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Zeiller, Martin: Centuria II. Variarvm Quæstionum. Bd. 2. Ulm, 1659.

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Die XVIII. Frag.
Lug verdamm ich/ die schertzhaffte entschuldige
ich/ und die diensthaffte lobe ich. Und ziehet er da-
selbst unterschiedliche Autores, und darunter
Mynsingerum cent. 5. obs. 17. an.

Die XVIII. Frag.
Jst es einerley/ lügen/ und falsch re-
den? Und kan auch einer lügen/ wann

er die Warheit redet?

DEr redet nicht falsch/ der da
vermeint/ er rede die Warheit. Die
Falschheit sicht auff die Sach selber;
das lügen aber auff den Vorsatz des Willens/ so
der moralischen Tugend zuwider ist. Kan dero-
wegen der jenige keiner Lugen bezüchtiget werden/
der von des Käisers Tod/ durch seinen Freund/
schrifftlich ist berichtet worden; und er solches
auch Andern sagt/ hernach aber dasselbe nicht er-
folget. Daß es also ein anders ist/ falsch reden/
und ein anders/ lügen. Sihe Iac. Martini cent. 5.
disp. 6. qu.
8.

Was das Ander anbelangt/ so kan freylich
der/ so die Warheit redet/ lügen/ wann er das/ so
an sich selbsten waar ist/ nicht glaubet. Zum Ex-
empel/ ein Redner thut/ in seiner Rede/ den Feind
gewaltig loben/ welches er doch selber nicht glau-
bet/ noch leichtlich sagen wurde/ wann es nicht die
Materi geben thäte. Gesetzt nun/ es seye waar/
und gleichwol so thut er/ nach der Sitten-Lehr/

lügen;
E iij

Die XVIII. Frag.
Lug verdamm ich/ die ſchertzhaffte entſchuldige
ich/ und die dienſthaffte lobe ich. Und ziehet er da-
ſelbſt unterſchiedliche Autores, und darunter
Mynſingerum cent. 5. obſ. 17. an.

Die XVIII. Frag.
Jſt es einerley/ luͤgen/ und falſch re-
den? Und kan auch einer luͤgen/ wann

er die Warheit redet?

DEr redet nicht falſch/ der da
vermeint/ er rede die Warheit. Die
Falſchheit ſicht auff die Sach ſelber;
das luͤgen aber auff den Vorſatz des Willens/ ſo
der moraliſchen Tugend zuwider iſt. Kan dero-
wegen der jenige keiner Lugen bezuͤchtiget werden/
der von des Kaͤiſers Tod/ durch ſeinen Freund/
ſchrifftlich iſt berichtet worden; und er ſolches
auch Andern ſagt/ hernach aber daſſelbe nicht er-
folget. Daß es alſo ein anders iſt/ falſch reden/
und ein anders/ luͤgen. Sihe Iac. Martini cent. 5.
diſp. 6. qu.
8.

Was das Ander anbelangt/ ſo kan freylich
der/ ſo die Warheit redet/ luͤgen/ wann er das/ ſo
an ſich ſelbſten waar iſt/ nicht glaubet. Zum Ex-
empel/ ein Redner thut/ in ſeiner Rede/ den Feind
gewaltig loben/ welches er doch ſelber nicht glau-
bet/ noch leichtlich ſagen wurde/ wann es nicht die
Materi geben thaͤte. Geſetzt nun/ es ſeye waar/
und gleichwol ſo thut er/ nach der Sitten-Lehr/

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E iij
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[69/0097] Die XVIII. Frag. Lug verdamm ich/ die ſchertzhaffte entſchuldige ich/ und die dienſthaffte lobe ich. Und ziehet er da- ſelbſt unterſchiedliche Autores, und darunter Mynſingerum cent. 5. obſ. 17. an. Die XVIII. Frag. Jſt es einerley/ luͤgen/ und falſch re- den? Und kan auch einer luͤgen/ wann er die Warheit redet? DEr redet nicht falſch/ der da vermeint/ er rede die Warheit. Die Falſchheit ſicht auff die Sach ſelber; das luͤgen aber auff den Vorſatz des Willens/ ſo der moraliſchen Tugend zuwider iſt. Kan dero- wegen der jenige keiner Lugen bezuͤchtiget werden/ der von des Kaͤiſers Tod/ durch ſeinen Freund/ ſchrifftlich iſt berichtet worden; und er ſolches auch Andern ſagt/ hernach aber daſſelbe nicht er- folget. Daß es alſo ein anders iſt/ falſch reden/ und ein anders/ luͤgen. Sihe Iac. Martini cent. 5. diſp. 6. qu. 8. Was das Ander anbelangt/ ſo kan freylich der/ ſo die Warheit redet/ luͤgen/ wann er das/ ſo an ſich ſelbſten waar iſt/ nicht glaubet. Zum Ex- empel/ ein Redner thut/ in ſeiner Rede/ den Feind gewaltig loben/ welches er doch ſelber nicht glau- bet/ noch leichtlich ſagen wurde/ wann es nicht die Materi geben thaͤte. Geſetzt nun/ es ſeye waar/ und gleichwol ſo thut er/ nach der Sitten-Lehr/ luͤgen; E iij

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Zitationshilfe: Zeiller, Martin: Centuria II. Variarvm Quæstionum. Bd. 2. Ulm, 1659, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria02_1659/97>, abgerufen am 29.03.2024.