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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Bewegung der Elektricität.
Metalle erzeugt wird. Wir haben daher die Gesetze des Entlad-
ungsstroms
und des galvanischen Stroms gesondert zu be-
trachten.

Die Entladung der auf einem isolirten Leiter angesammelten307
Der Entlad-
ungsstrom.

Elektricität besteht niemals in einem einfachen Ausströmen auf einen
andern neutralen Leiter, sondern stets in einem Austausch entgegen-
gesetzter Elektricitäten in gleicher Menge. Denn stets wird, wenn
einem elektrisirten Körper ein Leiter genähert wird, auf diesem ent-
gegengesetzte Elektricität durch Influenz hervorgerufen. Ist die Dich-
tigkeit dieser entgegengesetzten Elektricitäten auf den einander ge-
näherten Flächen gross genug geworden, dass die dazwischen befind-
liche Luftschichte durchbrochen werden kann, so erfolgt der Entla-
dungsschlag. Ist der mit Elektricität geladene Körper ein Leiter, und
steht der andere Leiter, mit welchem man die Entladung vornimmt,
sowohl mit dem elektrisirten Körper als mit der Erde in Verbindung,
so ist die Entladung eine vollständige: beide Leiter bleiben unelek-
trisch zurück. Ist aber der entladende Leiter gleich dem elektrisirten
Körper isolirt, so kann nur ein Theil der Elektricität auf ihn über-
gehen. Ebenso ist die Entladung in allen jenen Fällen keine voll-
ständige, in welchen sich eine grössere oder geringere Luftschichte
zwischen beiden Körpern befindet. Nähert man z. B. dem vollständig
geladenen Conductor einer Elektrisirmaschine einen Entlader, so springt
bei einer bestimmten Entfernung des Conductors vom Entlader ein
Funke über, nähert man dann den Entlader noch weiter, so springt
ein zweiter Funke über, u. s. f. Die totale Entladung eines mit Elek-
tricität geladenen Leiters besteht somit aus einer Anzahl von Par-
tialentladungen
. Diejenige Distanz, in welcher die erste Partial-
entladung stattfindet, nennt man die Schlagweite. Nach den Versu-
chen von Riess ist die Schlagweite direct der Dichtigkeit der Elek-
tricität proportional. Hieraus folgt unmittelbar, dass jede Entladung
aus einer Reihe solcher Partialentladungen, wie sie in der That nach-
zuweisen sind, bestehen muss. Ist nämlich der Entlader dem elek-
trisirten Körper bis zur Schlagweite nahe gerückt, so findet eine theil-
weise Entladung statt, durch welche die Dichtigkeit der freien Elek-
tricität vermindert wird; man muss daher nun die beiden Körper ein-
ander näher rücken, damit noch eine fernere Entladung stattfinden
könne; eine vollständige Entladung wird aber erst möglich sein, wenn
der Zwischenraum zwischen beiden Körpern null geworden ist.

Wheatstone hat gezeigt, dass nicht bloss die Totalentladung eines elektri-
sirten Körpers aus einer Reihe von Partialentladungen besteht, welche stattfinden,
während sich ihm der Entlader von der ersten Schlagweite an bis zur vollständigen
Berührung nähert, sondern dass auch jede einzelne der Partialentladungen eigentlich

Bewegung der Elektricität.
Metalle erzeugt wird. Wir haben daher die Gesetze des Entlad-
ungsstroms
und des galvanischen Stroms gesondert zu be-
trachten.

Die Entladung der auf einem isolirten Leiter angesammelten307
Der Entlad-
ungsstrom.

Elektricität besteht niemals in einem einfachen Ausströmen auf einen
andern neutralen Leiter, sondern stets in einem Austausch entgegen-
gesetzter Elektricitäten in gleicher Menge. Denn stets wird, wenn
einem elektrisirten Körper ein Leiter genähert wird, auf diesem ent-
gegengesetzte Elektricität durch Influenz hervorgerufen. Ist die Dich-
tigkeit dieser entgegengesetzten Elektricitäten auf den einander ge-
näherten Flächen gross genug geworden, dass die dazwischen befind-
liche Luftschichte durchbrochen werden kann, so erfolgt der Entla-
dungsschlag. Ist der mit Elektricität geladene Körper ein Leiter, und
steht der andere Leiter, mit welchem man die Entladung vornimmt,
sowohl mit dem elektrisirten Körper als mit der Erde in Verbindung,
so ist die Entladung eine vollständige: beide Leiter bleiben unelek-
trisch zurück. Ist aber der entladende Leiter gleich dem elektrisirten
Körper isolirt, so kann nur ein Theil der Elektricität auf ihn über-
gehen. Ebenso ist die Entladung in allen jenen Fällen keine voll-
ständige, in welchen sich eine grössere oder geringere Luftschichte
zwischen beiden Körpern befindet. Nähert man z. B. dem vollständig
geladenen Conductor einer Elektrisirmaschine einen Entlader, so springt
bei einer bestimmten Entfernung des Conductors vom Entlader ein
Funke über, nähert man dann den Entlader noch weiter, so springt
ein zweiter Funke über, u. s. f. Die totale Entladung eines mit Elek-
tricität geladenen Leiters besteht somit aus einer Anzahl von Par-
tialentladungen
. Diejenige Distanz, in welcher die erste Partial-
entladung stattfindet, nennt man die Schlagweite. Nach den Versu-
chen von Riess ist die Schlagweite direct der Dichtigkeit der Elek-
tricität proportional. Hieraus folgt unmittelbar, dass jede Entladung
aus einer Reihe solcher Partialentladungen, wie sie in der That nach-
zuweisen sind, bestehen muss. Ist nämlich der Entlader dem elek-
trisirten Körper bis zur Schlagweite nahe gerückt, so findet eine theil-
weise Entladung statt, durch welche die Dichtigkeit der freien Elek-
tricität vermindert wird; man muss daher nun die beiden Körper ein-
ander näher rücken, damit noch eine fernere Entladung stattfinden
könne; eine vollständige Entladung wird aber erst möglich sein, wenn
der Zwischenraum zwischen beiden Körpern null geworden ist.

Wheatstone hat gezeigt, dass nicht bloss die Totalentladung eines elektri-
sirten Körpers aus einer Reihe von Partialentladungen besteht, welche stattfinden,
während sich ihm der Entlader von der ersten Schlagweite an bis zur vollständigen
Berührung nähert, sondern dass auch jede einzelne der Partialentladungen eigentlich

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[455/0477] Bewegung der Elektricität. Metalle erzeugt wird. Wir haben daher die Gesetze des Entlad- ungsstroms und des galvanischen Stroms gesondert zu be- trachten. Die Entladung der auf einem isolirten Leiter angesammelten Elektricität besteht niemals in einem einfachen Ausströmen auf einen andern neutralen Leiter, sondern stets in einem Austausch entgegen- gesetzter Elektricitäten in gleicher Menge. Denn stets wird, wenn einem elektrisirten Körper ein Leiter genähert wird, auf diesem ent- gegengesetzte Elektricität durch Influenz hervorgerufen. Ist die Dich- tigkeit dieser entgegengesetzten Elektricitäten auf den einander ge- näherten Flächen gross genug geworden, dass die dazwischen befind- liche Luftschichte durchbrochen werden kann, so erfolgt der Entla- dungsschlag. Ist der mit Elektricität geladene Körper ein Leiter, und steht der andere Leiter, mit welchem man die Entladung vornimmt, sowohl mit dem elektrisirten Körper als mit der Erde in Verbindung, so ist die Entladung eine vollständige: beide Leiter bleiben unelek- trisch zurück. Ist aber der entladende Leiter gleich dem elektrisirten Körper isolirt, so kann nur ein Theil der Elektricität auf ihn über- gehen. Ebenso ist die Entladung in allen jenen Fällen keine voll- ständige, in welchen sich eine grössere oder geringere Luftschichte zwischen beiden Körpern befindet. Nähert man z. B. dem vollständig geladenen Conductor einer Elektrisirmaschine einen Entlader, so springt bei einer bestimmten Entfernung des Conductors vom Entlader ein Funke über, nähert man dann den Entlader noch weiter, so springt ein zweiter Funke über, u. s. f. Die totale Entladung eines mit Elek- tricität geladenen Leiters besteht somit aus einer Anzahl von Par- tialentladungen. Diejenige Distanz, in welcher die erste Partial- entladung stattfindet, nennt man die Schlagweite. Nach den Versu- chen von Riess ist die Schlagweite direct der Dichtigkeit der Elek- tricität proportional. Hieraus folgt unmittelbar, dass jede Entladung aus einer Reihe solcher Partialentladungen, wie sie in der That nach- zuweisen sind, bestehen muss. Ist nämlich der Entlader dem elek- trisirten Körper bis zur Schlagweite nahe gerückt, so findet eine theil- weise Entladung statt, durch welche die Dichtigkeit der freien Elek- tricität vermindert wird; man muss daher nun die beiden Körper ein- ander näher rücken, damit noch eine fernere Entladung stattfinden könne; eine vollständige Entladung wird aber erst möglich sein, wenn der Zwischenraum zwischen beiden Körpern null geworden ist. 307 Der Entlad- ungsstrom. Wheatstone hat gezeigt, dass nicht bloss die Totalentladung eines elektri- sirten Körpers aus einer Reihe von Partialentladungen besteht, welche stattfinden, während sich ihm der Entlader von der ersten Schlagweite an bis zur vollständigen Berührung nähert, sondern dass auch jede einzelne der Partialentladungen eigentlich

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/477>, abgerufen am 20.04.2024.