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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

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Der Morgen.
Doch Verstellung herrschet allhier. Ein Hofmann um-
armet

Hier den andern, als Freund, und hat bereits ihn ver-
rathen.

Ach! sein tückisches Herz wird bald das Jammern des
Weibes,

Und das Flehn unschuldiger Kinder mit Freude ver-
nehmen;

Traurig stürzen sie, von dem Ruin des Vaters ergrif-
fen,

Mit in den Abgrund herab, und vergraben hohe Ta-
lente.

Dreymal glücklich ist der, der einen erleuchteten
Staatsmann

Nicht durch den sclavischen Rauch verstellter Opfer ge-
wonnen.

Wie unglücklich ist der, der in dem Vorsaal des Schrei-
bers,

Unerhöret vom vorgen Lakay, um Allmosen bettelt!
Der im Prozeß verwickelte Landmann kömmt jetzo mit
Ehrfurcht

Zu dem Hause des Richters, dem seine Gerechtigkeit
feil ist.

Was sein dürftiger Hof nur vermocht, die Kinder der
Henne,

Oder ein saugendes Lamm, bringt er zum Altar der
Themis.

Gestern noch gieng er im dickesten Schilf an sandichten
Ufern,

Um
C 5

Der Morgen.
Doch Verſtellung herrſchet allhier. Ein Hofmann um-
armet

Hier den andern, als Freund, und hat bereits ihn ver-
rathen.

Ach! ſein tuͤckiſches Herz wird bald das Jammern des
Weibes,

Und das Flehn unſchuldiger Kinder mit Freude ver-
nehmen;

Traurig ſtuͤrzen ſie, von dem Ruin des Vaters ergrif-
fen,

Mit in den Abgrund herab, und vergraben hohe Ta-
lente.

Dreymal gluͤcklich iſt der, der einen erleuchteten
Staatsmann

Nicht durch den ſclaviſchen Rauch verſtellter Opfer ge-
wonnen.

Wie ungluͤcklich iſt der, der in dem Vorſaal des Schrei-
bers,

Unerhoͤret vom vorgen Lakay, um Allmoſen bettelt!
Der im Prozeß verwickelte Landmann koͤmmt jetzo mit
Ehrfurcht

Zu dem Hauſe des Richters, dem ſeine Gerechtigkeit
feil iſt.

Was ſein duͤrftiger Hof nur vermocht, die Kinder der
Henne,

Oder ein ſaugendes Lamm, bringt er zum Altar der
Themis.

Geſtern noch gieng er im dickeſten Schilf an ſandichten
Ufern,

Um
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[41/0049] Der Morgen. Doch Verſtellung herrſchet allhier. Ein Hofmann um- armet Hier den andern, als Freund, und hat bereits ihn ver- rathen. Ach! ſein tuͤckiſches Herz wird bald das Jammern des Weibes, Und das Flehn unſchuldiger Kinder mit Freude ver- nehmen; Traurig ſtuͤrzen ſie, von dem Ruin des Vaters ergrif- fen, Mit in den Abgrund herab, und vergraben hohe Ta- lente. Dreymal gluͤcklich iſt der, der einen erleuchteten Staatsmann Nicht durch den ſclaviſchen Rauch verſtellter Opfer ge- wonnen. Wie ungluͤcklich iſt der, der in dem Vorſaal des Schrei- bers, Unerhoͤret vom vorgen Lakay, um Allmoſen bettelt! Der im Prozeß verwickelte Landmann koͤmmt jetzo mit Ehrfurcht Zu dem Hauſe des Richters, dem ſeine Gerechtigkeit feil iſt. Was ſein duͤrftiger Hof nur vermocht, die Kinder der Henne, Oder ein ſaugendes Lamm, bringt er zum Altar der Themis. Geſtern noch gieng er im dickeſten Schilf an ſandichten Ufern, Um C 5

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/49>, abgerufen am 19.04.2024.