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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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zweites Buch.
unmanbahrem Egiptischen Jungfreulein/ das
man in scharfer aufsicht und genauer bewah-
rung/ vielleicht in einem Kloster/ erziehet/ zu-
sammen aufhalten; und dieses Jungfreulein
lieben/ auch ihrer gegenliebe geniessen. Es wird
aber eine Ehfrau/ die schöne/ jung/ und mun-
ter/ auch desselben ortes/ da jene zween sich be-
finden/ gebieterin ist/ darzwischen kommen/
und in den Jüngling sich verlieben. Anfangs
wird sie scheu tragen/ ihm solche liebe zu offen-
bahren: und darüm zuerst von ferne ihm lie-
beln; darnach immer näher und näher kom-
men/ ihn strählen/ ja selbst küssen: bis sie end-
lich/ wan sie ihre liebe verschmähen siehet/ ihn
mit gewalt zur unkeuschheit zu ziehen sich unter-
fangen wird. Er aber wird ihr entreissen: und
dadurch wird sich ihre liebe in zorn verändern.
Dieser zorn wird sie bewegen/ den Jüngling bei
ihrem Ehherrn fälschlich zu bezüchtigen: wel-
cher ihn unschuldig ins gefängnüs werfen/ und
genau bewahren wird. Den Jüngling aber wird
endlich ein Egiptischer König nicht allein aus
dem gefängnüsse erlösen/ sondern ihn auch gar
in den Königsstand erhöben.

Josef hatte diese Treume zwar sehr klüglich und
gründlich ausgedeutet. Aber er wuste gleichwohl nicht/
daß sie ihn selbsten so nahe angingen/ und daß der junge
Stier und der fremde Vogel auf ihn zieleten. Er wu-
ste nicht/ daß das junge Fährsichen und die junge Egip-
tische Störchin die lieblichschöne Assenat sei: derer
Göttlichen ausspruch er gestern eben so deutlich erkläh-
ret. Doch würde er es ohne zweifel/ wan man ihm in
der Nitokris Traume nicht die zwei fürnehmsten stük-
ke verschwiegen/ errahten haben. Dan da hette er des
Potifars haus/ und die zeit der vermählung der

As-
F v

zweites Buch.
unmanbahrem Egiptiſchen Jungfreulein/ das
man in ſcharfer aufſicht und genauer bewah-
rung/ vielleicht in einem Kloſter/ erziehet/ zu-
ſammen aufhalten; und dieſes Jungfreulein
lieben/ auch ihrer gegenliebe genieſſen. Es wird
aber eine Ehfrau/ die ſchoͤne/ jung/ und mun-
ter/ auch deſſelben ortes/ da jene zween ſich be-
finden/ gebieterin iſt/ darzwiſchen kommen/
und in den Juͤngling ſich verlieben. Anfangs
wird ſie ſcheu tragen/ ihm ſolche liebe zu offen-
bahren: und daruͤm zuerſt von ferne ihm lie-
beln; darnach immer naͤher und naͤher kom-
men/ ihn ſtraͤhlen/ ja ſelbſt kuͤſſen: bis ſie end-
lich/ wan ſie ihre liebe verſchmaͤhen ſiehet/ ihn
mit gewalt zur unkeuſchheit zu ziehen ſich unter-
fangen wird. Er aber wird ihr entreiſſen: und
dadurch wird ſich ihre liebe in zorn veraͤndern.
Dieſer zorn wird ſie bewegen/ den Juͤngling bei
ihrem Ehherꝛn faͤlſchlich zu bezuͤchtigen: wel-
cher ihn unſchuldig ins gefaͤngnuͤs werfen/ und
genau bewahren wird. Den Juͤngling aber wird
endlich ein Egiptiſcher Koͤnig nicht allein aus
dem gefaͤngnuͤſſe erloͤſen/ ſondern ihn auch gar
in den Koͤnigsſtand erhoͤben.

Joſef hatte dieſe Treume zwar ſehr kluͤglich und
gruͤndlich ausgedeutet. Aber er wuſte gleichwohl nicht/
daß ſie ihn ſelbſten ſo nahe angingen/ und daß der junge
Stier und der fremde Vogel auf ihn zieleten. Er wu-
ſte nicht/ daß das junge Faͤhrſichen und die junge Egip-
tiſche Stoͤrchin die lieblichſchoͤne Aſſenat ſei: derer
Goͤttlichen ausſpruch er geſtern eben ſo deutlich erklaͤh-
ret. Doch wuͤrde er es ohne zweifel/ wan man ihm in
der Nitokris Traume nicht die zwei fuͤrnehmſten ſtuͤk-
ke verſchwiegen/ errahten haben. Dan da hette er des
Potifars haus/ und die zeit der vermaͤhlung der

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[89/0113] zweites Buch. unmanbahrem Egiptiſchen Jungfreulein/ das man in ſcharfer aufſicht und genauer bewah- rung/ vielleicht in einem Kloſter/ erziehet/ zu- ſammen aufhalten; und dieſes Jungfreulein lieben/ auch ihrer gegenliebe genieſſen. Es wird aber eine Ehfrau/ die ſchoͤne/ jung/ und mun- ter/ auch deſſelben ortes/ da jene zween ſich be- finden/ gebieterin iſt/ darzwiſchen kommen/ und in den Juͤngling ſich verlieben. Anfangs wird ſie ſcheu tragen/ ihm ſolche liebe zu offen- bahren: und daruͤm zuerſt von ferne ihm lie- beln; darnach immer naͤher und naͤher kom- men/ ihn ſtraͤhlen/ ja ſelbſt kuͤſſen: bis ſie end- lich/ wan ſie ihre liebe verſchmaͤhen ſiehet/ ihn mit gewalt zur unkeuſchheit zu ziehen ſich unter- fangen wird. Er aber wird ihr entreiſſen: und dadurch wird ſich ihre liebe in zorn veraͤndern. Dieſer zorn wird ſie bewegen/ den Juͤngling bei ihrem Ehherꝛn faͤlſchlich zu bezuͤchtigen: wel- cher ihn unſchuldig ins gefaͤngnuͤs werfen/ und genau bewahren wird. Den Juͤngling aber wird endlich ein Egiptiſcher Koͤnig nicht allein aus dem gefaͤngnuͤſſe erloͤſen/ ſondern ihn auch gar in den Koͤnigsſtand erhoͤben. Joſef hatte dieſe Treume zwar ſehr kluͤglich und gruͤndlich ausgedeutet. Aber er wuſte gleichwohl nicht/ daß ſie ihn ſelbſten ſo nahe angingen/ und daß der junge Stier und der fremde Vogel auf ihn zieleten. Er wu- ſte nicht/ daß das junge Faͤhrſichen und die junge Egip- tiſche Stoͤrchin die lieblichſchoͤne Aſſenat ſei: derer Goͤttlichen ausſpruch er geſtern eben ſo deutlich erklaͤh- ret. Doch wuͤrde er es ohne zweifel/ wan man ihm in der Nitokris Traume nicht die zwei fuͤrnehmſten ſtuͤk- ke verſchwiegen/ errahten haben. Dan da hette er des Potifars haus/ und die zeit der vermaͤhlung der Aſ- F v

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/113>, abgerufen am 23.04.2024.