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Zeiller, Martin: Centuria Variarum Quæstionum. Bd. 1. Ulm, 1658.

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Die XVIII. Frag.
verursachet die Gütigkeit eines Fürsten/ gar offt/
daß die Schmeichler und Diebe/ einen gemeinen
Stand berauben; die Strengigkeit aber macht/
daß die Beampte im Zaum gehalten werden/ und
ihrem Ampt genug thun. Aber! wie dem al-
lem/ so ist doch die Gnade/ der Strenge/ vor-
zuziehen. Und solches hat die Natur selber et-
licher massen lehren wollen/ welche der Jmen/ o-
der Bienen/ Königen/ keinen Stachel zugelas-
sen/ oder doch den zugebrauchen nicht haben wol-
len/ damit sie desto weniger jemands Schaden
thäten. Die Liebe der Unterthanen begleitet am
besten einen Fürsten: Wer aber geliebt seyn will/
muß mit schwacher Hand regieren. Und wer
wer weiß nicht/ daß das gestrenge Recht/ offt-
mals die gröste Unbilligkeit ist? Vnd/ wie/ in
einer zweiffelhafftigen Sache/ allezeit besser ist ei-
nen Schuldigen ledig lassen/ als einen Vnschul-
digen verdammen; also ist auch/ in andern Sa-
chen/ die Strenge der Gerechtigkeit/ mit der Bil-
ligkeit/ zu vermischen/ abermals nach dem Exem-
pel deß Königs aller Königen. Dann obwolen
derselbe/ wie genädig/ also auch gerecht ist; so er-
scheinen doch gegen uns mehrere Wirckungen sei-
ner Barmhertzigkeit/ als Gerechtigkeit. Dann
Gottes Eigenschafft ist/ sich erbarmen und schonen.
Der Käyser Leo I. pflegte zu sagen/ welchen die
Sonne bescheine/ denen pflege sie auch die Wärme

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Die XVIII. Frag.
verurſachet die Guͤtigkeit eines Fuͤrſten/ gar offt/
daß die Schmeichler und Diebe/ einen gemeinen
Stand berauben; die Strengigkeit aber macht/
daß die Beampte im Zaum gehalten werden/ und
ihrem Ampt genug thun. Aber! wie dem al-
lem/ ſo iſt doch die Gnade/ der Strenge/ vor-
zuziehen. Und ſolches hat die Natur ſelber et-
licher maſſen lehren wollen/ welche der Jmen/ o-
der Bienen/ Koͤnigen/ keinen Stachel zugelaſ-
ſen/ oder doch den zugebrauchen nicht haben wol-
len/ damit ſie deſto weniger jemands Schaden
thaͤten. Die Liebe der Unterthanen begleitet am
beſten einen Fuͤrſten: Wer aber geliebt ſeyn will/
muß mit ſchwacher Hand regieren. Und wer
wer weiß nicht/ daß das geſtrenge Recht/ offt-
mals die groͤſte Unbilligkeit iſt? Vnd/ wie/ in
einer zweiffelhafftigen Sache/ allezeit beſſer iſt ei-
nen Schuldigen ledig laſſen/ als einen Vnſchul-
digen verdammen; alſo iſt auch/ in andern Sa-
chen/ die Strenge der Gerechtigkeit/ mit der Bil-
ligkeit/ zu vermiſchen/ abermals nach dem Exem-
pel deß Koͤnigs aller Koͤnigen. Dann obwolen
derſelbe/ wie genaͤdig/ alſo auch gerecht iſt; ſo er-
ſcheinen doch gegen uns mehrere Wirckungen ſei-
ner Barmhertzigkeit/ als Gerechtigkeit. Dann
Gottes Eigenſchafft iſt/ ſich erbarmen und ſchonen.
Der Kaͤyſer Leo I. pflegte zu ſagen/ welchen die
Sonne beſcheine/ denen pflege ſie auch die Waͤrme

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[57/0073] Die XVIII. Frag. verurſachet die Guͤtigkeit eines Fuͤrſten/ gar offt/ daß die Schmeichler und Diebe/ einen gemeinen Stand berauben; die Strengigkeit aber macht/ daß die Beampte im Zaum gehalten werden/ und ihrem Ampt genug thun. Aber! wie dem al- lem/ ſo iſt doch die Gnade/ der Strenge/ vor- zuziehen. Und ſolches hat die Natur ſelber et- licher maſſen lehren wollen/ welche der Jmen/ o- der Bienen/ Koͤnigen/ keinen Stachel zugelaſ- ſen/ oder doch den zugebrauchen nicht haben wol- len/ damit ſie deſto weniger jemands Schaden thaͤten. Die Liebe der Unterthanen begleitet am beſten einen Fuͤrſten: Wer aber geliebt ſeyn will/ muß mit ſchwacher Hand regieren. Und wer wer weiß nicht/ daß das geſtrenge Recht/ offt- mals die groͤſte Unbilligkeit iſt? Vnd/ wie/ in einer zweiffelhafftigen Sache/ allezeit beſſer iſt ei- nen Schuldigen ledig laſſen/ als einen Vnſchul- digen verdammen; alſo iſt auch/ in andern Sa- chen/ die Strenge der Gerechtigkeit/ mit der Bil- ligkeit/ zu vermiſchen/ abermals nach dem Exem- pel deß Koͤnigs aller Koͤnigen. Dann obwolen derſelbe/ wie genaͤdig/ alſo auch gerecht iſt; ſo er- ſcheinen doch gegen uns mehrere Wirckungen ſei- ner Barmhertzigkeit/ als Gerechtigkeit. Dann Gottes Eigenſchafft iſt/ ſich erbarmen und ſchonen. Der Kaͤyſer Leo I. pflegte zu ſagen/ welchen die Sonne beſcheine/ denen pflege ſie auch die Waͤrme mit- D 5

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Zitationshilfe: Zeiller, Martin: Centuria Variarum Quæstionum. Bd. 1. Ulm, 1658, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria01_1658/73>, abgerufen am 25.04.2024.