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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von dem Lichte.
ten dieses Planeten. Unter Aberration des Lichtes versteht man
diejenige scheinbare Abweichung der von einem entfernten Stern aus-
gehenden Lichtstrahlen von ihrer wahren Richtung, welche durch die
Bewegung der Erde verursacht wird. Denken wir uns, um dies zu
[Abbildung] Fig. 75.
veranschaulichen, die Erde ersetzt durch eine
Ebene E E (Fig. 75), und nehmen wir an,
in einiger Entfernung befinde sich vor der-
selben der mit einer kleinen Oeffnung o ver-
sehene Schirm S S. Der Fixstern f befindet
sich in solcher Ferne, dass der Durchmesser
der Erdbahn dagegen verschwindet. Denken
wir uns nun jene die Erde repräsentirende
Ebene E E sammt dem Schirm S S in der
Richtung o f bewegt, so wird diese Bewe-
gung auf der Erde selbst nicht wahrgenom-
men werden, und der Stern f wird immer
an derselben Stelle erscheinen. Bewegt sich
dagegen E E samt S S in der auf o f senkrechten Richtung, so wird,
wenn die Bewegung schnell genug ist, dass das von f ausgehende
Licht auf E E merklich später als auf S S ankommt, die Lichtquelle
verschoben erscheinen. Denn nehmen wir an, E E und S S beweg-
ten sich so schnell, dass e' an die Stelle von e tritt, bis das Licht
von o bis e gelangt, so wird das Licht nunmehr in der That nicht
auf e sondern auf e' auftreffen. Da uns aber die Erde selbst still zu
stehen scheint, so wird es uns vorkommen, als wenn das Licht in
der Richtung o e' ankäme, d. h. wir werden den Stern statt in f in
f' sehen. Es macht nun offenbar keinen Unterschied, wenn wir uns
den fingirten Schirm S S wieder hinwegdenken: immer wird ein in e'
befindliches Auge, das sich, ohne von seiner Bewegung zu wissen,
in derselben Zeit bis e bewegt, in welcher sich das Licht um die
Strecke o e fortpflanzt, die Lichtquelle in der Richtung e' f' statt in
der Richtung e f sehen müssen. Den Aberrationswinkel e o e' ermit-
telt man in dem vorliegenden Fall dadurch, dass man den bei der Be-
wegung der Erde in der Richtung e f gefundenen wahren Ort des
Fixsterns mit dem scheinbaren Ort, den er bei der Bewegung der
Erde in der Richtung E E einnimmt, vergleicht.

Die Tangente des Winkels e o e' ist, wie man leicht aus obiger Figur er-
sieht, gleich der zur Richtung des Lichtstrahls senkrechten Bewegung der Erde divi-
dirt durch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts. Die Erde legt nun in der
Secunde 4,15 Meilen zurück, und der Winkel e o e' wurde = 20",25 gefunden. Also ist,
wenn wir mit c die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes bezeichnen, tgt. 20",25 =
[Formel 1] Hieraus ergiebt sich c = 41500.

Die schon um das Jahr 1670 von Olaf Römer angewandte Methode aus der

Von dem Lichte.
ten dieses Planeten. Unter Aberration des Lichtes versteht man
diejenige scheinbare Abweichung der von einem entfernten Stern aus-
gehenden Lichtstrahlen von ihrer wahren Richtung, welche durch die
Bewegung der Erde verursacht wird. Denken wir uns, um dies zu
[Abbildung] Fig. 75.
veranschaulichen, die Erde ersetzt durch eine
Ebene E E (Fig. 75), und nehmen wir an,
in einiger Entfernung befinde sich vor der-
selben der mit einer kleinen Oeffnung o ver-
sehene Schirm S S. Der Fixstern f befindet
sich in solcher Ferne, dass der Durchmesser
der Erdbahn dagegen verschwindet. Denken
wir uns nun jene die Erde repräsentirende
Ebene E E sammt dem Schirm S S in der
Richtung o f bewegt, so wird diese Bewe-
gung auf der Erde selbst nicht wahrgenom-
men werden, und der Stern f wird immer
an derselben Stelle erscheinen. Bewegt sich
dagegen E E samt S S in der auf o f senkrechten Richtung, so wird,
wenn die Bewegung schnell genug ist, dass das von f ausgehende
Licht auf E E merklich später als auf S S ankommt, die Lichtquelle
verschoben erscheinen. Denn nehmen wir an, E E und S S beweg-
ten sich so schnell, dass e' an die Stelle von e tritt, bis das Licht
von o bis e gelangt, so wird das Licht nunmehr in der That nicht
auf e sondern auf e' auftreffen. Da uns aber die Erde selbst still zu
stehen scheint, so wird es uns vorkommen, als wenn das Licht in
der Richtung o e' ankäme, d. h. wir werden den Stern statt in f in
f' sehen. Es macht nun offenbar keinen Unterschied, wenn wir uns
den fingirten Schirm S S wieder hinwegdenken: immer wird ein in e'
befindliches Auge, das sich, ohne von seiner Bewegung zu wissen,
in derselben Zeit bis e bewegt, in welcher sich das Licht um die
Strecke o e fortpflanzt, die Lichtquelle in der Richtung e' f' statt in
der Richtung e f sehen müssen. Den Aberrationswinkel e o e' ermit-
telt man in dem vorliegenden Fall dadurch, dass man den bei der Be-
wegung der Erde in der Richtung e f gefundenen wahren Ort des
Fixsterns mit dem scheinbaren Ort, den er bei der Bewegung der
Erde in der Richtung E E einnimmt, vergleicht.

Die Tangente des Winkels e o e' ist, wie man leicht aus obiger Figur er-
sieht, gleich der zur Richtung des Lichtstrahls senkrechten Bewegung der Erde divi-
dirt durch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts. Die Erde legt nun in der
Secunde 4,15 Meilen zurück, und der Winkel e o e' wurde = 20″,25 gefunden. Also ist,
wenn wir mit c die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes bezeichnen, tgt. 20″,25 =
[Formel 1] Hieraus ergiebt sich c = 41500.

Die schon um das Jahr 1670 von Olaf Römer angewandte Methode aus der

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[192/0214] Von dem Lichte. ten dieses Planeten. Unter Aberration des Lichtes versteht man diejenige scheinbare Abweichung der von einem entfernten Stern aus- gehenden Lichtstrahlen von ihrer wahren Richtung, welche durch die Bewegung der Erde verursacht wird. Denken wir uns, um dies zu [Abbildung Fig. 75.] veranschaulichen, die Erde ersetzt durch eine Ebene E E (Fig. 75), und nehmen wir an, in einiger Entfernung befinde sich vor der- selben der mit einer kleinen Oeffnung o ver- sehene Schirm S S. Der Fixstern f befindet sich in solcher Ferne, dass der Durchmesser der Erdbahn dagegen verschwindet. Denken wir uns nun jene die Erde repräsentirende Ebene E E sammt dem Schirm S S in der Richtung o f bewegt, so wird diese Bewe- gung auf der Erde selbst nicht wahrgenom- men werden, und der Stern f wird immer an derselben Stelle erscheinen. Bewegt sich dagegen E E samt S S in der auf o f senkrechten Richtung, so wird, wenn die Bewegung schnell genug ist, dass das von f ausgehende Licht auf E E merklich später als auf S S ankommt, die Lichtquelle verschoben erscheinen. Denn nehmen wir an, E E und S S beweg- ten sich so schnell, dass e' an die Stelle von e tritt, bis das Licht von o bis e gelangt, so wird das Licht nunmehr in der That nicht auf e sondern auf e' auftreffen. Da uns aber die Erde selbst still zu stehen scheint, so wird es uns vorkommen, als wenn das Licht in der Richtung o e' ankäme, d. h. wir werden den Stern statt in f in f' sehen. Es macht nun offenbar keinen Unterschied, wenn wir uns den fingirten Schirm S S wieder hinwegdenken: immer wird ein in e' befindliches Auge, das sich, ohne von seiner Bewegung zu wissen, in derselben Zeit bis e bewegt, in welcher sich das Licht um die Strecke o e fortpflanzt, die Lichtquelle in der Richtung e' f' statt in der Richtung e f sehen müssen. Den Aberrationswinkel e o e' ermit- telt man in dem vorliegenden Fall dadurch, dass man den bei der Be- wegung der Erde in der Richtung e f gefundenen wahren Ort des Fixsterns mit dem scheinbaren Ort, den er bei der Bewegung der Erde in der Richtung E E einnimmt, vergleicht. Die Tangente des Winkels e o e' ist, wie man leicht aus obiger Figur er- sieht, gleich der zur Richtung des Lichtstrahls senkrechten Bewegung der Erde divi- dirt durch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts. Die Erde legt nun in der Secunde 4,15 Meilen zurück, und der Winkel e o e' wurde = 20″,25 gefunden. Also ist, wenn wir mit c die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes bezeichnen, tgt. 20″,25 = [FORMEL] Hieraus ergiebt sich c = 41500. Die schon um das Jahr 1670 von Olaf Römer angewandte Methode aus der

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/214>, abgerufen am 25.04.2024.