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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

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Der Morgen.
Aber was seh ich? Viel tausende steigen von nächtlichen
Lagern

Nicht vom Vorspiel des Todes geschreckt, in welchem
sie lagen,

Unerkentlich, obgleich sie von neuem zum Leben er-
wacht sind!

Ohne Gedanken taumeln sie hin zur niedrigen Arbeit,
Ohne Gedanken von ihm, der sie aus Staube geschaffen.
Doch ich seh auch christliche Hände zum Himmel sich
falten,

Und demüthige Knie sich vor dem Allmächtigen beugen.
GOtt schaut gnädig herab; die Morgenopfer der Her-
zen

Sind ihm ein süsser Geruch, und füllen den jauchzen-
den Himmel.

Ganz verblendet vom Glanz der grossen prächti-
gen Scene

Sitze die Seele vertieft, und schaue vom waldichten
Hügel

Weit in das lachende Feld, dem Sonnenwagen entgegen.
Oder leite mich jetzt, o Muse, zum winkenden Lust-
wald,

Wo in hohen Gewölben voll Laub ein heiliges Schre-
cken

Mein durchdrungenes Herz mit frommen Gedanken be-
geistert.

Laß

Der Morgen.
Aber was ſeh ich? Viel tauſende ſteigen von naͤchtlichen
Lagern

Nicht vom Vorſpiel des Todes geſchreckt, in welchem
ſie lagen,

Unerkentlich, obgleich ſie von neuem zum Leben er-
wacht ſind!

Ohne Gedanken taumeln ſie hin zur niedrigen Arbeit,
Ohne Gedanken von ihm, der ſie aus Staube geſchaffen.
Doch ich ſeh auch chriſtliche Haͤnde zum Himmel ſich
falten,

Und demuͤthige Knie ſich vor dem Allmaͤchtigen beugen.
GOtt ſchaut gnaͤdig herab; die Morgenopfer der Her-
zen

Sind ihm ein ſuͤſſer Geruch, und fuͤllen den jauchzen-
den Himmel.

Ganz verblendet vom Glanz der groſſen praͤchti-
gen Scene

Sitze die Seele vertieft, und ſchaue vom waldichten
Huͤgel

Weit in das lachende Feld, dem Sonnenwagen entgegen.
Oder leite mich jetzt, o Muſe, zum winkenden Luſt-
wald,

Wo in hohen Gewoͤlben voll Laub ein heiliges Schre-
cken

Mein durchdrungenes Herz mit frommen Gedanken be-
geiſtert.

Laß
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[18/0026] Der Morgen. Aber was ſeh ich? Viel tauſende ſteigen von naͤchtlichen Lagern Nicht vom Vorſpiel des Todes geſchreckt, in welchem ſie lagen, Unerkentlich, obgleich ſie von neuem zum Leben er- wacht ſind! Ohne Gedanken taumeln ſie hin zur niedrigen Arbeit, Ohne Gedanken von ihm, der ſie aus Staube geſchaffen. Doch ich ſeh auch chriſtliche Haͤnde zum Himmel ſich falten, Und demuͤthige Knie ſich vor dem Allmaͤchtigen beugen. GOtt ſchaut gnaͤdig herab; die Morgenopfer der Her- zen Sind ihm ein ſuͤſſer Geruch, und fuͤllen den jauchzen- den Himmel. Ganz verblendet vom Glanz der groſſen praͤchti- gen Scene Sitze die Seele vertieft, und ſchaue vom waldichten Huͤgel Weit in das lachende Feld, dem Sonnenwagen entgegen. Oder leite mich jetzt, o Muſe, zum winkenden Luſt- wald, Wo in hohen Gewoͤlben voll Laub ein heiliges Schre- cken Mein durchdrungenes Herz mit frommen Gedanken be- geiſtert. Laß

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/26>, abgerufen am 29.03.2024.