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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von den Tönen und musikalischen Klängen.
nun nachweisen, dass gleichen Verhältnissen der Tonhöhen
immer gleiche Verhältnisse der Schwingungszahlen ent-
sprechen
, welches auch die Entstehungsweise der Töne sei. Wenn
man der Sirene (Fig. 61) zuerst eine bestimmte Umdrehungsgesc hin-
digkeit giebt und dann diese Geschwindigkeit verdoppelt, so dass nun
die doppelte Zahl von Luftstössen in der gleichen Zeit entsteht, so
ist der zweite Ton die Octave des ersten. Noch einfacher lässt sich
dies zeigen, wenn man an der Sirene zwei Reihen von Löchern, beide
in regelmässigen Abständen, anbringt, die Zahl der Löcher der einen
Reihe aber doppelt so gross macht wie die der andern. Versetzt man
nun die Scheibe in Bewegung, so entstehen zwei zusammenklingende
Töne, die, welches auch die absolute Rotationsgeschwindigkeit sein
möge, immer in dem Verhältniss von Grundton und Octave zu einan-
der stehen. Macht man die beiden Löcherreihen so, dass auf je zwei
Löcher der ersten drei der zweiten Reihe kommen, so sind die bei-
den zusammenklingenden Töne Grundton und Quinte. Aehnlich ent-
spricht dem Verhältniss 4 : 5 die grosse Terz, dem Verhältniss 5 : 6 die
kleine Terz.

Das nämliche Gesetz lässt sich noch mittelst des Monochords
nachweisen. Dieses einfache Instrument besteht aus einer einzigen
Saite, welche über einen Resonanzboden ausgespannt ist, und unter
welcher sich ein verschiebbarer Steg befindet, mittelst dessen man die
Saite abtheilen und so beliebige Bruchtheile derselben durch Anschla-
gen in Schwingungen versetzen kann. Wenn die Saite immer gleich
gespannt bleibt, so verhalten sich die Schwingungszahlen umgekehrt
wie die Saitenlängen, eine Saite von halber Länge schwingt also dop-
pelt so oft. Lässt man nun zuerst die ganze Saite und dann, indem
man den Steg in ihrer Mitte einsetzt, die halbe Saite schwingen, so
stehen wieder beide Töne im Verhältniss von Grundton und Octave.
Theilt man die Saite durch den Steg so, dass sich die Längen der
beiden Abschnitte wie 2 : 3 verhalten, so erhält man Grundton und
Quinte; theilt man im Verhältniss von 3 : 4, so erhält man Grundton
und Quarte u. s. w. Obgleich in diesem Fall die Erzeugungsweise
der Töne und auch die Klangfarbe eine ganz andere ist wie bei der
Sirene, so sind doch die den gleichen Verhältnissen der Schwingungs-
zahlen entsprechenden Verhältnisse der Tonhöhen die nämlichen.

Das einem bestimmten Verhältniss der Tonhöhen entsprechende113
Die consoniren-
den Intervalle.
Die Accorde.
Die Tonleiter.

Verhältniss zweier Schwingungszahlen bezeichnet man als Toninter-
vall
. Folgende lassen sich als die einfachsten Intervalle her-
vorheben:

Octave mit dem Verhältniss der Schwingungszahlen 1 : 2
Quinte " " " " " 2 : 3
Quarte " " " " " 3 : 4

Wundt, medicin. Physik. 11

Von den Tönen und musikalischen Klängen.
nun nachweisen, dass gleichen Verhältnissen der Tonhöhen
immer gleiche Verhältnisse der Schwingungszahlen ent-
sprechen
, welches auch die Entstehungsweise der Töne sei. Wenn
man der Sirene (Fig. 61) zuerst eine bestimmte Umdrehungsgesc hin-
digkeit giebt und dann diese Geschwindigkeit verdoppelt, so dass nun
die doppelte Zahl von Luftstössen in der gleichen Zeit entsteht, so
ist der zweite Ton die Octave des ersten. Noch einfacher lässt sich
dies zeigen, wenn man an der Sirene zwei Reihen von Löchern, beide
in regelmässigen Abständen, anbringt, die Zahl der Löcher der einen
Reihe aber doppelt so gross macht wie die der andern. Versetzt man
nun die Scheibe in Bewegung, so entstehen zwei zusammenklingende
Töne, die, welches auch die absolute Rotationsgeschwindigkeit sein
möge, immer in dem Verhältniss von Grundton und Octave zu einan-
der stehen. Macht man die beiden Löcherreihen so, dass auf je zwei
Löcher der ersten drei der zweiten Reihe kommen, so sind die bei-
den zusammenklingenden Töne Grundton und Quinte. Aehnlich ent-
spricht dem Verhältniss 4 : 5 die grosse Terz, dem Verhältniss 5 : 6 die
kleine Terz.

Das nämliche Gesetz lässt sich noch mittelst des Monochords
nachweisen. Dieses einfache Instrument besteht aus einer einzigen
Saite, welche über einen Resonanzboden ausgespannt ist, und unter
welcher sich ein verschiebbarer Steg befindet, mittelst dessen man die
Saite abtheilen und so beliebige Bruchtheile derselben durch Anschla-
gen in Schwingungen versetzen kann. Wenn die Saite immer gleich
gespannt bleibt, so verhalten sich die Schwingungszahlen umgekehrt
wie die Saitenlängen, eine Saite von halber Länge schwingt also dop-
pelt so oft. Lässt man nun zuerst die ganze Saite und dann, indem
man den Steg in ihrer Mitte einsetzt, die halbe Saite schwingen, so
stehen wieder beide Töne im Verhältniss von Grundton und Octave.
Theilt man die Saite durch den Steg so, dass sich die Längen der
beiden Abschnitte wie 2 : 3 verhalten, so erhält man Grundton und
Quinte; theilt man im Verhältniss von 3 : 4, so erhält man Grundton
und Quarte u. s. w. Obgleich in diesem Fall die Erzeugungsweise
der Töne und auch die Klangfarbe eine ganz andere ist wie bei der
Sirene, so sind doch die den gleichen Verhältnissen der Schwingungs-
zahlen entsprechenden Verhältnisse der Tonhöhen die nämlichen.

Das einem bestimmten Verhältniss der Tonhöhen entsprechende113
Die consoniren-
den Intervalle.
Die Accorde.
Die Tonleiter.

Verhältniss zweier Schwingungszahlen bezeichnet man als Toninter-
vall
. Folgende lassen sich als die einfachsten Intervalle her-
vorheben:

Octave mit dem Verhältniss der Schwingungszahlen 1 : 2
Quinte „ „ „ „ „ 2 : 3
Quarte „ „ „ „ „ 3 : 4

Wundt, medicin. Physik. 11
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[161/0183] Von den Tönen und musikalischen Klängen. nun nachweisen, dass gleichen Verhältnissen der Tonhöhen immer gleiche Verhältnisse der Schwingungszahlen ent- sprechen, welches auch die Entstehungsweise der Töne sei. Wenn man der Sirene (Fig. 61) zuerst eine bestimmte Umdrehungsgesc hin- digkeit giebt und dann diese Geschwindigkeit verdoppelt, so dass nun die doppelte Zahl von Luftstössen in der gleichen Zeit entsteht, so ist der zweite Ton die Octave des ersten. Noch einfacher lässt sich dies zeigen, wenn man an der Sirene zwei Reihen von Löchern, beide in regelmässigen Abständen, anbringt, die Zahl der Löcher der einen Reihe aber doppelt so gross macht wie die der andern. Versetzt man nun die Scheibe in Bewegung, so entstehen zwei zusammenklingende Töne, die, welches auch die absolute Rotationsgeschwindigkeit sein möge, immer in dem Verhältniss von Grundton und Octave zu einan- der stehen. Macht man die beiden Löcherreihen so, dass auf je zwei Löcher der ersten drei der zweiten Reihe kommen, so sind die bei- den zusammenklingenden Töne Grundton und Quinte. Aehnlich ent- spricht dem Verhältniss 4 : 5 die grosse Terz, dem Verhältniss 5 : 6 die kleine Terz. Das nämliche Gesetz lässt sich noch mittelst des Monochords nachweisen. Dieses einfache Instrument besteht aus einer einzigen Saite, welche über einen Resonanzboden ausgespannt ist, und unter welcher sich ein verschiebbarer Steg befindet, mittelst dessen man die Saite abtheilen und so beliebige Bruchtheile derselben durch Anschla- gen in Schwingungen versetzen kann. Wenn die Saite immer gleich gespannt bleibt, so verhalten sich die Schwingungszahlen umgekehrt wie die Saitenlängen, eine Saite von halber Länge schwingt also dop- pelt so oft. Lässt man nun zuerst die ganze Saite und dann, indem man den Steg in ihrer Mitte einsetzt, die halbe Saite schwingen, so stehen wieder beide Töne im Verhältniss von Grundton und Octave. Theilt man die Saite durch den Steg so, dass sich die Längen der beiden Abschnitte wie 2 : 3 verhalten, so erhält man Grundton und Quinte; theilt man im Verhältniss von 3 : 4, so erhält man Grundton und Quarte u. s. w. Obgleich in diesem Fall die Erzeugungsweise der Töne und auch die Klangfarbe eine ganz andere ist wie bei der Sirene, so sind doch die den gleichen Verhältnissen der Schwingungs- zahlen entsprechenden Verhältnisse der Tonhöhen die nämlichen. Das einem bestimmten Verhältniss der Tonhöhen entsprechende Verhältniss zweier Schwingungszahlen bezeichnet man als Toninter- vall. Folgende lassen sich als die einfachsten Intervalle her- vorheben: 113 Die consoniren- den Intervalle. Die Accorde. Die Tonleiter. Octave mit dem Verhältniss der Schwingungszahlen 1 : 2 Quinte „ „ „ „ „ 2 : 3 Quarte „ „ „ „ „ 3 : 4 Wundt, medicin. Physik. 11

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/183>, abgerufen am 24.04.2024.