Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Entstehung und Ausbreitung des Schalls.
ihr sind in gleichen Abständen Löcher angebracht, und sie liegt auf
dem Windkasten W auf, dessen Deckel mit ebenso vielen, den Lö-
chern der Scheibe in ihrer Lage genau entsprechenden Durchbohrun-
gen versehen ist. Die Löcher im Deckel des Windkastens und in der
Scheibe sind in der in B dargestellten Weise schräg gegen einander
gestellt. Die Scheibe S ist ferner an der Axe a befestigt, welche,
wie man in B sieht, unten auf der Spitze der Schraube x steht, und
an ihrem oberen Ende von einer ähnlichen Spitze gehalten wird. Da-
durch dreht sich die Scheibe S sammt der Axe a bei dem geringsten
Anstoss sehr leicht um ihren Mittelpunkt. Die Röhre R, die unten in
den Windkasten einmündet, steht in Verbindung mit einem Blasebalg.
Der mittelst des letzteren in den Windkasten getriebene Luftstrom
dringt durch die Löcher des Deckels in die Löcher der Scheibe und
so nach aussen; hierbei muss er aber wegen der gegen einander ge-
neigten Lage der correspondirenden Löcher die Scheibe in rotirende
Bewegung setzen. Jedesmal wenn die Löcher der Scheibe über die
Löcher des Deckels hinweggehend dem in den Windkasten getriebe-
nen Luftstrom den Ausweg gestatten, entsteht eine Lufterschütterung,
und diese wird unterbrochen, sobald die Scheibe sich weiterbewegend
die Löcher des Deckels verschliesst. Die Häufigkeit der in einer ge-
gebenen Zeit erzeugten Luftstösse hängt daher von der Zahl der Lö-
cher und von der Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe ab. Hat
z. B. die Sirene 12 Durchbohrungen, und dreht sich die Scheibe in
der Secunde 10 mal, so bekommt man 12 . 10 = 120 einzelne Luft-
stösse. Um die Zahl der Umdrehungen der Scheibe in einer gegebe-
nen Zeit zu messen, ist weiter oben mit der Axe a ein Zählerwerk
verbunden, welches jene Umdrehungen in ähnlicher Weise auf einem
Zifferblatt ablesen lässt, wie man die Umdrehungen des Räderwerks
einer Uhr abliest.

Wird nun durch einen schwachen Luftstrom die Scheibe in all-106
Klang und
Geräusch.

mälige Bewegung gesetzt, so empfängt man anfänglich keine Schall-
empfindung. Diese entsteht, wenn die Bewegung sich so weit be-
schleunigt hat, dass ungefähr 16 Luftstösse in der Secunde auf einan-
der folgen. Der jetzt gehörte Schall ist ein tiefer musikalischer
Klang
, dessen Tonhöhe allmälig steigt, wenn die Umdrehungsge-
schwindigkeit der Scheibe sich vergrössert. Setzen wir aber auf den
Windkasten statt der Scheibe S eine andere Scheibe auf, deren Lö-
cher sich nicht in regelmässigen Abständen von einander befinden,
sondern (wie in Fig. 62) beliebig unregelmässig vertheilt sind, so er-
halten wir mit einer solchen Scheibe niemals einen musikalischen
Klang, welche Umdrehungsgeschwindigkeit wir derselben auch geben
mögen, sondern der entstehende Schall bleibt stets ein zischendes Ge-
räusch
.


Entstehung und Ausbreitung des Schalls.
ihr sind in gleichen Abständen Löcher angebracht, und sie liegt auf
dem Windkasten W auf, dessen Deckel mit ebenso vielen, den Lö-
chern der Scheibe in ihrer Lage genau entsprechenden Durchbohrun-
gen versehen ist. Die Löcher im Deckel des Windkastens und in der
Scheibe sind in der in B dargestellten Weise schräg gegen einander
gestellt. Die Scheibe S ist ferner an der Axe a befestigt, welche,
wie man in B sieht, unten auf der Spitze der Schraube x steht, und
an ihrem oberen Ende von einer ähnlichen Spitze gehalten wird. Da-
durch dreht sich die Scheibe S sammt der Axe a bei dem geringsten
Anstoss sehr leicht um ihren Mittelpunkt. Die Röhre R, die unten in
den Windkasten einmündet, steht in Verbindung mit einem Blasebalg.
Der mittelst des letzteren in den Windkasten getriebene Luftstrom
dringt durch die Löcher des Deckels in die Löcher der Scheibe und
so nach aussen; hierbei muss er aber wegen der gegen einander ge-
neigten Lage der correspondirenden Löcher die Scheibe in rotirende
Bewegung setzen. Jedesmal wenn die Löcher der Scheibe über die
Löcher des Deckels hinweggehend dem in den Windkasten getriebe-
nen Luftstrom den Ausweg gestatten, entsteht eine Lufterschütterung,
und diese wird unterbrochen, sobald die Scheibe sich weiterbewegend
die Löcher des Deckels verschliesst. Die Häufigkeit der in einer ge-
gebenen Zeit erzeugten Luftstösse hängt daher von der Zahl der Lö-
cher und von der Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe ab. Hat
z. B. die Sirene 12 Durchbohrungen, und dreht sich die Scheibe in
der Secunde 10 mal, so bekommt man 12 . 10 = 120 einzelne Luft-
stösse. Um die Zahl der Umdrehungen der Scheibe in einer gegebe-
nen Zeit zu messen, ist weiter oben mit der Axe a ein Zählerwerk
verbunden, welches jene Umdrehungen in ähnlicher Weise auf einem
Zifferblatt ablesen lässt, wie man die Umdrehungen des Räderwerks
einer Uhr abliest.

Wird nun durch einen schwachen Luftstrom die Scheibe in all-106
Klang und
Geräusch.

mälige Bewegung gesetzt, so empfängt man anfänglich keine Schall-
empfindung. Diese entsteht, wenn die Bewegung sich so weit be-
schleunigt hat, dass ungefähr 16 Luftstösse in der Secunde auf einan-
der folgen. Der jetzt gehörte Schall ist ein tiefer musikalischer
Klang
, dessen Tonhöhe allmälig steigt, wenn die Umdrehungsge-
schwindigkeit der Scheibe sich vergrössert. Setzen wir aber auf den
Windkasten statt der Scheibe S eine andere Scheibe auf, deren Lö-
cher sich nicht in regelmässigen Abständen von einander befinden,
sondern (wie in Fig. 62) beliebig unregelmässig vertheilt sind, so er-
halten wir mit einer solchen Scheibe niemals einen musikalischen
Klang, welche Umdrehungsgeschwindigkeit wir derselben auch geben
mögen, sondern der entstehende Schall bleibt stets ein zischendes Ge-
räusch
.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0175" n="153"/><fw place="top" type="header">Entstehung und Ausbreitung des Schalls.</fw><lb/>
ihr sind in gleichen Abständen Löcher angebracht, und sie liegt auf<lb/>
dem Windkasten W auf, dessen Deckel mit ebenso vielen, den Lö-<lb/>
chern der Scheibe in ihrer Lage genau entsprechenden Durchbohrun-<lb/>
gen versehen ist. Die Löcher im Deckel des Windkastens und in der<lb/>
Scheibe sind in der in B dargestellten Weise schräg gegen einander<lb/>
gestellt. Die Scheibe S ist ferner an der Axe a befestigt, welche,<lb/>
wie man in B sieht, unten auf der Spitze der Schraube x steht, und<lb/>
an ihrem oberen Ende von einer ähnlichen Spitze gehalten wird. Da-<lb/>
durch dreht sich die Scheibe S sammt der Axe a bei dem geringsten<lb/>
Anstoss sehr leicht um ihren Mittelpunkt. Die Röhre R, die unten in<lb/>
den Windkasten einmündet, steht in Verbindung mit einem Blasebalg.<lb/>
Der mittelst des letzteren in den Windkasten getriebene Luftstrom<lb/>
dringt durch die Löcher des Deckels in die Löcher der Scheibe und<lb/>
so nach aussen; hierbei muss er aber wegen der gegen einander ge-<lb/>
neigten Lage der correspondirenden Löcher die Scheibe in rotirende<lb/>
Bewegung setzen. Jedesmal wenn die Löcher der Scheibe über die<lb/>
Löcher des Deckels hinweggehend dem in den Windkasten getriebe-<lb/>
nen Luftstrom den Ausweg gestatten, entsteht eine Lufterschütterung,<lb/>
und diese wird unterbrochen, sobald die Scheibe sich weiterbewegend<lb/>
die Löcher des Deckels verschliesst. Die Häufigkeit der in einer ge-<lb/>
gebenen Zeit erzeugten Luftstösse hängt daher von der Zahl der Lö-<lb/>
cher und von der Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe ab. Hat<lb/>
z. B. die Sirene 12 Durchbohrungen, und dreht sich die Scheibe in<lb/>
der Secunde 10 mal, so bekommt man 12 . 10 = 120 einzelne Luft-<lb/>
stösse. Um die Zahl der Umdrehungen der Scheibe in einer gegebe-<lb/>
nen Zeit zu messen, ist weiter oben mit der Axe a ein Zählerwerk<lb/>
verbunden, welches jene Umdrehungen in ähnlicher Weise auf einem<lb/>
Zifferblatt ablesen lässt, wie man die Umdrehungen des Räderwerks<lb/>
einer Uhr abliest.</p><lb/>
          <p>Wird nun durch einen schwachen Luftstrom die Scheibe in all-<note place="right">106<lb/>
Klang und<lb/>
Geräusch.</note><lb/>
mälige Bewegung gesetzt, so empfängt man anfänglich keine Schall-<lb/>
empfindung. Diese entsteht, wenn die Bewegung sich so weit be-<lb/>
schleunigt hat, dass ungefähr 16 Luftstösse in der Secunde auf einan-<lb/>
der folgen. Der jetzt gehörte Schall ist ein tiefer <hi rendition="#g">musikalischer<lb/>
Klang</hi>, dessen Tonhöhe allmälig steigt, wenn die Umdrehungsge-<lb/>
schwindigkeit der Scheibe sich vergrössert. Setzen wir aber auf den<lb/>
Windkasten statt der Scheibe S eine andere Scheibe auf, deren Lö-<lb/>
cher sich nicht in regelmässigen Abständen von einander befinden,<lb/>
sondern (wie in Fig. 62) beliebig unregelmässig vertheilt sind, so er-<lb/>
halten wir mit einer solchen Scheibe niemals einen musikalischen<lb/>
Klang, welche Umdrehungsgeschwindigkeit wir derselben auch geben<lb/>
mögen, sondern der entstehende Schall bleibt stets ein zischendes <hi rendition="#g">Ge-<lb/>
räusch</hi>.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0175] Entstehung und Ausbreitung des Schalls. ihr sind in gleichen Abständen Löcher angebracht, und sie liegt auf dem Windkasten W auf, dessen Deckel mit ebenso vielen, den Lö- chern der Scheibe in ihrer Lage genau entsprechenden Durchbohrun- gen versehen ist. Die Löcher im Deckel des Windkastens und in der Scheibe sind in der in B dargestellten Weise schräg gegen einander gestellt. Die Scheibe S ist ferner an der Axe a befestigt, welche, wie man in B sieht, unten auf der Spitze der Schraube x steht, und an ihrem oberen Ende von einer ähnlichen Spitze gehalten wird. Da- durch dreht sich die Scheibe S sammt der Axe a bei dem geringsten Anstoss sehr leicht um ihren Mittelpunkt. Die Röhre R, die unten in den Windkasten einmündet, steht in Verbindung mit einem Blasebalg. Der mittelst des letzteren in den Windkasten getriebene Luftstrom dringt durch die Löcher des Deckels in die Löcher der Scheibe und so nach aussen; hierbei muss er aber wegen der gegen einander ge- neigten Lage der correspondirenden Löcher die Scheibe in rotirende Bewegung setzen. Jedesmal wenn die Löcher der Scheibe über die Löcher des Deckels hinweggehend dem in den Windkasten getriebe- nen Luftstrom den Ausweg gestatten, entsteht eine Lufterschütterung, und diese wird unterbrochen, sobald die Scheibe sich weiterbewegend die Löcher des Deckels verschliesst. Die Häufigkeit der in einer ge- gebenen Zeit erzeugten Luftstösse hängt daher von der Zahl der Lö- cher und von der Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe ab. Hat z. B. die Sirene 12 Durchbohrungen, und dreht sich die Scheibe in der Secunde 10 mal, so bekommt man 12 . 10 = 120 einzelne Luft- stösse. Um die Zahl der Umdrehungen der Scheibe in einer gegebe- nen Zeit zu messen, ist weiter oben mit der Axe a ein Zählerwerk verbunden, welches jene Umdrehungen in ähnlicher Weise auf einem Zifferblatt ablesen lässt, wie man die Umdrehungen des Räderwerks einer Uhr abliest. Wird nun durch einen schwachen Luftstrom die Scheibe in all- mälige Bewegung gesetzt, so empfängt man anfänglich keine Schall- empfindung. Diese entsteht, wenn die Bewegung sich so weit be- schleunigt hat, dass ungefähr 16 Luftstösse in der Secunde auf einan- der folgen. Der jetzt gehörte Schall ist ein tiefer musikalischer Klang, dessen Tonhöhe allmälig steigt, wenn die Umdrehungsge- schwindigkeit der Scheibe sich vergrössert. Setzen wir aber auf den Windkasten statt der Scheibe S eine andere Scheibe auf, deren Lö- cher sich nicht in regelmässigen Abständen von einander befinden, sondern (wie in Fig. 62) beliebig unregelmässig vertheilt sind, so er- halten wir mit einer solchen Scheibe niemals einen musikalischen Klang, welche Umdrehungsgeschwindigkeit wir derselben auch geben mögen, sondern der entstehende Schall bleibt stets ein zischendes Ge- räusch. 106 Klang und Geräusch.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/175
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/175>, abgerufen am 28.03.2024.