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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von der Elektricität.
Schliessungsbausch bereits eine grössere oder geringere Ablenkung der Magnetnadel
bewirkt. Man kann die Wirkung dieser constanten Kraft, die sich zu derjenigen des
untersuchten Gewebes addiren würde, ebenfalls mit Hülfe des Compensationsverfahrens
(nach §. 320) zum Verschwinden bringen. Von du Bois-Reymond wurde früher,
bevor der Vortheil unpolisirbarer Elektroden bei elektrophysiologischen Versuchen ge-
nauer bekannt war, dem Apparat in Fig. 224 folgende Zusammensetzung gegeben.
Die Gläser g waren mit gesättigter Kochsalzlösung gefüllt, mit derselben waren die
Bäusche b getränkt; Nerv oder Muskel aber waren vor der Wirkung des Kochsalzes durch
in Eiweiss getränkte Stückchen Blase geschützt. Die Platten p bestanden aus Platin.
Eine solche Zusammenstellung zeigt beträchtliche Polarisation. Jede Ablenkung der
Magnetnadel durch den Nerven- oder Muskelstrom nimmt daher hier rasch ab und
geht, wenn man nach Entfernung des Nerven oder Muskels den Schliessungsbausch
auflegt, in die entgegengesetzte Ablenkung über, die sich jedoch in einiger Zeit wie-
der ausgleicht.

Fünftes Capitel.
Magnetismus
.

329
Allgemeine Ei-
genschaften der
Magnete.

Das in der Natur vorkommende Eisenoxyduloxyd (Fe3O4) hat
häufig die Eigenschaft, kleine Stückchen metallischen Eisens anzu-
ziehen und festzuhalten. Man hat schon im Alterthum den Körpern,
welche jene Anziehung gegen das Eisen und einige andere Metalle
ausüben, den Namen Magnete gegeben (von der Stadt Magnesia, in
deren Nähe am frühesten solche Eisenerze entdeckt wurden).

An jedem natürlichen Magneten findet man Stellen, an welchen
die anziehende Eigenschaft grösser ist als an den andern. Diese
Stellen nennt man die Pole. Nähert man einem solchen Pol ein
Stäbchen aus weichem Eisen, so zeigt dieses dieselbe Eigenschaft
wie der natürliche Magnet. Das Stäbchen hat nun zwei Pole, an de-
nen die anziehende Kraft am grössten ist, den einen an dem Ende,
welches dem Magneten zugekehrt ist, den andern am entgegengesetz-
ten Ende. Gegen die Mitte nimmt die anziehende Kraft ab, und in
der Mitte selber ist sie gleich null.

Nach seiner Entfernung von dem Magneten verliert jedoch das
Eisenstäbchen vollständig seine magnetische Eigenschaft. Verschieden
davon verhält sich das gehärtete Eisen, der Stahl. Bringt man einen
Stahlstab in die Nähe eines natürlichen Magneten, so zeigt jener an-
fänglich keine Veränderung. Erst wenn die Annäherung längere Zeit
gedauert hat, wird er ebenfalls magnetisch, indem er gleich dem Eisen
zwei Pole annimmt. Ein auf diese Weise magnetisirter Stahlstab be-
hält aber dann längere Zeit, nachdem man ihn von dem natürlichen
Magneten entfernt hat, seine magnetischen Eigenschaften bei. Diese
Eigenthümlichkeit des Stahls bietet daher das hauptsächlichste Hülfs-
mittel zur Erzeugung künstlicher Magnete. Durch solche künst-

Von der Elektricität.
Schliessungsbausch bereits eine grössere oder geringere Ablenkung der Magnetnadel
bewirkt. Man kann die Wirkung dieser constanten Kraft, die sich zu derjenigen des
untersuchten Gewebes addiren würde, ebenfalls mit Hülfe des Compensationsverfahrens
(nach §. 320) zum Verschwinden bringen. Von du Bois-Reymond wurde früher,
bevor der Vortheil unpolisirbarer Elektroden bei elektrophysiologischen Versuchen ge-
nauer bekannt war, dem Apparat in Fig. 224 folgende Zusammensetzung gegeben.
Die Gläser g waren mit gesättigter Kochsalzlösung gefüllt, mit derselben waren die
Bäusche b getränkt; Nerv oder Muskel aber waren vor der Wirkung des Kochsalzes durch
in Eiweiss getränkte Stückchen Blase geschützt. Die Platten p bestanden aus Platin.
Eine solche Zusammenstellung zeigt beträchtliche Polarisation. Jede Ablenkung der
Magnetnadel durch den Nerven- oder Muskelstrom nimmt daher hier rasch ab und
geht, wenn man nach Entfernung des Nerven oder Muskels den Schliessungsbausch
auflegt, in die entgegengesetzte Ablenkung über, die sich jedoch in einiger Zeit wie-
der ausgleicht.

Fünftes Capitel.
Magnetismus
.

329
Allgemeine Ei-
genschaften der
Magnete.

Das in der Natur vorkommende Eisenoxyduloxyd (Fe3O4) hat
häufig die Eigenschaft, kleine Stückchen metallischen Eisens anzu-
ziehen und festzuhalten. Man hat schon im Alterthum den Körpern,
welche jene Anziehung gegen das Eisen und einige andere Metalle
ausüben, den Namen Magnete gegeben (von der Stadt Magnesia, in
deren Nähe am frühesten solche Eisenerze entdeckt wurden).

An jedem natürlichen Magneten findet man Stellen, an welchen
die anziehende Eigenschaft grösser ist als an den andern. Diese
Stellen nennt man die Pole. Nähert man einem solchen Pol ein
Stäbchen aus weichem Eisen, so zeigt dieses dieselbe Eigenschaft
wie der natürliche Magnet. Das Stäbchen hat nun zwei Pole, an de-
nen die anziehende Kraft am grössten ist, den einen an dem Ende,
welches dem Magneten zugekehrt ist, den andern am entgegengesetz-
ten Ende. Gegen die Mitte nimmt die anziehende Kraft ab, und in
der Mitte selber ist sie gleich null.

Nach seiner Entfernung von dem Magneten verliert jedoch das
Eisenstäbchen vollständig seine magnetische Eigenschaft. Verschieden
davon verhält sich das gehärtete Eisen, der Stahl. Bringt man einen
Stahlstab in die Nähe eines natürlichen Magneten, so zeigt jener an-
fänglich keine Veränderung. Erst wenn die Annäherung längere Zeit
gedauert hat, wird er ebenfalls magnetisch, indem er gleich dem Eisen
zwei Pole annimmt. Ein auf diese Weise magnetisirter Stahlstab be-
hält aber dann längere Zeit, nachdem man ihn von dem natürlichen
Magneten entfernt hat, seine magnetischen Eigenschaften bei. Diese
Eigenthümlichkeit des Stahls bietet daher das hauptsächlichste Hülfs-
mittel zur Erzeugung künstlicher Magnete. Durch solche künst-

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[502/0524] Von der Elektricität. Schliessungsbausch bereits eine grössere oder geringere Ablenkung der Magnetnadel bewirkt. Man kann die Wirkung dieser constanten Kraft, die sich zu derjenigen des untersuchten Gewebes addiren würde, ebenfalls mit Hülfe des Compensationsverfahrens (nach §. 320) zum Verschwinden bringen. Von du Bois-Reymond wurde früher, bevor der Vortheil unpolisirbarer Elektroden bei elektrophysiologischen Versuchen ge- nauer bekannt war, dem Apparat in Fig. 224 folgende Zusammensetzung gegeben. Die Gläser g waren mit gesättigter Kochsalzlösung gefüllt, mit derselben waren die Bäusche b getränkt; Nerv oder Muskel aber waren vor der Wirkung des Kochsalzes durch in Eiweiss getränkte Stückchen Blase geschützt. Die Platten p bestanden aus Platin. Eine solche Zusammenstellung zeigt beträchtliche Polarisation. Jede Ablenkung der Magnetnadel durch den Nerven- oder Muskelstrom nimmt daher hier rasch ab und geht, wenn man nach Entfernung des Nerven oder Muskels den Schliessungsbausch auflegt, in die entgegengesetzte Ablenkung über, die sich jedoch in einiger Zeit wie- der ausgleicht. Fünftes Capitel. Magnetismus. Das in der Natur vorkommende Eisenoxyduloxyd (Fe3O4) hat häufig die Eigenschaft, kleine Stückchen metallischen Eisens anzu- ziehen und festzuhalten. Man hat schon im Alterthum den Körpern, welche jene Anziehung gegen das Eisen und einige andere Metalle ausüben, den Namen Magnete gegeben (von der Stadt Magnesia, in deren Nähe am frühesten solche Eisenerze entdeckt wurden). An jedem natürlichen Magneten findet man Stellen, an welchen die anziehende Eigenschaft grösser ist als an den andern. Diese Stellen nennt man die Pole. Nähert man einem solchen Pol ein Stäbchen aus weichem Eisen, so zeigt dieses dieselbe Eigenschaft wie der natürliche Magnet. Das Stäbchen hat nun zwei Pole, an de- nen die anziehende Kraft am grössten ist, den einen an dem Ende, welches dem Magneten zugekehrt ist, den andern am entgegengesetz- ten Ende. Gegen die Mitte nimmt die anziehende Kraft ab, und in der Mitte selber ist sie gleich null. Nach seiner Entfernung von dem Magneten verliert jedoch das Eisenstäbchen vollständig seine magnetische Eigenschaft. Verschieden davon verhält sich das gehärtete Eisen, der Stahl. Bringt man einen Stahlstab in die Nähe eines natürlichen Magneten, so zeigt jener an- fänglich keine Veränderung. Erst wenn die Annäherung längere Zeit gedauert hat, wird er ebenfalls magnetisch, indem er gleich dem Eisen zwei Pole annimmt. Ein auf diese Weise magnetisirter Stahlstab be- hält aber dann längere Zeit, nachdem man ihn von dem natürlichen Magneten entfernt hat, seine magnetischen Eigenschaften bei. Diese Eigenthümlichkeit des Stahls bietet daher das hauptsächlichste Hülfs- mittel zur Erzeugung künstlicher Magnete. Durch solche künst-

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/524>, abgerufen am 19.04.2024.