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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von der Elektricität.

Alle Methoden zur Bestimmung elektromotorischer Kräfte bestehen darin, dass
man letztere mit einer elektromotorischen Kraft von bekannter Stärke vergleicht. Die
zuverlässigste, und namentlich auch zur Bestimmung schwacher und inconstanter elek-
tromotorischer Kräfte geeignete, ist die von Poggendorff angegebene Methode der
Compensation. Bei E2 (Fig. 221) befindet sich der Elektromotor, dessen elektro-

[Abbildung] Fig. 221.
motorische Kraft bestimmt werden soll. Man ver-
bindet den einen der von ihm ausgehenden Lei-
tungsdrähte mit dem Galvanometer G, den andern
mit dem Rheochord a b; der zweite Draht des Gal-
vanometers wird bei c mit der verschiebbaren
Schliessung des Rheochords verbunden. Bei E1 be-
findet sich eine constante galvanische Combination
von bekannter Stärke, z. B. ein Daniell'sches
Element, dessen Pole mit den Enden a und b des
Rheochords verbunden sind. Dem von E1 aus-
gehenden Strom wird eine dem Strom des Elektro-
motors E2 entgegengesetzte Richtung gegeben;
man schaltet daher zweckmässig in den Kreis a
E1 b einen Stromwender ein. Durch Verschieben
der Schliessung c werden dann die beiden entge-
gengesetzt kreisenden Stromzweige im Kreise a
E2 G c a auf gleiche Stärke gebracht, was man
daran erkennt, dass die Magnetnadel des Galvano-
meters G auf dem Nullpunkt verbleibt. Die elek-
tromotorische Kraft E2 ergibt sich so aus den in §. 315 erörterten Gesetzen der
Stromverzweigung. Bezeichnen wir den Widerstand des Theils a E1 b der Leitung
mit w1, den Widerstand von a E2 G c mit w2, ferner den Widerstand des Theils a c
der Rheostatenlänge mit w3, denjenigen des Theils c b mit w4, so würde, wenn wir
voraussetzten, es sei bloss der Strom E1 vorhanden, die Intensität i1 im Kreise a E2
G c a nach Gl. 4 §. 315
[Formel 1]

Wäre bloss der von E2 herrührende Strom vorhanden, so würde die Intensität
i2 im selben Zweig der Leitung nach Gl. 3 ebend. sein:
[Formel 2]

Das negative Vorzeichen ist hier zu wählen, weil dieser Strom dem vorigen ent-
gegengesetzt gerichtet ist. Nun muss aber, wenn die Wirkungen beider Ströme auf
das Galvanometer sich aufheben sollen, i1 = i2 sein. Hieraus folgt
E1 w3 = E2 (w3 + w4 + w1),
[Formel 3]

Nach dieser Methode kann man also die elektromotorische Kraft E2 bestimmen,
ohne dass man den Widerstand w2 zu kennen braucht. Die Widerstände w3 und w4
liest man unmittelbar an dem Rheostaten ab. Kann man nun annehmen, dass w1 in
den verschiedenen Versuchen constant bleibe, so lassen sich dann ohne weiteres für
die elektromotorischen Kräfte verschiedener Elektromotoren vergleichbare Werthe ge-
winnen. Bei genauen Versuchen muss dagegen darauf Rücksicht genommen werden,
dass w1 nicht vollkommen constant ist, weil der wesentliche Widerstand der Da-

Von der Elektricität.

Alle Methoden zur Bestimmung elektromotorischer Kräfte bestehen darin, dass
man letztere mit einer elektromotorischen Kraft von bekannter Stärke vergleicht. Die
zuverlässigste, und namentlich auch zur Bestimmung schwacher und inconstanter elek-
tromotorischer Kräfte geeignete, ist die von Poggendorff angegebene Methode der
Compensation. Bei E2 (Fig. 221) befindet sich der Elektromotor, dessen elektro-

[Abbildung] Fig. 221.
motorische Kraft bestimmt werden soll. Man ver-
bindet den einen der von ihm ausgehenden Lei-
tungsdrähte mit dem Galvanometer G, den andern
mit dem Rheochord a b; der zweite Draht des Gal-
vanometers wird bei c mit der verschiebbaren
Schliessung des Rheochords verbunden. Bei E1 be-
findet sich eine constante galvanische Combination
von bekannter Stärke, z. B. ein Daniell’sches
Element, dessen Pole mit den Enden a und b des
Rheochords verbunden sind. Dem von E1 aus-
gehenden Strom wird eine dem Strom des Elektro-
motors E2 entgegengesetzte Richtung gegeben;
man schaltet daher zweckmässig in den Kreis a
E1 b einen Stromwender ein. Durch Verschieben
der Schliessung c werden dann die beiden entge-
gengesetzt kreisenden Stromzweige im Kreise a
E2 G c a auf gleiche Stärke gebracht, was man
daran erkennt, dass die Magnetnadel des Galvano-
meters G auf dem Nullpunkt verbleibt. Die elek-
tromotorische Kraft E2 ergibt sich so aus den in §. 315 erörterten Gesetzen der
Stromverzweigung. Bezeichnen wir den Widerstand des Theils a E1 b der Leitung
mit w1, den Widerstand von a E2 G c mit w2, ferner den Widerstand des Theils a c
der Rheostatenlänge mit w3, denjenigen des Theils c b mit w4, so würde, wenn wir
voraussetzten, es sei bloss der Strom E1 vorhanden, die Intensität i1 im Kreise a E2
G c a nach Gl. 4 §. 315
[Formel 1]

Wäre bloss der von E2 herrührende Strom vorhanden, so würde die Intensität
i2 im selben Zweig der Leitung nach Gl. 3 ebend. sein:
[Formel 2]

Das negative Vorzeichen ist hier zu wählen, weil dieser Strom dem vorigen ent-
gegengesetzt gerichtet ist. Nun muss aber, wenn die Wirkungen beider Ströme auf
das Galvanometer sich aufheben sollen, i1 = i2 sein. Hieraus folgt
E1 w3 = E2 (w3 + w4 + w1),
[Formel 3]

Nach dieser Methode kann man also die elektromotorische Kraft E2 bestimmen,
ohne dass man den Widerstand w2 zu kennen braucht. Die Widerstände w3 und w4
liest man unmittelbar an dem Rheostaten ab. Kann man nun annehmen, dass w1 in
den verschiedenen Versuchen constant bleibe, so lassen sich dann ohne weiteres für
die elektromotorischen Kräfte verschiedener Elektromotoren vergleichbare Werthe ge-
winnen. Bei genauen Versuchen muss dagegen darauf Rücksicht genommen werden,
dass w1 nicht vollkommen constant ist, weil der wesentliche Widerstand der Da-

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[484/0506] Von der Elektricität. Alle Methoden zur Bestimmung elektromotorischer Kräfte bestehen darin, dass man letztere mit einer elektromotorischen Kraft von bekannter Stärke vergleicht. Die zuverlässigste, und namentlich auch zur Bestimmung schwacher und inconstanter elek- tromotorischer Kräfte geeignete, ist die von Poggendorff angegebene Methode der Compensation. Bei E2 (Fig. 221) befindet sich der Elektromotor, dessen elektro- [Abbildung Fig. 221.] motorische Kraft bestimmt werden soll. Man ver- bindet den einen der von ihm ausgehenden Lei- tungsdrähte mit dem Galvanometer G, den andern mit dem Rheochord a b; der zweite Draht des Gal- vanometers wird bei c mit der verschiebbaren Schliessung des Rheochords verbunden. Bei E1 be- findet sich eine constante galvanische Combination von bekannter Stärke, z. B. ein Daniell’sches Element, dessen Pole mit den Enden a und b des Rheochords verbunden sind. Dem von E1 aus- gehenden Strom wird eine dem Strom des Elektro- motors E2 entgegengesetzte Richtung gegeben; man schaltet daher zweckmässig in den Kreis a E1 b einen Stromwender ein. Durch Verschieben der Schliessung c werden dann die beiden entge- gengesetzt kreisenden Stromzweige im Kreise a E2 G c a auf gleiche Stärke gebracht, was man daran erkennt, dass die Magnetnadel des Galvano- meters G auf dem Nullpunkt verbleibt. Die elek- tromotorische Kraft E2 ergibt sich so aus den in §. 315 erörterten Gesetzen der Stromverzweigung. Bezeichnen wir den Widerstand des Theils a E1 b der Leitung mit w1, den Widerstand von a E2 G c mit w2, ferner den Widerstand des Theils a c der Rheostatenlänge mit w3, denjenigen des Theils c b mit w4, so würde, wenn wir voraussetzten, es sei bloss der Strom E1 vorhanden, die Intensität i1 im Kreise a E2 G c a nach Gl. 4 §. 315 [FORMEL] Wäre bloss der von E2 herrührende Strom vorhanden, so würde die Intensität i2 im selben Zweig der Leitung nach Gl. 3 ebend. sein: [FORMEL] Das negative Vorzeichen ist hier zu wählen, weil dieser Strom dem vorigen ent- gegengesetzt gerichtet ist. Nun muss aber, wenn die Wirkungen beider Ströme auf das Galvanometer sich aufheben sollen, i1 = i2 sein. Hieraus folgt E1 w3 = E2 (w3 + w4 + w1), [FORMEL] Nach dieser Methode kann man also die elektromotorische Kraft E2 bestimmen, ohne dass man den Widerstand w2 zu kennen braucht. Die Widerstände w3 und w4 liest man unmittelbar an dem Rheostaten ab. Kann man nun annehmen, dass w1 in den verschiedenen Versuchen constant bleibe, so lassen sich dann ohne weiteres für die elektromotorischen Kräfte verschiedener Elektromotoren vergleichbare Werthe ge- winnen. Bei genauen Versuchen muss dagegen darauf Rücksicht genommen werden, dass w1 nicht vollkommen constant ist, weil der wesentliche Widerstand der Da-

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/506>, abgerufen am 28.03.2024.