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Zeiller, Martin: Centuria Variarum Quæstionum. Bd. 1. Ulm, 1658.

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Die XVIII. Frag.
ist ein Vatter nach der Güttigkeit/ und ein Herr
nach/ oder in der Zucht. Welches auch von ei-
nem Fürsten/ so gleichsam GOttes Stadthalter
ist/ zu wünschen wäre/ daß Gnade und Gerech-
tigkeit miteinander wandeln thäten; weilen dieses
die zwey Stützen/ darauff die Regiments-Last lie-
get. Wann aber den mitlern Weg allezeit/ und
gleich zu gehen/ sehr schwer ist; so wird daher nicht
unbillich gefragt/ ob es besser seye ein wenig nach
der Gerechtigkeit/ oder aber nach der Gnade meh-
rers sich zu lencken? Und zwar/ so ist bißweilen/
nach Unterscheid der Umbstände/ und sonderlich
zu dieser Zeit/ da allerhand Laster überhand neh-
men/ man sich derselben auch nicht schämet/ die
Strengigkeit/ der Gütigkeit vorzuziehen; weilen
man mit übersehen/ nur mehrers zu sündigen An-
laß giebt. Durch Gelindigkeit wird ein Fürst/
und die Gesätz/ verächtlich gemacht. Der Rö-
mer Reich wäre zu grosse/ deß Pertinacis Freund-
ligkeit/ und deß Heliogabali närrische Wollust/
schier gefallen/ wann nicht demselben Käyser A-
lexander Severus,
mit seiner Ernsthafftigkeit zu
Hülff kommen wäre. Der Käyser Aurelianus
ist für nothwendig/ ob er wol ernsthafft war/ ge-
halten worden/ dieweil deß Römischen Reichs im
Schwang gebende Laster keinen gelindern Für-
sten/ zu gel[a]ssen hätten. Seyn auch etwann
theils Völcker also genaturet/ daß sie nur mit ei-
ner eisernen Ruthen wollen regiret werden. So

ver-

Die XVIII. Frag.
iſt ein Vatter nach der Guͤttigkeit/ und ein Herr
nach/ oder in der Zucht. Welches auch von ei-
nem Fuͤrſten/ ſo gleichſam GOttes Stadthalter
iſt/ zu wuͤnſchen waͤre/ daß Gnade und Gerech-
tigkeit miteinander wandeln thaͤten; weilen dieſes
die zwey Stuͤtzen/ darauff die Regiments-Laſt lie-
get. Wann aber den mitlern Weg allezeit/ und
gleich zu gehen/ ſehr ſchwer iſt; ſo wird daher nicht
unbillich gefragt/ ob es beſſer ſeye ein wenig nach
der Gerechtigkeit/ oder aber nach der Gnade meh-
rers ſich zu lencken? Und zwar/ ſo iſt bißweilen/
nach Unterſcheid der Umbſtaͤnde/ und ſonderlich
zu dieſer Zeit/ da allerhand Laſter uͤberhand neh-
men/ man ſich derſelben auch nicht ſchaͤmet/ die
Strengigkeit/ der Guͤtigkeit vorzuziehen; weilen
man mit uͤberſehen/ nur mehrers zu ſuͤndigen An-
laß giebt. Durch Gelindigkeit wird ein Fuͤrſt/
und die Geſaͤtz/ veraͤchtlich gemacht. Der Roͤ-
mer Reich waͤre zu groſſe/ deß Pertinacis Freund-
ligkeit/ und deß Heliogabali naͤrriſche Wolluſt/
ſchier gefallen/ wann nicht demſelben Kaͤyſer A-
lexander Severus,
mit ſeiner Ernſthafftigkeit zu
Huͤlff kommen waͤre. Der Kaͤyſer Aurelianus
iſt fuͤr nothwendig/ ob er wol ernſthafft war/ ge-
halten worden/ dieweil deß Roͤmiſchen Reichs im
Schwang gebende Laſter keinen gelindern Fuͤr-
ſten/ zu gel[a]ſſen haͤtten. Seyn auch etwann
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[56/0072] Die XVIII. Frag. iſt ein Vatter nach der Guͤttigkeit/ und ein Herr nach/ oder in der Zucht. Welches auch von ei- nem Fuͤrſten/ ſo gleichſam GOttes Stadthalter iſt/ zu wuͤnſchen waͤre/ daß Gnade und Gerech- tigkeit miteinander wandeln thaͤten; weilen dieſes die zwey Stuͤtzen/ darauff die Regiments-Laſt lie- get. Wann aber den mitlern Weg allezeit/ und gleich zu gehen/ ſehr ſchwer iſt; ſo wird daher nicht unbillich gefragt/ ob es beſſer ſeye ein wenig nach der Gerechtigkeit/ oder aber nach der Gnade meh- rers ſich zu lencken? Und zwar/ ſo iſt bißweilen/ nach Unterſcheid der Umbſtaͤnde/ und ſonderlich zu dieſer Zeit/ da allerhand Laſter uͤberhand neh- men/ man ſich derſelben auch nicht ſchaͤmet/ die Strengigkeit/ der Guͤtigkeit vorzuziehen; weilen man mit uͤberſehen/ nur mehrers zu ſuͤndigen An- laß giebt. Durch Gelindigkeit wird ein Fuͤrſt/ und die Geſaͤtz/ veraͤchtlich gemacht. Der Roͤ- mer Reich waͤre zu groſſe/ deß Pertinacis Freund- ligkeit/ und deß Heliogabali naͤrriſche Wolluſt/ ſchier gefallen/ wann nicht demſelben Kaͤyſer A- lexander Severus, mit ſeiner Ernſthafftigkeit zu Huͤlff kommen waͤre. Der Kaͤyſer Aurelianus iſt fuͤr nothwendig/ ob er wol ernſthafft war/ ge- halten worden/ dieweil deß Roͤmiſchen Reichs im Schwang gebende Laſter keinen gelindern Fuͤr- ſten/ zu gelaſſen haͤtten. Seyn auch etwann theils Voͤlcker alſo genaturet/ daß ſie nur mit ei- ner eiſernen Ruthen wollen regiret werden. So ver-

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Zitationshilfe: Zeiller, Martin: Centuria Variarum Quæstionum. Bd. 1. Ulm, 1658, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria01_1658/72>, abgerufen am 28.03.2024.