürfen wir derartiger Hülfsmittel schon um
nachzuweisen, dass überhaupt Polarisation stattfindet; sie werden aber
ausserdem erfordert, um zu ermitteln, nach welcher Ebene in einem
bestimmten Fall das Licht polarisirt ist. In der That ist das ein-
fachste Hülfsmittel, welches wir von Anfang an zur Auffindung der
Polarisationserscheinungen benützten, der Turmalin, selbst ein doppel-
brechender Körper, der aber die Eigenschaft besitzt den ordentlich
gebrochenen Strahl vollständig zu absorbiren und nur den ausser-
ordentlich gebrochenen hindurchzulassen. Ebenso wie eine Turmalin-
platte kann man auch eine Kalkspathplatte zur Untersuchung des po-
larisirten Lichtes verwenden; es werden dann aber dadurch, dass der
Kalkspath die beiden Strahlen hindurchlässt, die Erscheinungen in
leicht zu übersehender Weise abgeändert. Lässt man auch hier das
Licht durch eine Krystallplatte treten, die durch einen Schnitt parallel
der Hauptaxe gewonnen wurde, so erhält ein dahinter befindliches
Auge im Allgemeinen zwei Bilder der Lichtquelle, deren eines vom
ordentlichen, das andere vom ausserordentlichen Strahl herrührt. Ist
aber das Licht bereits polarisirt, so verschwindet in einer bestimmten
Stellung der Platte das ordentliche und in einer andern darauf senk-
rechten Stellung das ausserordentliche Bild.

Für ein näheres Studium der Polarisationserscheinungen ist je-
doch das Auftreten zweier Bilder störend, und man hat daher nach
solchen Vorrichtungen gesucht, welche den Vortheil des Turmalins,
nur den einen der beiden Strahlen durchzulassen, mit dem Vortheil
der Farblosigkeit des Kalkspaths verbinden. Die gebräuchlichste
Vorrichtung dieser Art ist das Nicol'sche Prisma. Man gewinnt

Wundt, medicin. Physik. 22

Interferenzerscheinungen im polarisirten Lichte.
brochen, denn an den Endpunkt s desselben können zwar unendlich viele tangirende
Ebenen gelegt werden, aber diese treffen sämmtlich die Wellenfläche in dem einen
Punkte s. Tritt nun aber der Strahl bei s aus dem Körper aus, so löst er sich in
ein conisches, innen hohles Lichtbündel auf, indem jeder tangirenden Ebene ein an-
derer von den unendlich vielen auf der Oberfläche des Kegels liegenden Strahlen ent-
spricht. Man bezeichnet diese Erscheinung als äussere conische Refraction.
Sowohl die innere wie die äussere conische Refraction ist von Hamilton aus der
Undulationstheorie vorausgesagt und dann von Lloyd am Aragonit experimentell
nachgewiesen worden.

Zweiundzwanzigstes Capitel.
Interferenzerscheinungen im polarisirten Lichte.

Die doppelbrechenden Körper finden eine sehr wichtige Anwen-225
Das Nicol’sche
Prisma.

dung als Hülfsmittel zur Entdeckung der Polarisation des Lichtes.
Vorzüglich dienen hierzu die einaxigen Krystalle oder Platten und
Prismen, die aus solchen Krystallen geschnitten sind. Da das pola-
risirte Licht für das Auge durchaus nicht von dem gewöhnlichen zu
unterscheiden ist, so bedürfen wir derartiger Hülfsmittel schon um
nachzuweisen, dass überhaupt Polarisation stattfindet; sie werden aber
ausserdem erfordert, um zu ermitteln, nach welcher Ebene in einem
bestimmten Fall das Licht polarisirt ist. In der That ist das ein-
fachste Hülfsmittel, welches wir von Anfang an zur Auffindung der
Polarisationserscheinungen benützten, der Turmalin, selbst ein doppel-
brechender Körper, der aber die Eigenschaft besitzt den ordentlich
gebrochenen Strahl vollständig zu absorbiren und nur den ausser-
ordentlich gebrochenen hindurchzulassen. Ebenso wie eine Turmalin-
platte kann man auch eine Kalkspathplatte zur Untersuchung des po-
larisirten Lichtes verwenden; es werden dann aber dadurch, dass der
Kalkspath die beiden Strahlen hindurchlässt, die Erscheinungen in
leicht zu übersehender Weise abgeändert. Lässt man auch hier das
Licht durch eine Krystallplatte treten, die durch einen Schnitt parallel
der Hauptaxe gewonnen wurde, so erhält ein dahinter befindliches
Auge im Allgemeinen zwei Bilder der Lichtquelle, deren eines vom
ordentlichen, das andere vom ausserordentlichen Strahl herrührt. Ist
aber das Licht bereits polarisirt, so verschwindet in einer bestimmten
Stellung der Platte das ordentliche und in einer andern darauf senk-
rechten Stellung das ausserordentliche Bild.

Für ein näheres Studium der Polarisationserscheinungen ist je-
doch das Auftreten zweier Bilder störend, und man hat daher nach
solchen Vorrichtungen gesucht, welche den Vortheil des Turmalins,
nur den einen der beiden Strahlen durchzulassen, mit dem Vortheil
der Farblosigkeit des Kalkspaths verbinden. Die gebräuchlichste
Vorrichtung dieser Art ist das Nicol’sche Prisma. Man gewinnt

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[337/0359] Interferenzerscheinungen im polarisirten Lichte. brochen, denn an den Endpunkt s desselben können zwar unendlich viele tangirende Ebenen gelegt werden, aber diese treffen sämmtlich die Wellenfläche in dem einen Punkte s. Tritt nun aber der Strahl bei s aus dem Körper aus, so löst er sich in ein conisches, innen hohles Lichtbündel auf, indem jeder tangirenden Ebene ein an- derer von den unendlich vielen auf der Oberfläche des Kegels liegenden Strahlen ent- spricht. Man bezeichnet diese Erscheinung als äussere conische Refraction. Sowohl die innere wie die äussere conische Refraction ist von Hamilton aus der Undulationstheorie vorausgesagt und dann von Lloyd am Aragonit experimentell nachgewiesen worden. Zweiundzwanzigstes Capitel. Interferenzerscheinungen im polarisirten Lichte. Die doppelbrechenden Körper finden eine sehr wichtige Anwen- dung als Hülfsmittel zur Entdeckung der Polarisation des Lichtes. Vorzüglich dienen hierzu die einaxigen Krystalle oder Platten und Prismen, die aus solchen Krystallen geschnitten sind. Da das pola- risirte Licht für das Auge durchaus nicht von dem gewöhnlichen zu unterscheiden ist, so bedürfen wir derartiger Hülfsmittel schon um nachzuweisen, dass überhaupt Polarisation stattfindet; sie werden aber ausserdem erfordert, um zu ermitteln, nach welcher Ebene in einem bestimmten Fall das Licht polarisirt ist. In der That ist das ein- fachste Hülfsmittel, welches wir von Anfang an zur Auffindung der Polarisationserscheinungen benützten, der Turmalin, selbst ein doppel- brechender Körper, der aber die Eigenschaft besitzt den ordentlich gebrochenen Strahl vollständig zu absorbiren und nur den ausser- ordentlich gebrochenen hindurchzulassen. Ebenso wie eine Turmalin- platte kann man auch eine Kalkspathplatte zur Untersuchung des po- larisirten Lichtes verwenden; es werden dann aber dadurch, dass der Kalkspath die beiden Strahlen hindurchlässt, die Erscheinungen in leicht zu übersehender Weise abgeändert. Lässt man auch hier das Licht durch eine Krystallplatte treten, die durch einen Schnitt parallel der Hauptaxe gewonnen wurde, so erhält ein dahinter befindliches Auge im Allgemeinen zwei Bilder der Lichtquelle, deren eines vom ordentlichen, das andere vom ausserordentlichen Strahl herrührt. Ist aber das Licht bereits polarisirt, so verschwindet in einer bestimmten Stellung der Platte das ordentliche und in einer andern darauf senk- rechten Stellung das ausserordentliche Bild. 225 Das Nicol’sche Prisma. Für ein näheres Studium der Polarisationserscheinungen ist je- doch das Auftreten zweier Bilder störend, und man hat daher nach solchen Vorrichtungen gesucht, welche den Vortheil des Turmalins, nur den einen der beiden Strahlen durchzulassen, mit dem Vortheil der Farblosigkeit des Kalkspaths verbinden. Die gebräuchlichste Vorrichtung dieser Art ist das Nicol’sche Prisma. Man gewinnt Wundt, medicin. Physik. 22

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/359>, abgerufen am 19.04.2024.