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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Druck und Gleichgewicht der Flüssigkeiten.
sigkeit gemessene Entfernung a g zu ihrer Höhe hat. Ganz ebenso
verhält sich natürlich irgend ein Theil der Flüssigkeit, den man sich
auf einer verticalen Durchschnittsfläche liegend denkt. Nehmen wir
nun an, das Gefäss A B sei vollständig mit Flüssigkeit angefüllt und
zugleich überall hermetisch verschlossen, ausgenommen an der Stelle
[Abbildung] Fig. 38.
h l (Fig. 38): hier soll sich eine Oeff-
nung und in dieser ein Kolben K be-
finden. Wenn auf den Kolben ein
Druck ausgeübt wird, so muss die
Wirkung desselben die nämliche sein,
als wenn sich über h l noch einmal
eine Flüssigkeitssäule befände, deren
Gewicht der Grösse des Drucks gleich
ist. Ist die Grösse des Drucks gleich
P, so hat jede unterhalb h l befind-
liche und demselben gleiche Fläche,
z. B. r s oder x y, ausser dem Gewicht der darüber stehenden
Flüssigkeit noch einen Druck gleich P auszuhalten. Da aber der Druck
in der Flüssigkeit nach allen Richtungen sich gleichmässig fortpflanzt,
so wird jeder Theil der Flüssigkeit oder der Gefässwand, welche Lage
er auch haben mag, sobald er ebenso gross wie h l ist, ebenfalls un-
ter dem Druck P stehen. So werden also z. B. die zwei neben ein-
ander befindlichen Flächenstücke x y und y z jedes den Druck P, beide
zusammen also den Druck 2 P erfahren. Aehnlich wird ein beliebiger
anderer Theil der Flüssigkeit oder der Gefässwand einen Druck er-
fahren, der sich zur Kraft P verhält wie die Grösse des betrachteten
Flächenstücks zur Grösse der Fläche h l, auf welche die Kraft P ein-
wirkt. Hierdurch ist offenbar die Möglichkeit dargeboten, mit verhält-
mässig kleinen Kräften grosse Wirkungen auszuüben. Bringen wir
z. B. bei a b einen zweiten Kolben K' an, der sich hier in einer dop-
pelt so weiten Röhre bewegt, so werden wir, sobald wir auf den Kol-
ben K die Kraft P wirken lassen, mittelst des Kolbens K' eine Kraft
2 P ausüben können; mit dem Kolben K' kann man also ausserhalb
des Gefässes eine doppelt so grosse Arbeit leisten, als man zur Be-
wegung des Kolbens K brauchte; man kann z. B. ein Gewicht 2 P
weiterfördern, einen Druck 2 P auf einen Körper ausüben u. s. w.
Auf diesem Princip beruht die hydraulische Presse. Die in Fig. 38
gezeichnete Vorrichtung selbst ist eine einfache hydraulische Presse.
Wenn wir dem Kolben a b einen hundertmal grösseren Durchmesser
geben als dem Kolben h l, so vermögen wir die hundertfache Kraft zu
erzeugen, und es erhellt somit, wie durch Vorrichtungen dieser Art
mittelst sehr mässiger Kräfte sehr bedeutende Wirkungen erzielt wer-
den können. Es handelt sich aber in diesen Fällen, wie man leicht
sieht, keineswegs um ein wirkliches Erzeugen von Kraft, was unmög-

Druck und Gleichgewicht der Flüssigkeiten.
sigkeit gemessene Entfernung a γ zu ihrer Höhe hat. Ganz ebenso
verhält sich natürlich irgend ein Theil der Flüssigkeit, den man sich
auf einer verticalen Durchschnittsfläche liegend denkt. Nehmen wir
nun an, das Gefäss A B sei vollständig mit Flüssigkeit angefüllt und
zugleich überall hermetisch verschlossen, ausgenommen an der Stelle
[Abbildung] Fig. 38.
h l (Fig. 38): hier soll sich eine Oeff-
nung und in dieser ein Kolben K be-
finden. Wenn auf den Kolben ein
Druck ausgeübt wird, so muss die
Wirkung desselben die nämliche sein,
als wenn sich über h l noch einmal
eine Flüssigkeitssäule befände, deren
Gewicht der Grösse des Drucks gleich
ist. Ist die Grösse des Drucks gleich
P, so hat jede unterhalb h l befind-
liche und demselben gleiche Fläche,
z. B. r s oder x y, ausser dem Gewicht der darüber stehenden
Flüssigkeit noch einen Druck gleich P auszuhalten. Da aber der Druck
in der Flüssigkeit nach allen Richtungen sich gleichmässig fortpflanzt,
so wird jeder Theil der Flüssigkeit oder der Gefässwand, welche Lage
er auch haben mag, sobald er ebenso gross wie h l ist, ebenfalls un-
ter dem Druck P stehen. So werden also z. B. die zwei neben ein-
ander befindlichen Flächenstücke x y und y z jedes den Druck P, beide
zusammen also den Druck 2 P erfahren. Aehnlich wird ein beliebiger
anderer Theil der Flüssigkeit oder der Gefässwand einen Druck er-
fahren, der sich zur Kraft P verhält wie die Grösse des betrachteten
Flächenstücks zur Grösse der Fläche h l, auf welche die Kraft P ein-
wirkt. Hierdurch ist offenbar die Möglichkeit dargeboten, mit verhält-
mässig kleinen Kräften grosse Wirkungen auszuüben. Bringen wir
z. B. bei α β einen zweiten Kolben K' an, der sich hier in einer dop-
pelt so weiten Röhre bewegt, so werden wir, sobald wir auf den Kol-
ben K die Kraft P wirken lassen, mittelst des Kolbens K' eine Kraft
2 P ausüben können; mit dem Kolben K' kann man also ausserhalb
des Gefässes eine doppelt so grosse Arbeit leisten, als man zur Be-
wegung des Kolbens K brauchte; man kann z. B. ein Gewicht 2 P
weiterfördern, einen Druck 2 P auf einen Körper ausüben u. s. w.
Auf diesem Princip beruht die hydraulische Presse. Die in Fig. 38
gezeichnete Vorrichtung selbst ist eine einfache hydraulische Presse.
Wenn wir dem Kolben α β einen hundertmal grösseren Durchmesser
geben als dem Kolben h l, so vermögen wir die hundertfache Kraft zu
erzeugen, und es erhellt somit, wie durch Vorrichtungen dieser Art
mittelst sehr mässiger Kräfte sehr bedeutende Wirkungen erzielt wer-
den können. Es handelt sich aber in diesen Fällen, wie man leicht
sieht, keineswegs um ein wirkliches Erzeugen von Kraft, was unmög-

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[95/0117] Druck und Gleichgewicht der Flüssigkeiten. sigkeit gemessene Entfernung a γ zu ihrer Höhe hat. Ganz ebenso verhält sich natürlich irgend ein Theil der Flüssigkeit, den man sich auf einer verticalen Durchschnittsfläche liegend denkt. Nehmen wir nun an, das Gefäss A B sei vollständig mit Flüssigkeit angefüllt und zugleich überall hermetisch verschlossen, ausgenommen an der Stelle [Abbildung Fig. 38.] h l (Fig. 38): hier soll sich eine Oeff- nung und in dieser ein Kolben K be- finden. Wenn auf den Kolben ein Druck ausgeübt wird, so muss die Wirkung desselben die nämliche sein, als wenn sich über h l noch einmal eine Flüssigkeitssäule befände, deren Gewicht der Grösse des Drucks gleich ist. Ist die Grösse des Drucks gleich P, so hat jede unterhalb h l befind- liche und demselben gleiche Fläche, z. B. r s oder x y, ausser dem Gewicht der darüber stehenden Flüssigkeit noch einen Druck gleich P auszuhalten. Da aber der Druck in der Flüssigkeit nach allen Richtungen sich gleichmässig fortpflanzt, so wird jeder Theil der Flüssigkeit oder der Gefässwand, welche Lage er auch haben mag, sobald er ebenso gross wie h l ist, ebenfalls un- ter dem Druck P stehen. So werden also z. B. die zwei neben ein- ander befindlichen Flächenstücke x y und y z jedes den Druck P, beide zusammen also den Druck 2 P erfahren. Aehnlich wird ein beliebiger anderer Theil der Flüssigkeit oder der Gefässwand einen Druck er- fahren, der sich zur Kraft P verhält wie die Grösse des betrachteten Flächenstücks zur Grösse der Fläche h l, auf welche die Kraft P ein- wirkt. Hierdurch ist offenbar die Möglichkeit dargeboten, mit verhält- mässig kleinen Kräften grosse Wirkungen auszuüben. Bringen wir z. B. bei α β einen zweiten Kolben K' an, der sich hier in einer dop- pelt so weiten Röhre bewegt, so werden wir, sobald wir auf den Kol- ben K die Kraft P wirken lassen, mittelst des Kolbens K' eine Kraft 2 P ausüben können; mit dem Kolben K' kann man also ausserhalb des Gefässes eine doppelt so grosse Arbeit leisten, als man zur Be- wegung des Kolbens K brauchte; man kann z. B. ein Gewicht 2 P weiterfördern, einen Druck 2 P auf einen Körper ausüben u. s. w. Auf diesem Princip beruht die hydraulische Presse. Die in Fig. 38 gezeichnete Vorrichtung selbst ist eine einfache hydraulische Presse. Wenn wir dem Kolben α β einen hundertmal grösseren Durchmesser geben als dem Kolben h l, so vermögen wir die hundertfache Kraft zu erzeugen, und es erhellt somit, wie durch Vorrichtungen dieser Art mittelst sehr mässiger Kräfte sehr bedeutende Wirkungen erzielt wer- den können. Es handelt sich aber in diesen Fällen, wie man leicht sieht, keineswegs um ein wirkliches Erzeugen von Kraft, was unmög-

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/117>, abgerufen am 24.04.2024.