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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von dem Lichte.

155
Optische An-
wendungen der
Linsen. Camera
obscura. Brillen-
gläser.

Die Linsen und die Linsensysteme finden hauptsächlich optische
Anwendungen: 1) zur Beleuchtung von Gegenständen und 2) zur Ent-
werfung reeller oder virtueller Bilder der Objecte. Um Gegenstände
zu beleuchten gebraucht man Sammellinsen von ziemlich grosser Brenn-
weite, das Object bringt man in den Brennpunkt oder nahe demsel-
ben. Zur Entwerfung reeller Bilder dient gleichfalls die Sammel-
linse in ihren verschiedenen Formen. Nach §. 149 kann man mit
derselben je nach der Entfernung, in welche man das Object bringt,
verkleinerte oder vergrösserte umgekehrte Bilder entwerfen. Ein In-
strument, das zur Entwerfung verkleinerter Bilder entfernter Gegen-
stände dient, ist die Camera obscura (Fig. 111). Dieselbe besteht

[Abbildung] Fig. 111.
aus einem innen geschwärzten Kasten
C, an welchem sich vorn eine Röhre
R und in dieser eine engere ver-
schiebbare Röhre r mit der Sammel-
linse b befindet. Man richtet nun die
Röhre R so, dass die von einem fer-
nen Gegenstand kommenden Lichtstrah-
len auf die Linse fallen, und verschiebt
dann die Röhre r in ihrer Hülse, bis auf
der Wand W ein deutliches Bild entsteht: ist diese Wand von Glas,
so kann ein hinter derselben befindliches Auge das umgekehrte verklei-
nerte Bild des Gegenstandes beobachten. Die Camera obscura ist
das einfachste bildentwerfende Instrument. Ihr am nächsten verwandt
ist das menschliche Auge, welches sich von ihr hauptsächlich dadurch
unterscheidet, dass in ihm das umgekehrte verkleinerte Bild äusserer
Objecte nicht durch eine einfache Linse sondern durch ein System
brechender Medien entworfen wird. Bei dem Fernrohr wird ein wie
in der Camera obscura entworfenes Bild durch eine zweite Sammel-
linse betrachtet. Wir werden diese beiden zusammengesetzten Instru-
mente sowie das Mikroskop, das sich als eine umgekehrte Camera
obscura auffassen lässt, in Cap. 14--16 ausführlicher betrachten. Zur
Entwerfung virtueller Bilder bedient man sich sowohl der Convex-
wie der Concavgläser. Halten wir vor das Auge eine Linse, die, wie
Fig. 104 B und Fig. 105, ein virtuelles Bild von einem Objecte ent-
wirft, so hat dies denselben Effect, als wenn wir das Object selbst
nach dem Ort des virtuellen Bildes gebracht hätten: eine Convexlinse
wirkt daher ebenso, als wenn wir die Gegenstände von unserm Auge
entfernten, eine Concavlinse so, als wenn wenn wir sie näher an das-
selbe heranbrächten. Der Convexlinse bedient sich daher das fern-
sichtige, der Concavlinse das kurzsichtige Auge, um eine normale Seh-
weite zu erhalten. Vergl. §. 181 u. f.



Von dem Lichte.

155
Optische An-
wendungen der
Linsen. Camera
obscura. Brillen-
gläser.

Die Linsen und die Linsensysteme finden hauptsächlich optische
Anwendungen: 1) zur Beleuchtung von Gegenständen und 2) zur Ent-
werfung reeller oder virtueller Bilder der Objecte. Um Gegenstände
zu beleuchten gebraucht man Sammellinsen von ziemlich grosser Brenn-
weite, das Object bringt man in den Brennpunkt oder nahe demsel-
ben. Zur Entwerfung reeller Bilder dient gleichfalls die Sammel-
linse in ihren verschiedenen Formen. Nach §. 149 kann man mit
derselben je nach der Entfernung, in welche man das Object bringt,
verkleinerte oder vergrösserte umgekehrte Bilder entwerfen. Ein In-
strument, das zur Entwerfung verkleinerter Bilder entfernter Gegen-
stände dient, ist die Camera obscura (Fig. 111). Dieselbe besteht

[Abbildung] Fig. 111.
aus einem innen geschwärzten Kasten
C, an welchem sich vorn eine Röhre
R und in dieser eine engere ver-
schiebbare Röhre r mit der Sammel-
linse b befindet. Man richtet nun die
Röhre R so, dass die von einem fer-
nen Gegenstand kommenden Lichtstrah-
len auf die Linse fallen, und verschiebt
dann die Röhre r in ihrer Hülse, bis auf
der Wand W ein deutliches Bild entsteht: ist diese Wand von Glas,
so kann ein hinter derselben befindliches Auge das umgekehrte verklei-
nerte Bild des Gegenstandes beobachten. Die Camera obscura ist
das einfachste bildentwerfende Instrument. Ihr am nächsten verwandt
ist das menschliche Auge, welches sich von ihr hauptsächlich dadurch
unterscheidet, dass in ihm das umgekehrte verkleinerte Bild äusserer
Objecte nicht durch eine einfache Linse sondern durch ein System
brechender Medien entworfen wird. Bei dem Fernrohr wird ein wie
in der Camera obscura entworfenes Bild durch eine zweite Sammel-
linse betrachtet. Wir werden diese beiden zusammengesetzten Instru-
mente sowie das Mikroskop, das sich als eine umgekehrte Camera
obscura auffassen lässt, in Cap. 14—16 ausführlicher betrachten. Zur
Entwerfung virtueller Bilder bedient man sich sowohl der Convex-
wie der Concavgläser. Halten wir vor das Auge eine Linse, die, wie
Fig. 104 B und Fig. 105, ein virtuelles Bild von einem Objecte ent-
wirft, so hat dies denselben Effect, als wenn wir das Object selbst
nach dem Ort des virtuellen Bildes gebracht hätten: eine Convexlinse
wirkt daher ebenso, als wenn wir die Gegenstände von unserm Auge
entfernten, eine Concavlinse so, als wenn wenn wir sie näher an das-
selbe heranbrächten. Der Convexlinse bedient sich daher das fern-
sichtige, der Concavlinse das kurzsichtige Auge, um eine normale Seh-
weite zu erhalten. Vergl. §. 181 u. f.



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[234/0256] Von dem Lichte. Die Linsen und die Linsensysteme finden hauptsächlich optische Anwendungen: 1) zur Beleuchtung von Gegenständen und 2) zur Ent- werfung reeller oder virtueller Bilder der Objecte. Um Gegenstände zu beleuchten gebraucht man Sammellinsen von ziemlich grosser Brenn- weite, das Object bringt man in den Brennpunkt oder nahe demsel- ben. Zur Entwerfung reeller Bilder dient gleichfalls die Sammel- linse in ihren verschiedenen Formen. Nach §. 149 kann man mit derselben je nach der Entfernung, in welche man das Object bringt, verkleinerte oder vergrösserte umgekehrte Bilder entwerfen. Ein In- strument, das zur Entwerfung verkleinerter Bilder entfernter Gegen- stände dient, ist die Camera obscura (Fig. 111). Dieselbe besteht [Abbildung Fig. 111.] aus einem innen geschwärzten Kasten C, an welchem sich vorn eine Röhre R und in dieser eine engere ver- schiebbare Röhre r mit der Sammel- linse b befindet. Man richtet nun die Röhre R so, dass die von einem fer- nen Gegenstand kommenden Lichtstrah- len auf die Linse fallen, und verschiebt dann die Röhre r in ihrer Hülse, bis auf der Wand W ein deutliches Bild entsteht: ist diese Wand von Glas, so kann ein hinter derselben befindliches Auge das umgekehrte verklei- nerte Bild des Gegenstandes beobachten. Die Camera obscura ist das einfachste bildentwerfende Instrument. Ihr am nächsten verwandt ist das menschliche Auge, welches sich von ihr hauptsächlich dadurch unterscheidet, dass in ihm das umgekehrte verkleinerte Bild äusserer Objecte nicht durch eine einfache Linse sondern durch ein System brechender Medien entworfen wird. Bei dem Fernrohr wird ein wie in der Camera obscura entworfenes Bild durch eine zweite Sammel- linse betrachtet. Wir werden diese beiden zusammengesetzten Instru- mente sowie das Mikroskop, das sich als eine umgekehrte Camera obscura auffassen lässt, in Cap. 14—16 ausführlicher betrachten. Zur Entwerfung virtueller Bilder bedient man sich sowohl der Convex- wie der Concavgläser. Halten wir vor das Auge eine Linse, die, wie Fig. 104 B und Fig. 105, ein virtuelles Bild von einem Objecte ent- wirft, so hat dies denselben Effect, als wenn wir das Object selbst nach dem Ort des virtuellen Bildes gebracht hätten: eine Convexlinse wirkt daher ebenso, als wenn wir die Gegenstände von unserm Auge entfernten, eine Concavlinse so, als wenn wenn wir sie näher an das- selbe heranbrächten. Der Convexlinse bedient sich daher das fern- sichtige, der Concavlinse das kurzsichtige Auge, um eine normale Seh- weite zu erhalten. Vergl. §. 181 u. f.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/256>, abgerufen am 19.04.2024.