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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Vorwort.


Die Physik bildet gegenwärtig nicht bloss die unerlässliche Vor-
aussetzung eines gründlicheren physiologischen Studiums, sondern
auch in der practischen Medicin hat sie bekanntlich eine Reihe der
fruchtbarsten Anwendungen gefunden und findet deren täglich noch
neue. Der ganze Apparat der physikalischen Diagnostik und Therapie,
dessen Schöpfung fast völlig das Werk der lebenden Generation ist,
beruht theils auf der Deutung physikalischer Erscheinungen, theils auf
der Benützung physikalischer Hülfsmittel. Diesem Umschwung ver-
dankt die medicinische Physik als ein neuer Zweig der ange-
wandten Naturlehre ihre Entstehung.

Bei der Darstellung dieser Wissenschaft sind zwei Wege mög-
lich. Entweder kann man die allgemeine Physik als bekannt voraus-
setzen und bloss sich mit den Anwendungen der physikalischen Leh-
ren in der Medicin beschäftigen; in diesem Fall werden die Gesichts-
punkte der Eintheilung und näheren Ausführung im Allgemeinen den
betreffenden medicinischen Disciplinen zu entnehmen sein. Oder man
kann den Zweck einer Darstellung der allgemeinen Physik selbst
mit dem besonderen Zweck der Erörterung ihrer medicinischen An-
wendungen verbinden; dann werden die Gesichtspunkte der Einthei-
lung und Ausführung der Physik entnommen werden müssen, und die
medicinische Physik wird sich von andern physikalischen Darstellun-
gen hauptsächlich dadurch unterscheiden, dass sie den speciellen Be-
dürfnissen des Mediciners angepasst ist, dass sie also die für die Phy-
siologie und Heilkunde wichtigen Capitel vorzugsweise berücksichtigt,
während sie die andern Gebiete der Physik nur insoweit berührt, als

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Vorwort.


Die Physik bildet gegenwärtig nicht bloss die unerlässliche Vor-
aussetzung eines gründlicheren physiologischen Studiums, sondern
auch in der practischen Medicin hat sie bekanntlich eine Reihe der
fruchtbarsten Anwendungen gefunden und findet deren täglich noch
neue. Der ganze Apparat der physikalischen Diagnostik und Therapie,
dessen Schöpfung fast völlig das Werk der lebenden Generation ist,
beruht theils auf der Deutung physikalischer Erscheinungen, theils auf
der Benützung physikalischer Hülfsmittel. Diesem Umschwung ver-
dankt die medicinische Physik als ein neuer Zweig der ange-
wandten Naturlehre ihre Entstehung.

Bei der Darstellung dieser Wissenschaft sind zwei Wege mög-
lich. Entweder kann man die allgemeine Physik als bekannt voraus-
setzen und bloss sich mit den Anwendungen der physikalischen Leh-
ren in der Medicin beschäftigen; in diesem Fall werden die Gesichts-
punkte der Eintheilung und näheren Ausführung im Allgemeinen den
betreffenden medicinischen Disciplinen zu entnehmen sein. Oder man
kann den Zweck einer Darstellung der allgemeinen Physik selbst
mit dem besonderen Zweck der Erörterung ihrer medicinischen An-
wendungen verbinden; dann werden die Gesichtspunkte der Einthei-
lung und Ausführung der Physik entnommen werden müssen, und die
medicinische Physik wird sich von andern physikalischen Darstellun-
gen hauptsächlich dadurch unterscheiden, dass sie den speciellen Be-
dürfnissen des Mediciners angepasst ist, dass sie also die für die Phy-
siologie und Heilkunde wichtigen Capitel vorzugsweise berücksichtigt,
während sie die andern Gebiete der Physik nur insoweit berührt, als

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. [III]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/9>, abgerufen am 29.03.2024.