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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Molecularwirkungen flüssiger Körper.
weder im indifferenten oder im labilen oder im stabilen Gleichgewicht
sein kann, so auch der schwimmende Körper. Am wichtigsten sind
hier insbesondere diejenigen Fälle, wo der Schwerpunkt über oder
unter dem Unterstützungspunkt sich befindet, wo also labiles oder
stabiles Gleichgewicht vorhanden ist. Das labile Gleichgewicht geht,
wenn es gestört wird, in das stabile Gleichgewicht über, indem der
Körper um 180 Grade gedreht wird. In das stabile Gleichgewicht
kehrt dagegen der Körper nach jeder Störung wieder zurück. Ein
Körper schwimmt daher allein dann gegen bleibende Aenderungen
seiner Lage gesichert, wenn er sich im stabilen Gleichgewicht befin-
det, d. h. wenn sein eigener Schwerpunkt unter dem Schwerpunkt
der von ihm verdrängten Flüssigkeit liegt. Die Schiffe, bei denen
die Sicherheit gegen augenblickliche Gleichgewichtsstörungen das we-
sentlichste Erforderniss bildet, müssen daher stets nach diesem Prin-
cip gebaut sein, und die Bewegung derselben ist um so sicherer, je tiefer
sich ihr Schwerpunkt unter dem Schwerpunkt der verdrängten Flüssig-
keit befindet. Dagegen zeigen die schwimmenden thierischen Wesen,
deren Bewegung im Wasser auf dieselben Principien wie die Bewe-
gung der Schiffe sich stützt, in statischer Beziehung die bemerkens-
werthe Abweichung, dass ihr Schwerpunkt sich über dem Unter-
stützungspunkt befindet, dass sie also nur ein labiles Gleichgewicht
besitzen. Der Nachtheil, den dies haben könnte, wird zwar durch die
Anstrengung der Muskeln, die jeden Augenblick das Gleichgewicht
herstellt, ausgeglichen. Dennoch ist es fühlbar, dass bei der Rücken-
lage der Schwimmende sicherer vom Wasser getragen wird.

Ein Körper, dessen specifisches Gewicht demjenigen des Wassers
ziemlich nahe kommt, zugleich aber dadurch etwas veränderlich ist,
dass der Körper bei gleich bleibendem absolutem Gewicht sein Volum
vermindern oder vergrössern kann, besitzt die Eigenschaft abwech-
selnd im Wasser unterzusinken oder emporzutauchen. Solche Körper
sind die Fische. Will der Fisch gegen die Oberfläche auftauchen,
so lässt er die Muskeln der Schwimmblase erschlaffen, diese dehnt
sich daher aus und vergrössert das Körpervolum. Will der Fisch in
die Tiefe sinken, so comprimirt er die Schwimmblase. Da zugleich
mit der Tiefe der auf der Blase ruhende Wasserdruck zunimmt, so
unterstützen die Veränderungen des Drucks dieses Auf- und Absteigen.
Doch ist hierdurch zugleich der Abwärtsbewegung eine gewisse Grenze
gesetzt, über die hinaus der Druck eine Wiedererschlaffung der Blase
und daher auch eine Rückkehr zur Oberfläche unmöglich macht.

Siebentes Capitel.
Molecularwirkungen flüssiger Körper.

Bei den bisher betrachteten Wirkungen der Schwere auf Flüssig-72
Oberflächen-
spannung der
Flüssigkeiten.

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weder im indifferenten oder im labilen oder im stabilen Gleichgewicht
sein kann, so auch der schwimmende Körper. Am wichtigsten sind
hier insbesondere diejenigen Fälle, wo der Schwerpunkt über oder
unter dem Unterstützungspunkt sich befindet, wo also labiles oder
stabiles Gleichgewicht vorhanden ist. Das labile Gleichgewicht geht,
wenn es gestört wird, in das stabile Gleichgewicht über, indem der
Körper um 180 Grade gedreht wird. In das stabile Gleichgewicht
kehrt dagegen der Körper nach jeder Störung wieder zurück. Ein
Körper schwimmt daher allein dann gegen bleibende Aenderungen
seiner Lage gesichert, wenn er sich im stabilen Gleichgewicht befin-
det, d. h. wenn sein eigener Schwerpunkt unter dem Schwerpunkt
der von ihm verdrängten Flüssigkeit liegt. Die Schiffe, bei denen
die Sicherheit gegen augenblickliche Gleichgewichtsstörungen das we-
sentlichste Erforderniss bildet, müssen daher stets nach diesem Prin-
cip gebaut sein, und die Bewegung derselben ist um so sicherer, je tiefer
sich ihr Schwerpunkt unter dem Schwerpunkt der verdrängten Flüssig-
keit befindet. Dagegen zeigen die schwimmenden thierischen Wesen,
deren Bewegung im Wasser auf dieselben Principien wie die Bewe-
gung der Schiffe sich stützt, in statischer Beziehung die bemerkens-
werthe Abweichung, dass ihr Schwerpunkt sich über dem Unter-
stützungspunkt befindet, dass sie also nur ein labiles Gleichgewicht
besitzen. Der Nachtheil, den dies haben könnte, wird zwar durch die
Anstrengung der Muskeln, die jeden Augenblick das Gleichgewicht
herstellt, ausgeglichen. Dennoch ist es fühlbar, dass bei der Rücken-
lage der Schwimmende sicherer vom Wasser getragen wird.

Ein Körper, dessen specifisches Gewicht demjenigen des Wassers
ziemlich nahe kommt, zugleich aber dadurch etwas veränderlich ist,
dass der Körper bei gleich bleibendem absolutem Gewicht sein Volum
vermindern oder vergrössern kann, besitzt die Eigenschaft abwech-
selnd im Wasser unterzusinken oder emporzutauchen. Solche Körper
sind die Fische. Will der Fisch gegen die Oberfläche auftauchen,
so lässt er die Muskeln der Schwimmblase erschlaffen, diese dehnt
sich daher aus und vergrössert das Körpervolum. Will der Fisch in
die Tiefe sinken, so comprimirt er die Schwimmblase. Da zugleich
mit der Tiefe der auf der Blase ruhende Wasserdruck zunimmt, so
unterstützen die Veränderungen des Drucks dieses Auf- und Absteigen.
Doch ist hierdurch zugleich der Abwärtsbewegung eine gewisse Grenze
gesetzt, über die hinaus der Druck eine Wiedererschlaffung der Blase
und daher auch eine Rückkehr zur Oberfläche unmöglich macht.

Siebentes Capitel.
Molecularwirkungen flüssiger Körper.

Bei den bisher betrachteten Wirkungen der Schwere auf Flüssig-72
Oberflächen-
spannung der
Flüssigkeiten.

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[101/0123] Molecularwirkungen flüssiger Körper. weder im indifferenten oder im labilen oder im stabilen Gleichgewicht sein kann, so auch der schwimmende Körper. Am wichtigsten sind hier insbesondere diejenigen Fälle, wo der Schwerpunkt über oder unter dem Unterstützungspunkt sich befindet, wo also labiles oder stabiles Gleichgewicht vorhanden ist. Das labile Gleichgewicht geht, wenn es gestört wird, in das stabile Gleichgewicht über, indem der Körper um 180 Grade gedreht wird. In das stabile Gleichgewicht kehrt dagegen der Körper nach jeder Störung wieder zurück. Ein Körper schwimmt daher allein dann gegen bleibende Aenderungen seiner Lage gesichert, wenn er sich im stabilen Gleichgewicht befin- det, d. h. wenn sein eigener Schwerpunkt unter dem Schwerpunkt der von ihm verdrängten Flüssigkeit liegt. Die Schiffe, bei denen die Sicherheit gegen augenblickliche Gleichgewichtsstörungen das we- sentlichste Erforderniss bildet, müssen daher stets nach diesem Prin- cip gebaut sein, und die Bewegung derselben ist um so sicherer, je tiefer sich ihr Schwerpunkt unter dem Schwerpunkt der verdrängten Flüssig- keit befindet. Dagegen zeigen die schwimmenden thierischen Wesen, deren Bewegung im Wasser auf dieselben Principien wie die Bewe- gung der Schiffe sich stützt, in statischer Beziehung die bemerkens- werthe Abweichung, dass ihr Schwerpunkt sich über dem Unter- stützungspunkt befindet, dass sie also nur ein labiles Gleichgewicht besitzen. Der Nachtheil, den dies haben könnte, wird zwar durch die Anstrengung der Muskeln, die jeden Augenblick das Gleichgewicht herstellt, ausgeglichen. Dennoch ist es fühlbar, dass bei der Rücken- lage der Schwimmende sicherer vom Wasser getragen wird. Ein Körper, dessen specifisches Gewicht demjenigen des Wassers ziemlich nahe kommt, zugleich aber dadurch etwas veränderlich ist, dass der Körper bei gleich bleibendem absolutem Gewicht sein Volum vermindern oder vergrössern kann, besitzt die Eigenschaft abwech- selnd im Wasser unterzusinken oder emporzutauchen. Solche Körper sind die Fische. Will der Fisch gegen die Oberfläche auftauchen, so lässt er die Muskeln der Schwimmblase erschlaffen, diese dehnt sich daher aus und vergrössert das Körpervolum. Will der Fisch in die Tiefe sinken, so comprimirt er die Schwimmblase. Da zugleich mit der Tiefe der auf der Blase ruhende Wasserdruck zunimmt, so unterstützen die Veränderungen des Drucks dieses Auf- und Absteigen. Doch ist hierdurch zugleich der Abwärtsbewegung eine gewisse Grenze gesetzt, über die hinaus der Druck eine Wiedererschlaffung der Blase und daher auch eine Rückkehr zur Oberfläche unmöglich macht. Siebentes Capitel. Molecularwirkungen flüssiger Körper. Bei den bisher betrachteten Wirkungen der Schwere auf Flüssig- 72 Oberflächen- spannung der Flüssigkeiten.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/123>, abgerufen am 29.03.2024.