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Zeiller, Martin: Centuria II. Variarvm Quæstionum. Bd. 2. Ulm, 1659.

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Die XXXVI. Frag.
Mögen auch der Vor-Eltern Ge-
sätz bisweilen geändert werden? Und kön-

nen die Menschliche Gesätz/ wann sie über-
schritten/ das Gewissen
verletzen?

DAs Ansehen des Alters ist
einem jeden so lieb/ daß ein altes Gesätz/
ohne Obrigkeit/ sich selbsten/ wie Bodi-
nus lib.
4. de Republica, cap. 3. n.
525. sagt/ leicht-
lich schützen kan; die Neulichkeit aber der Gesätz/
kaum durch Hoffnung einiger Gaben/ oder Forcht
der Straffen/ oder durch Obrigkeitliches Amt/
bestehen mag. So ist auch eine Veränderung der
Gesätze nicht ohne Gefahr/ dieweil derselben An-
sehen/ so bey dem Pövel für heilig gehalten werden
solle/ auff diese Weise geschwächt wird. Dann der
Gemeine Mann/ durch böse Einbildung ver-
führt/ vermeinet/ daß wie die alte Gesätz abgethan
worden; also werden auch die neuen nicht lang
währen/ und dahero unverbündlich seyn. Deswe-
gen/ beym Thucydide, des Cleonis Meinung ist:
Es stehe besser mit einer Stadt/ die sich der bösen
Gesätz beständig gebraucht/ als mit der jenigen/ so
gute Gesätz habe/ aber nicht beständig dabey ver-
bleibe/ lib. 3. de bello Peloponnes. p. 126.

Damit aber auff die vorgelegte Frag etwas ei-
gentlicher geantwortet werde; so seyn folgende

Regeln/
Die XXXVI. Frag.
Moͤgen auch der Vor-Eltern Ge-
ſaͤtz bisweilen geaͤndert werden? Und koͤn-

nen die Menſchliche Geſaͤtz/ wann ſie uͤber-
ſchritten/ das Gewiſſen
verletzen?

DAs Anſehen des Alters iſt
einem jeden ſo lieb/ daß ein altes Geſaͤtz/
ohne Obrigkeit/ ſich ſelbſten/ wie Bodi-
nus lib.
4. de Republica, cap. 3. n.
525. ſagt/ leicht-
lich ſchuͤtzen kan; die Neulichkeit aber der Geſaͤtz/
kaum durch Hoffnung einiger Gaben/ oder Forcht
der Straffen/ oder durch Obrigkeitliches Amt/
beſtehen mag. So iſt auch eine Veraͤnderung der
Geſaͤtze nicht ohne Gefahr/ dieweil derſelben An-
ſehen/ ſo bey dem Poͤvel fuͤr heilig gehalten werden
ſolle/ auff dieſe Weiſe geſchwaͤcht wird. Dann der
Gemeine Mann/ durch boͤſe Einbildung ver-
fuͤhrt/ vermeinet/ daß wie die alte Geſaͤtz abgethan
worden; alſo werden auch die neuen nicht lang
waͤhren/ und dahero unverbuͤndlich ſeyn. Deswe-
gen/ beym Thucydide, des Cleonis Meinung iſt:
Es ſtehe beſſer mit einer Stadt/ die ſich der boͤſen
Geſaͤtz beſtaͤndig gebraucht/ als mit der jenigen/ ſo
gute Geſaͤtz habe/ aber nicht beſtaͤndig dabey ver-
bleibe/ lib. 3. de bello Peloponnes. p. 126.

Damit aber auff die vorgelegte Frag etwas ei-
gentlicher geantwortet werde; ſo ſeyn folgende

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[127/0155] Die XXXVI. Frag. Moͤgen auch der Vor-Eltern Ge- ſaͤtz bisweilen geaͤndert werden? Und koͤn- nen die Menſchliche Geſaͤtz/ wann ſie uͤber- ſchritten/ das Gewiſſen verletzen? DAs Anſehen des Alters iſt einem jeden ſo lieb/ daß ein altes Geſaͤtz/ ohne Obrigkeit/ ſich ſelbſten/ wie Bodi- nus lib. 4. de Republica, cap. 3. n. 525. ſagt/ leicht- lich ſchuͤtzen kan; die Neulichkeit aber der Geſaͤtz/ kaum durch Hoffnung einiger Gaben/ oder Forcht der Straffen/ oder durch Obrigkeitliches Amt/ beſtehen mag. So iſt auch eine Veraͤnderung der Geſaͤtze nicht ohne Gefahr/ dieweil derſelben An- ſehen/ ſo bey dem Poͤvel fuͤr heilig gehalten werden ſolle/ auff dieſe Weiſe geſchwaͤcht wird. Dann der Gemeine Mann/ durch boͤſe Einbildung ver- fuͤhrt/ vermeinet/ daß wie die alte Geſaͤtz abgethan worden; alſo werden auch die neuen nicht lang waͤhren/ und dahero unverbuͤndlich ſeyn. Deswe- gen/ beym Thucydide, des Cleonis Meinung iſt: Es ſtehe beſſer mit einer Stadt/ die ſich der boͤſen Geſaͤtz beſtaͤndig gebraucht/ als mit der jenigen/ ſo gute Geſaͤtz habe/ aber nicht beſtaͤndig dabey ver- bleibe/ lib. 3. de bello Peloponnes. p. 126. Damit aber auff die vorgelegte Frag etwas ei- gentlicher geantwortet werde; ſo ſeyn folgende Regeln/

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Zitationshilfe: Zeiller, Martin: Centuria II. Variarvm Quæstionum. Bd. 2. Ulm, 1659, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria02_1659/155>, abgerufen am 25.04.2024.