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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von dem Schall.
Grundtöne sondern auch deren Obertöne mit einander Combinations-
töne bilden. Neben den Combinationstönen erster Ordnung erhält man
so Combinationstöne zweiter Ordnung u. s. f. Doch sind diese Com-
binationstöne höherer Ordnung nur bei den Differenztönen wahrzu-
nehmen.

Drittes Capitel.
Von den Geräuschen
.

118
Classification
der Geräusche.
Kurz dauernde
Geräusche.

Unsere Kenntnisse über das Wesen der Geräusche beschrän-
ken sich in der Hauptsache auf die in §. 106 angegebenen allgemei-
nen Gesichtspunkte. Dagegen ist es bis jetzt nicht geglückt die ein-
zelnen Formen der Geräusche in ähnlicher Weise wie die verschiedenen
Klangfarben zu zergliedern. Wir unterscheiden am besten zwei Ar-
ten von Geräuschen: erstens solche, bei denen hauptsächlich wegen
ihrer kurzen Dauer eine bestimmte Tonhöhe nicht wahrgenommen
werden kann, und zweitens solche, bei denen die Wahrnehmbarkeit
der Tonhöhe durch die gegenseitige Störung der in dem Schall ent-
haltenen Partialtöne verschwindet. Viele Geräusche können übrigens
gleichzeitig zu beiden Arten gerechnet werden, indem ebensowohl
durch kurze Dauer als durch Ineinanderklingen verschiedener Töne
die Tonhöhe unkenntlich wird.

Die kurz dauernden Geräusche, wie solche beim plötz-
lichen Aneinanderstossen fester Körper vorzukommen pflegen, stehen
meistens den regelmässigen Klängen näher. Da jede Erschütterung
eines festen Körpers vermöge der Elasticität desselben ein kurzes
Nachschwingen zur Folge hat, und da wenige periodische Schwingun-
gen zur Erzeugung einer bestimmten Tonhöhe schon genügen, so ist
es erklärlich, dass in diesem Fall die scharfe Erkennbarkeit des Tons
meistens nur an der ausserordentlichen Kürze desselben eine Grenze
findet. Wegen dieser Kürze des Tons ist es namentlich auch unmög-
lich noch Obertöne zu erkennen, und hierdurch hauptsächlich unter-
scheidet sich diese Art der Geräusche von den Klängen, denen sie
sich übrigens mit der Verlängerung ihrer Dauer annähern.

Ein instructives Beispiel der bezeichneten Classe von Geräuschen
bieten die sogenannten Percussionstöne des menschlichen Körpers.
Dieselben werden erzeugt, indem man auf die hinsichtlich ihres Schalls
zu untersuchende Körperstelle ein Elfenbeinplättchen (das Plessimeter)
auflegt und an dieses entweder mit dem Finger oder mit einem leder-
überzogenen Hämmerchen anschlägt. Es ist hierbei zunächst das ange-
schlagene Elfenbeinplättchen, welches den Schall erzeugt. Dieser
kurze und klanglose Schall wird aber durch die Theile, auf denen das
Plessimeter aufliegt, verändert. Sind diese Theile solid, so gerathen

Von dem Schall.
Grundtöne sondern auch deren Obertöne mit einander Combinations-
töne bilden. Neben den Combinationstönen erster Ordnung erhält man
so Combinationstöne zweiter Ordnung u. s. f. Doch sind diese Com-
binationstöne höherer Ordnung nur bei den Differenztönen wahrzu-
nehmen.

Drittes Capitel.
Von den Geräuschen
.

118
Classification
der Geräusche.
Kurz dauernde
Geräusche.

Unsere Kenntnisse über das Wesen der Geräusche beschrän-
ken sich in der Hauptsache auf die in §. 106 angegebenen allgemei-
nen Gesichtspunkte. Dagegen ist es bis jetzt nicht geglückt die ein-
zelnen Formen der Geräusche in ähnlicher Weise wie die verschiedenen
Klangfarben zu zergliedern. Wir unterscheiden am besten zwei Ar-
ten von Geräuschen: erstens solche, bei denen hauptsächlich wegen
ihrer kurzen Dauer eine bestimmte Tonhöhe nicht wahrgenommen
werden kann, und zweitens solche, bei denen die Wahrnehmbarkeit
der Tonhöhe durch die gegenseitige Störung der in dem Schall ent-
haltenen Partialtöne verschwindet. Viele Geräusche können übrigens
gleichzeitig zu beiden Arten gerechnet werden, indem ebensowohl
durch kurze Dauer als durch Ineinanderklingen verschiedener Töne
die Tonhöhe unkenntlich wird.

Die kurz dauernden Geräusche, wie solche beim plötz-
lichen Aneinanderstossen fester Körper vorzukommen pflegen, stehen
meistens den regelmässigen Klängen näher. Da jede Erschütterung
eines festen Körpers vermöge der Elasticität desselben ein kurzes
Nachschwingen zur Folge hat, und da wenige periodische Schwingun-
gen zur Erzeugung einer bestimmten Tonhöhe schon genügen, so ist
es erklärlich, dass in diesem Fall die scharfe Erkennbarkeit des Tons
meistens nur an der ausserordentlichen Kürze desselben eine Grenze
findet. Wegen dieser Kürze des Tons ist es namentlich auch unmög-
lich noch Obertöne zu erkennen, und hierdurch hauptsächlich unter-
scheidet sich diese Art der Geräusche von den Klängen, denen sie
sich übrigens mit der Verlängerung ihrer Dauer annähern.

Ein instructives Beispiel der bezeichneten Classe von Geräuschen
bieten die sogenannten Percussionstöne des menschlichen Körpers.
Dieselben werden erzeugt, indem man auf die hinsichtlich ihres Schalls
zu untersuchende Körperstelle ein Elfenbeinplättchen (das Plessimeter)
auflegt und an dieses entweder mit dem Finger oder mit einem leder-
überzogenen Hämmerchen anschlägt. Es ist hierbei zunächst das ange-
schlagene Elfenbeinplättchen, welches den Schall erzeugt. Dieser
kurze und klanglose Schall wird aber durch die Theile, auf denen das
Plessimeter aufliegt, verändert. Sind diese Theile solid, so gerathen

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[176/0198] Von dem Schall. Grundtöne sondern auch deren Obertöne mit einander Combinations- töne bilden. Neben den Combinationstönen erster Ordnung erhält man so Combinationstöne zweiter Ordnung u. s. f. Doch sind diese Com- binationstöne höherer Ordnung nur bei den Differenztönen wahrzu- nehmen. Drittes Capitel. Von den Geräuschen. Unsere Kenntnisse über das Wesen der Geräusche beschrän- ken sich in der Hauptsache auf die in §. 106 angegebenen allgemei- nen Gesichtspunkte. Dagegen ist es bis jetzt nicht geglückt die ein- zelnen Formen der Geräusche in ähnlicher Weise wie die verschiedenen Klangfarben zu zergliedern. Wir unterscheiden am besten zwei Ar- ten von Geräuschen: erstens solche, bei denen hauptsächlich wegen ihrer kurzen Dauer eine bestimmte Tonhöhe nicht wahrgenommen werden kann, und zweitens solche, bei denen die Wahrnehmbarkeit der Tonhöhe durch die gegenseitige Störung der in dem Schall ent- haltenen Partialtöne verschwindet. Viele Geräusche können übrigens gleichzeitig zu beiden Arten gerechnet werden, indem ebensowohl durch kurze Dauer als durch Ineinanderklingen verschiedener Töne die Tonhöhe unkenntlich wird. Die kurz dauernden Geräusche, wie solche beim plötz- lichen Aneinanderstossen fester Körper vorzukommen pflegen, stehen meistens den regelmässigen Klängen näher. Da jede Erschütterung eines festen Körpers vermöge der Elasticität desselben ein kurzes Nachschwingen zur Folge hat, und da wenige periodische Schwingun- gen zur Erzeugung einer bestimmten Tonhöhe schon genügen, so ist es erklärlich, dass in diesem Fall die scharfe Erkennbarkeit des Tons meistens nur an der ausserordentlichen Kürze desselben eine Grenze findet. Wegen dieser Kürze des Tons ist es namentlich auch unmög- lich noch Obertöne zu erkennen, und hierdurch hauptsächlich unter- scheidet sich diese Art der Geräusche von den Klängen, denen sie sich übrigens mit der Verlängerung ihrer Dauer annähern. Ein instructives Beispiel der bezeichneten Classe von Geräuschen bieten die sogenannten Percussionstöne des menschlichen Körpers. Dieselben werden erzeugt, indem man auf die hinsichtlich ihres Schalls zu untersuchende Körperstelle ein Elfenbeinplättchen (das Plessimeter) auflegt und an dieses entweder mit dem Finger oder mit einem leder- überzogenen Hämmerchen anschlägt. Es ist hierbei zunächst das ange- schlagene Elfenbeinplättchen, welches den Schall erzeugt. Dieser kurze und klanglose Schall wird aber durch die Theile, auf denen das Plessimeter aufliegt, verändert. Sind diese Theile solid, so gerathen

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/198>, abgerufen am 19.04.2024.